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Als Zeitung noch Handarbeit war

Wie aus einem anderen Jahrhundert: Texte mit dem Füllhalter schreiben, Seitenspiegel mit Lineal und Bleistift aufs Papier malen. Ein Beitrag zum Jubiläum 75 Jahre SZ.

Von Heidemarie Körner
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Unerlässliche Utensilien für Zeitungsmacher 1991: Rechenscheibe, Kugelschreiber und Bleistift und die Kuriertasche.
Unerlässliche Utensilien für Zeitungsmacher 1991: Rechenscheibe, Kugelschreiber und Bleistift und die Kuriertasche. © Heidi Körner

Hilfe, es ist schon wieder kurz nach dem Mittag, und der Seitenspiegel für morgen steht noch nicht mal fest. Heute muss ich die Planerei übernehmen – Zeilen zählen und in Druckzeilen umrechnen, Fotogrößen mit der Rechenscheibe ermitteln, die Zeitungsseite mit Lineal und Bleistift aufmalen. Wenn das nicht hinhaut, haben die Leute in der Druckerei ein echtes Problem.

Und das Planen, Rechnen und Zeichnen dauert, Zeit, die ich schon wieder mal nicht habe. Der Kurier, der alles nach Dresden ins Haus der Presse bringt, wartet nicht. Halb vier muss die Sekretärin ihm unsere Tasche mit allen Utensilien übergeben, dann muss er rasch weiter.

Und draußen sitzen die beiden Sekretärinnen noch über dem Abtippen der Texte. „Kann mal einer kommen, ich kann das nicht lesen“, ruft eine der beiden ins Redaktionszimmer. Die Vereine – und nicht nur die – liefern ihre Artikel oft handgeschrieben. Da kann es schon schwierig werden mit dem Entziffern, vor allem bei Namen. Immerhin schreibt so mancher noch in altdeutscher Schrift. Die können viele gar nicht mehr lesen. Nicht 1991.

Kurierfahrt nach Dresden

Genau 30 Jahre ist das nun her. Eine halbe Ewigkeit. Den Kurier haben wir übrigens manches Mal tatsächlich verpasst. Dann musste sich einer der Redakteure ins Auto setzen und den Lokalteil der Sächsischen Zeitung selber nach Dresden bringen. Dieser Lokalteil – in unserem Falle der des damaligen Kreises Sebnitz – war da recht klein. Wenige Monate nach der Wiedervereinigung war er von einer auf durchschnittlich zwei Seiten erweitert worden. Und ein Redakteur konnte zusätzlich zu den drei erfahrenen Zeitungsmachern eingestellt werden. Das war ich. Gemeinsam mit einem Fotografen. Im September 1990.

Zu berichten gab es in der Zeit viel, alles war im Umbruch, von der Familie bis in die Wirtschaft und große Politik. Unser Alltagsgeschäft war eher die kleine Politik, der Alltag der Menschen. Veränderungen in den Betrieben – wenn es die überhaupt noch gab – Vereinsleben, Sport, Freizeit. Das alles wollte täglich auf den wenigen Seiten Platz finden. Und natürlich die Geburtstage der Senioren. Über Datenschutz dachte damals noch keiner nach, wenn Oma oder Opa gratuliert werden sollte, Hauptsache, ihr Jubiläum war in der Zeitung zu lesen. Und das war gar nicht immer einfach. In Zeiten, da an Computer noch keiner so recht dachte.

Obwohl, erste Computer hielten im Sekretariat der SZ recht bald Einzug, riesige Rechenschränke, die den kleinen Raum ausfüllten. Abtippen mussten die Sekretärinnen die Texte noch immer. Aber die wurden auf Disketten gespeichert, immer auf zwei, zur Sicherheit. Das hatte den Riesenvorteil, dass die Texte in der Druckerei nicht noch einmal erfasst werden mussten, die Diskette konnte gleich weiterverarbeitet werden. Das sparte Arbeit, und auch Fehlerquellen wurden verringert.

Fotoarbeit mit Gänsehaut-Klebestreifen

Die ungeliebte Fotorechenscheibe – eine Art Rechenschieber in rund – blieb uns aber noch lange erhalten. Der Bildausschnitt, den wir damit im richtigen Seitenverhältnis errechneten, wurde auf dem Foto mit Gänsehaut, einem perforierten Papierklebestreifen, gekennzeichnet. Wenn der denn klebte. Oft war er ausgetrocknet und hielt höchstens noch an den Fingern, nicht aber auf dem Foto.

Und auch das Aufmalen des Seitenlayouts, also wo der Text auf der Seite hinkommen soll, wie lang er wird und wo welches Foto eingebaut werden soll, blieb uns Jahre erhalten. Nur, dass wir das Layout recht bald per Fax nach Dresden übermitteln konnten. Die Kurierfahrt war trotzdem noch nötig. Schließlich mussten die Disketten mit den Texten und die Fotos ins Druck- und Verlagshaus gefahren werden.

Aktuelle Berichterstattung war da ein relatives Wort. Im Idealfall berichteten wir über Ereignisse, die einen Tag zurücklagen, wenn die denn vormittags stattgefunden hatten. Am beliebtesten war damals die Berichterstattung von den Festen des Wochenendes am Montag oder Dienstag.

All das mutet heute doch sehr verstaubt an. Doch nicht nur unser Arbeitsalltag hat sich seitdem rasant verändert. Der Computer bestimmt inzwischen nicht nur den, sondern unser ganzes Leben.

Und auch die Entstehung und das Erscheinungsbild der SZ. Die kann man längst auch online lesen. Vier Redakteure, die einst einen kleinen Lokalteil gestalteten, betreuen heute eine ziemlich umfassende Lokalausgabe. Die technischen Dinge, wie Gestaltung der gedruckten Seiten, Koordination der von Reportern zugelieferten Beiträge, Onlineauftritt der Zeitung und Planung laufen in gesonderten Abteilungen, Desk genannt. Die Lokalausgaben werden in eigenständigen Regionalverlagen produziert, in unserem Fall die DDV Sächsische Schweiz-Osterzgebirge GmbH.