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Bahnstrecke Dresden-Prag: Geht’s in Heidenau viergleisig bis zum Tunnel?

Die Bahn will bis Jahresende erste konkrete Vorschläge für den Trassenverlauf präsentieren. Dabei wird auch eine zusätzliche Variante geprüft.

Von Thomas Möckel
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Neubaustrecken-Projektleiter Kay Müller: Vielleicht brauchen wir noch zusätzlich zwei Beschleunigungsspuren vor dem Tunnel.
Neubaustrecken-Projektleiter Kay Müller: Vielleicht brauchen wir noch zusätzlich zwei Beschleunigungsspuren vor dem Tunnel. © Daniel Schäfer

Ganz am Anfang gab es für die neue Bahnstrecke Dresden-Prag, die die Deutsche Bahn seit 2018 projektiert, insgesamt sieben mögliche Streckenkorridore, die alle von einem zentralen Punkt an der bestehenden Elbtalstrecke zwischen Heidenau und Pirna – etwa in Höhe der Pechhütte – in mehr oder minder großen Bögen südwärts in Richtung Tschechien verliefen. Das ist genau jener Bereich, in dem gebaut werden soll – eine 43 Kilometer lange neue Trasse zwischen Heidenau und Usti nad Labem in Tschechien. Kernstück ist ein mindestens 26 Kilometer langer Tunnel durch das Erzgebirge.

Für die Trassen in den sieben Korridoren gab es im Wesentlichen zwei Varianten. Da ist zum einen die teiloffene Strecke, sie zweigt in Heidenau ab, geht durch einen kurzen Tunnel, taucht am Pirnaer Feistenberg wieder auf, führt dann mit einer riesigen Brücke über das Seidewitztal, um dann bei Dohma vollends im Tunnel zu verschwinden, der bei dieser Ausführung 26 Kilometer lang wäre. Zum anderen ist da die Volltunnel-Variante, sie führt von Heidenau aus komplett im Tunnel bis Tschechien, der Tunnel wäre dann reichlich 30 Kilometer lang. Den Großteil dieser Routen hatte die Dohmaer Bürgerinitiative „Basistunnel nach Prag“ detailliert ausgearbeitet und präsentiert.

Nach dem Raumordnungsverfahren bei der Landesdirektion im August 2020 blieben zwei mögliche Streckenkorridore übrig, einer östlich der Autobahn 17, einer etwas westlicher. Die Bahn gab danach bekannt, dass sie nun zwei Varianten – eine teiloffene sowie eine Volltunnel-Variante – bis ins Detail durchplant, um sich später für eine Vorzugsvariante zu entscheiden. Bei dieser Planung ist nun quasi eine dritte, bislang kaum erörterte Alternative hinzugekommen.

Zwei Gleise zum Beschleunigen

Grundsätzlich muss – egal, für welche Alternative sich die Bahn entscheidet – vor dem Tunnel ein Überholbahnhof errichtet werden. In der Regel kommen zu den zwei regulären Gleisen zwei Überholgleise – eines pro Richtung – hinzu. Bei der teiloffenen Strecke würde dieser Überholbahnhof in Höhe des Dohmaer Ortsteil Goes liegen, bei der Volltunnel-Variante in Heidenau.

Bei der Volltunnelstrecke entwickelt die Bahn nun eine Variante mit einer sogenannten zweigleisigen Tunneleinbindung, dabei führen zwei Gleise vom Überholbahnhof bis zum und dann weiter in den Tunnel. Zudem plant die Bahn aber auch eine viergleisige Tunneleinbindung, dabei führen nach dem Überholbahnhof neben den beiden regulären Streckengleisen parallel zwei Beschleunigungsgleise bis zum Tunnel. Im Tunnel werden es stets zwei Gleise sein – eines pro Richtung, jeweils in einer eigenen Tunnelröhre.


„Bei einer Tunnellänge von 30 Kilometern und einer stark frequentierten Strecke reicht später vielleicht die Überholkapazität am Überholbahnhof nicht aus“, sagt Kay Müller, Neubaustrecken-Projektleiter der Deutschen Bahn, „deshalb brauchen wir möglicherweise diese Beschleunigungsgleise.“ Sie dienen zusätzlichen Überholmanövern vor dem Tunnel, vor allem können so Personenzüge an Güterzügen vorbeiziehen, die aufgrund ihres Gewichts von 2.000 Tonnen in der Regel viel langsamer anfahren.

