Im Wohngebiet auf dem Pirnaer Sonnenstein gibt es aktuell noch vier Gebäude, die alle anderen überragen - allesamt 17-Geschosser. Zwei am Varkausring, zwei an der Remscheider Straße. Relikte aus der DDR-Zeit, als die Stadt 1975 mit fast 50.000 Einwohnern die höchste Bevölkerungszahl ihrer Geschichte verzeichnete und viele Menschen auch in die Neubauten hoch über dem Zentrum zogen.
Ein Objekt davon ist das Haus Varkausring 2a, am Abzweig der Straße der Jugend. Dahinter gab es Jahrzehnte lang die Traditionsgaststätte „Glück auf“, an deren Stelle nun schon lange der neue Rewe-Markt steht. Das Gebäude wurde 1979 errichtet, es beherbergt insgesamt 202 Wohnungen – 140 Ein-Raum-, 43 Zwei-Raum- und 19 Drei-Raum-Wohnungen sowie neun Gewerbeeinheiten mit einer vermietbaren Gesamtfläche von 7.700 Quadratmeter.
In naher Zukunft allerdings wird der Hochhaus-Bestand auf dem Sonnenstein ausgedünnt. Von den vier 17-Geschossern muss einer weichen, die Tage vom Haus Varkausring 2a sind inzwischen gezählt. Die Städtische Wohnungsgesellschaft Pirna (WGP), Eigentümer des Gebäudes, plant, das Objekt bis Ende 2024 frei zu lenken und die verbliebenen Mieter bis dahin mit neuem Wohnraum zu versorgen. Im Laufe des Jahres 2025 soll das Hochhaus dann abgerissen werden. Der WGP-Aufsichtsrat hat dieser Lösung bereits zugestimmt und die Geschäftsführung beauftragt, das Vorhaben umzusetzen. „Denn das Haus“, sagt WGP-Geschäftsführer Jürgen Scheible, „ist einfach nicht länger zu halten.“
Enormer Leerstand und schwer vermietbar
Pirnas Großvermieter fährt mit dem Gebäude schon seit Jahren Verlust ein. Von den 202 Wohnungen stehen 139 Wohnungen leer, überwiegend Ein-Raum-Wohnungen, die sich in dieser Form auf dem Wohnungsmarkt nur noch schlecht bis gar nicht mehr vermieten lassen. Bezogen auf die vermietbare Fläche beträgt der Leerstand in dem Hochhaus nach WGP-Angaben 57 Prozent. Gleichwohl fallen auch für die leerstehenden Wohnungen Betriebskosten an, die die WGP aus eigener Tasche zahlt, was den Betrieb des Hauses jedoch zunehmend unwirtschaftlicher macht.
Um das zu ändern, müsste es dem Wohnungsunternehmen gelingen, den Leerstand gehörig zu reduzieren, was wiederum nur möglich ist, wenn Ein-Raum-Wohnungen zu größeren Einheiten zusammengelegt werden und das Haus umfassend modernisiert wird. Laut Scheible ist das Haus schon seit längerer Zeit sanierungsbedürftig und nun reif für eine grundlegende Sanierung. Doch genau das ist das Problem.
Die WGP hatte sich im Vorfeld intensiv damit beschäftigt, wie sich das Haus Varkausring 2a möglicherweise entwickeln lässt. Um das zu ergründen, beauftragte Pirnas Großvermieter eigens ein Planungsbüro aus Coswig, spezialisiert auf die Sanierung von DDR-Plattenbauten und Wohnhochhäusern. Die Planer untersuchten verschiedene Varianten, erarbeiteten Vorschläge, prüften Kosten. Das Ergebnis: Der 17-Geschosser Varkausring 2a kann keiner grundhaften Sanierung unterzogen werden – weil die Kosten dafür extrem hoch sind und sie sich wirtschaftlich nicht vertreten lassen.
Sanierungskosten wären immens
Kostentreibende Faktoren gibt es in dem Haus zuhauf. Wegen der 140 Ein-Raum-Wohnungen existieren in dem Gebäude allein 13 Versorgungsschächte mit einer Unmenge an Leitungen. Ebenso hätten die beiden Fahrstühle samt Technik erneuert werden müssen. Zudem hätte die WGP die Ein-Raum-Wohnungen – die in dieser Form kaum noch einer haben will – zu größeren Einheiten zusammenlegen müssen, realisierbar nur mit einem enormen finanziellen Aufwand. Nach Aussage von Scheible hätte selbst eine einfache Modernisierung, um alles auf den aktuellen Stand zu bringen – die man dem Haus aber nicht unbedingt angesehen hätte – mit Kosten von zwei bis drei Millionen Euro zu Buche geschlagen. Eine umfassende und grundlegende Sanierung hätte einen zweistelligen Millionenbetrag verschlungen – für die WGP nicht zu stemmen und mit ortsüblichen Mieten kaum refinanzierbar.
Der hohe Leerstand, der sich vorwiegend aus der niedrigen Nachfrage nach den vorhandenen Grundrissen ergibt, die begrenzte Bereitschaft vieler Menschen, überhaupt in einem Hochhaus leben zu wollen, die hohen Bauanforderungen und Auflagen für Sanierung und Betrieb eines Hochhauses und ähnliche Faktoren seien weitere Aspekte, die gegen eine Sanierung sprechen.
Hinzu kommt: Auch im Falle einer grundhaften Sanierung hätten sämtliche Mieter für etwa ein bis anderthalb Jahre ausziehen müssen, da ein solches Vorhaben mit dem dafür notwendigen Umfang technisch und organisatorisch in bewohntem Zustand nicht möglich gewesen wäre. Dabei wären auch aufgrund der erforderlichen Grundrissänderungen viele der gegenwärtig noch bestehenden Wohnungen weggefallen.
WGP übernimmt Umzugskosten
Der WGP ist durchaus bewusst, dass der notwendige Umzug der Bewohner aus den noch 63 vermieteten Wohnungen mit Härten verbunden sein wird. „Es gibt aber leider keine andere Möglichkeit“, sagt Scheible. Anfang der Woche hat das Unternehmen die Mieter informiert, nun sind knapp zwei Jahre Zeit, für jeden eine passende Lösung zu finden – ganz geordnet und ohne Zeitdruck.
Die WGP will die betroffenen Bewohner dabei in größtmöglichem Umfang unterstützen. So will der Großvermieter ihnen aktiv Wohnungsangebote unterbreiten. „Wir können jedem auf dem Sonnenstein Wohnraum anbieten, sogar baugleiche Wohnungen, wenn das gewünscht wird“, sagt Scheible. Und sollte es für die Wunsch-Wohnung mehrere Bewerber geben, werden die Mieter aus dem Varkausring 2a bevorzugt.
Zudem beauftragt die WGP eine Profi-Firma, die die Umzüge übernimmt, die Kosten für die Umzüge innerhalb von Pirna trägt die WGP. Darüber hinaus übernimmt die WGP nach vorheriger Absprache auch die Kosten, falls etwas geändert werden muss – beispielsweise in solchen Fällen, wenn eine bereits vorhandene Einbauküche an den neuen Wohnraum angepasst werden muss. „Wir wollen uns“, sagt Scheible, „zielgerichtet nach den Wünschen und Bedürfnissen der Mieter richten.“