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Nach Himmelfahrts-Exzessen in SOE: Urteil und Freispruch

Im zweiten Prozess nach den rechtsextremen Ausschreitungen im Mai 2020 in Pfaffendorf wurde rasch geurteilt. Zwei Prozesse stehen noch aus.

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Der Polizeiansatz am Himmelfahrtsabend 2020 in Pfaffendorf war für die Beamten nicht ungefährlich.
Der Polizeiansatz am Himmelfahrtsabend 2020 in Pfaffendorf war für die Beamten nicht ungefährlich. © Archiv SZ

Von Friederike Hohmann

Fast zwei Jahre hatte es gedauert, bis die ersten Angeklagten sich vor dem Amtsgericht Pirna verantworten mussten. Im zweiten Prozess gab es jetzt das erste Urteil und einen Freispruch.

Vier Polizeibeamte waren am Himmelfahrtstag 2020 in den Königsteiner Ortsteil Pfaffendorf geschickt worden, weil ein Anwohner sich über starken Lärm auf einem Grundstück beschwert hatte. Auch gab er an, dass dort Naziparolen gerufen wurden.

Die Beamten näherten sich dem Grundstück und ahnten schon, dass sie dort möglicherweise auf gewaltbereite Personen treffen könnten. Deshalb forderten sie sicherheitshalber schon einmal Verstärkung an. Doch bis ihre Kollegen eintrafen, wurden die vier Beamten direkt von einem ganzen Pulk aggressiver Männer attackiert. Es waren etwa zehn bis fünfzehn Männer, die mit erhobenen Fäusten auf sie zukamen. Mindestens einer trug eine Zaunlatte mit einem Nagel, einer ein Stahlrohr und mindestens ein Mann hielt einen Bierkrug in der Hand, den er über einem Polizisten entleerte. Sie wurden beschimpft und aufgefordert, sich zu verpissen.

Tatvorwürfe gegen zehn Männer

Später hatte einer der Männer mit einem Bierkrug nach den Beamten geworfen, der nur knapp vor den Füßen eines Polizisten zerschellte. Die Reifen ihres Einsatzwagens wurden zerstochen, die Scheibenwischer abgebrochen. Alle vier hatten in dieser Situation große Angst, besonders die damals 21-jährige Polizistin, für die es der erste derartige Einsatz nach Beendigung ihrer Ausbildung war. So berichteten es übereinstimmend alle vier Beamten schon im ersten Prozess, der vor drei Wochen in Pirna stattfand. Bei diesem mussten sich drei der insgesamt zehn Männer, die als mögliche Täter identifiziert worden waren, wegen Landfriedensbruch und weiterer Taten vor Gericht verantworten.

Der Landfriedensbruch und der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung und versuchter schwerer Körperverletzung konnte den Angeklagten im ersten Prozess jedoch nicht nachgewiesen werden.

Die gleichen Probleme bei der Identifizierung der Täter zeigten sich nun auch in diesem zweiten Prozess: Zwar gibt es stundenlanges Videomaterial von dem späteren Einsatz der Hundertschaft aus Bereitschaftspolizei und Bundespolizei, die nach den Hilferufen der Beamten nach Pfaffendorf eilten. Aber von den Angriffen auf die vier Polizisten, die zunächst allein dort waren, gibt es keine Aufnahmen. Deshalb war das Schöffengericht auch im zweiten Prozess allein auf die Aussagen der vier Polizisten angewiesen.

Angeklagter klar zu identifizieren

Die vier waren noch viele Stunden im Einsatz, nachdem sie Unterstützung durch die Kollegen erhalten hatten. Insgesamt dreißig Männer waren erkennungsdienstlich behandelt worden, nachdem die Polizisten das Gelände eingekesselt und Flüchtende eingefangen hatten.

Wochen nach dem Einsatz waren den vier Beamten schließlich Lichtbildmappen vorgelegt worden, auf denen alle dreißig aufgegriffenen Männer abgebildet waren. Dabei war es für die Zeugen schon im ersten Prozess nicht möglich, die Angeklagten zweifelsfrei zu identifizieren. Etwas anders sah es jetzt im zweiten Prozess für den Angeklagten Silvio F. aus.

Er ist auf einem der Videos, die im späteren Verlauf des Abends auf dem Grundstück in Pfaffendorf angefertigt worden waren, ganz deutlich mit einer Zaunlatte, in der mindestens ein Nagel steckte, zu erkennen. Er trug eine auffällige weinrote Jacke und wurde so von einem der vier Polizisten auch jetzt noch wiedererkannt.

Der Beamte ist sich ganz sicher, dass Silvio F. auch zu den Angreifern gehört hatte und dabei die Latte drohend hochhielt. Das Gericht glaubt den Aussagen des Polizisten und hält die Angaben, mit denen der 48-Jährige sich herauszureden sucht, für eine reine Schutzbehauptung. Das Gericht verurteilt den nicht vorbestraften Silvio F., der aus Sachsen stammt, aber seit 20 Jahren in Bayern lebt, wegen tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte sowie gefährlicher und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe. Außerdem muss er nach dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, 1.200 Euro an die Staatskasse zahlen.

Dem seit vielen Jahren als Neonazi bekannten Enzo K. konnte das Gericht keinen der Tatvorwürfe nachweisen und spricht ihn deshalb frei. Zwei weitere Prozesse gegen Tatverdächtige der Ausschreitungen stehen nun noch aus.