Karte für den Planungsbereich: Rot und blau sind die beiden Korridore für den möglichen Streckenverlauf gekennzeichnet.
Karte für den Planungsbereich: Rot und blau sind die beiden Korridore für den möglichen Streckenverlauf gekennzeichnet. © Daniel Schäfer

Zudem hat die Bahn den gesamten Planungsraum für die Neubaustrecke erweitern lassen. So untersuchen Experten der GEPRO Ingenieurgesellschaft aus Dresden auch den Bereich zwischen Dresden-Hauptbahnhof und dem Haltepunkt Großsedlitz. Denn auf der 18 Kilometer langen Ausbaustrecke für den Personen- und Güterverkehr ist zwischen Dresden-Hauptbahnhof und dem ersten Tunnelportal der Neubau mehrerer Überholgleise, eine Geschwindigkeitserhöhung auf Tempo 200 sowie ein sogenanntes Überwerfungsbauwerk geplant – dabei soll die Neubaustrecke mittels einer Brücke über die B172 in Richtung Tunnel führen. Ebenso wird geprüft, ob der Güterbahnhof Dresden-Friedrichstadt als Grenzbahnhof für Güterzüge in Betracht kommt – quasi als riesengroßer Zwischenparkplatz.

Bahn erarbeitet Kriterienkatalog

Auch wenn sich das Projekt Neubaustrecke noch in der Vorplanung befindet, wird es in Kürze hinsichtlich der Route schon etwas konkreter. Bis Ende dieses Jahres will die Bahn erste Vorschläge für den Trassenverlauf vorstellen. „Das ist für uns ein wichtiger Meilenstein“, sagt Müller, „denn darauf aufbauend folgt dann die vertiefende Feinplanung.“ Generell ist es Ziel der Bahn, Siedlungs- und Naturschutzgebiete weitgehend zu umfahren.

Voraussichtlich 2024 soll dann eine Vorzugsvariante ausgewählt werden, die finale Entscheidung, ob Teil- oder Volltunnel, obliegt letztendlich der Bahn. Doch den Weg dahin will der Schienennetz-Betreiber nicht allein gehen. Laut Müller will die Bahn in der kommenden Zeit gemeinsam mit der Dohmaer Bürgerinitiative, Anliegerkommunen und anderen Betroffenen einen Kriterienkatalog erarbeiten, welche Variante besser, wirtschaftlicher und umweltfreundlicher ist. Das Ergebnis bildet dann die Basis für die Entscheidung.

Baustart vielleicht Anfang der 2030er-Jahre

Wie auch immer das Votum ausfällt, gebaut wird die Strecke mit hoher Wahrscheinlichkeit. Denn es gilt, die längst bis an die Kapazitätsgrenze frequentierte Elbtalstrecke zu entlasten. Zudem ist diese Trasse zwischen Pirna und Decin eines der letzten Nadelöhre im europäischen Nord-Süd-Schienenkorridor, die Neubaustrecke soll sie künftig umfahren. Ebenso will die Bahn mit der neuen Trasse mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Im Zuge dessen wird auch Tschechien in das mitteleuropäische Hochgeschwindigkeitsnetz eingebunden.

Es geht auch darum, flotter voranzukommen. So soll sich die Fahrzeit von Dresden nach Prag von derzeit über zwei Stunden auf rund eine Stunde verkürzen. Interessant ist das auch für weitere Entfernungen. Laut Müller brauche man per Zug derzeit von Berlin nach Prag reichlich vier Stunden, das soll sich künftig auf zweieinhalb Stunden verkürzen. Mithilfe der Neubaustrecke ist auch Ziel, die Strecke Berlin-Wien per Bahn in vier Stunden zurückzulegen.

Bis dahin dauert es allerdings noch. Hat die Bahn 2024 eine Vorzugsvariante ausgewählt, entscheidet voraussichtlich 2025 der Bundestag über das Neubauprojekt. Danach schließt sich ein Planfeststellungsverfahren an, Dauer in etwa vier bis fünf Jahre. So könnte Anfang der 2030er-Jahre Baustart sein, Anfang der 2040-Jahre könnten dann die ersten Züge durch den Tunnel rollen. „Theoretisch“, sagt Müller, „schaffe ich die erste Zugfahrt noch in meinem regulären Arbeitsleben.“