Parkinson-Patient: „Ich wäre gern wieder mobiler“

Es muss etwa im Jahr 2008 gewesen sein, als Dirk Sebisch merkte, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt. Der gelernte Landschaftsgärtner hatte sein ganzes Leben lang körperlich schwer gearbeitet, er mochte das, es machte ihm lange nichts aus. Aber irgendwann forderte der anstrengende Job seinen Tribut, Knochen und Wirbelsäule sind inzwischen kaputt.
Und dann kam plötzlich noch etwas Heimtückisches hinzu: Mediziner diagnostizierten bei ihm Parkinson, nun wusste Sebisch auch, warum er immer so zitterte. Was die Krankheit auslöste, weiß keiner, die Ärzte haben die Pflanzenschutzmittel in Verdacht, mit denen Sebisch viele Jahre lang hantierte. Durch die Krankheit verlor er die Sehkraft auf dem rechten Auge, er wurde schwerhörig, arbeiten kann der 59-Jährige schon lange nicht mehr.
Seit 2021 lebt Dirk Sebisch in Pirna, außer einer früheren Arbeitskollegin kennt er hier so gut wie niemanden. Weil er aber auf Unterstützung angewiesen ist, fand er Hilfe bei der Diakonie Pirna, speziell in Form des Beratungsangebots für Menschen mit Behinderung – das nun zu einem bestimmten Tag ganz besonders im Fokus steht.
Ein europaweiter Protesttag
Der 5. Mai ist europaweit der Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. 2022 finden zum nunmehr 31. Mal bundesweit Aktionen statt. Dabei geht es darum, die Kluft zwischen dem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf Gleichberechtigung für alle Menschen und der Lebenswirklichkeit Stück für Stück zu überwinden.
Generell ist der Tag Anlass dafür, ganz besonders auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen, er dient aber auch dazu, spezielle Beratungsangebote ins Blickfeld zu rücken, über die die Menschen Hilfe finden. Dirk Sebisch fand diese Unterstützung in Gestalt von Diakonie-Sozialarbeiterin Barbara Ott.
Ihr Metier ist schwerpunktmäßig die offene Sozialarbeit, vor allem die mobile Beratung. Mit ihrem Beratungsmobil macht sie regelmäßig Station in Bad Gottleuba, Dürrröhrsdorf-Dittersbach, Bad Schandau und seit neustem auch in Königstein und Rosenthal. So kommt sie zu den Menschen, die keine weiten Wege mehr zur Beratung zurücklegen können. Wie aber Dirk Sebisch und Barbara Ott zueinander fanden, ist eine eher ungewöhnliche Geschichte.
Mühseliger Weg durch die Ämter
Dirk Sebisch stammt ursprünglich aus Baden-Württemberg, geboren ist er in Heidenheim, er war lange verheiratet, doch 2007 starb seine Frau. Er wanderte nach Mallorca aus, so richtig heimisch wurde er dort nie. Doch dann kam eine glückliche Fügung in Gestalt eines Angebots aus Oberbayern, dort konnte er in Peiting bei der Diakonie als Hausmeister arbeiten. Sebisch sagte zu und ging auf im neuen Job – bis Parkinson alles schleichend beendete.
Aus dieser Zeit hat er noch eine Bekannte, die auch bei der Diakonie arbeitete, dann aber wieder zurück in ihre Heimatstadt Pirna ging. Sonst hatte Sebisch keine Verbindungen. So entschied er sich, ebenfalls nach Pirna zu ziehen, er wohnt in Copitz an der Lindenstraße. „Es ist schön hier, ich fühle mich sehr wohl“, sagt er. Allerdings sieht er sich bereits nach einem neuen Quartier um, das jetzige ist nicht behindertengerecht. Sebisch ist auf einen Rollator angewiesen.
Weil der mühsame Weg für verschiedene Anträge durch die Ämter mühselig war, suchte sich Sebisch Rat bei der Diakonie in Pirna – und lernte auf diese Weise Barbara Ott kennen. Neben ihrer mobilen Arbeit übernimmt sie gelegentlich auch die Vertretung bei der offenen Behindertenhilfe. Dieses Angebot richtet sich an alle Menschen mit Behinderung und ist grundsätzlich kostenlos.
Das Dreirad muss wieder flott werden
In der Beratungsstelle gibt es dann den ersten Kontakt, Berater und Klient klären anschließend ab, welche Hilfe nötig und wo sie zu bekommen ist. „Je nach Bedarf vermitteln wir die Ratsuchenden an unsere verschiedenen Fachdienste“, sagt Barbara Ott. Dirk Sebisch kam auf diese Weise zur Behindertenhilfe. Gemeinsam rollten sie alles auf und schauten nach der passenden Unterstützung. „Wir versuchen ja immer, alles ganzheitlich im Blick zu behalten“, sagt die Sozialarbeiterin.
Gemeinsam mit Barbara Ott stellte Sebisch den Antrag, den Grad seiner Behinderung zu überprüfen und höher einzustufen, sie beantragten einen Pflegegrad, die Erwerbslosenrente, der Wohngeldantrag läuft noch. „Ich bin sehr erleichtert, dass ich dabei Hilfe bekommen habe, allein wäre das für mich zu schwierig gewesen“, sagt Sebisch. Jetzt, wo alles in Gang gebracht ist, freut er sich über die warmen Tage, da kann er wieder mehr hinausgehen ins Freie. Die Tage allein zu Hause bei trübem Winterwetter sind nur schwer erträglich.
Deswegen holt ihn auch seine frühere Arbeitskollegin aus oberbayerischen Zeiten oft zu sich, sie kennen sich schon seit zehn, zwölf Jahren, dann trinken sie gemeinsam Kaffee und erzählen. „Das ist sehr schön, dort zu sein“, sagt er. Darüber hinaus hat Dirk Sebisch noch einen großen Wunsch. Er besitzt ein kleines italienisches, motorisiertes Dreirad, so eine Art kleinen Lieferwagen. Doch das Mobil ist derzeit defekt, das Geld für die Reparatur fehlt. Gemeinsam mit Barbara Ott schaut er gerade nach Möglichkeiten, wie es wieder flott wird. „Denn ich möchte so lange wie möglich mobil und selbstständig bleiben“, sagt der 59-Jährige, „das ist für mich ein Stück Lebensqualität.“
Offene Behindertenhilfe der Diakonie:
- Pirna: Diakonie- und Kirchgemeindezentrum Copitz, Schillerstraße 21a, Alexander Kwak, 0176 51609523, [email protected] oder Barbara Ott, 0163 3938320, [email protected]
- Heidenau: Ernst-Schneller-Straße 1, Alexander Kwak, 03529 5290038, Mail siehe oben
- Dippoldiswalde: Alte Dresdner Straße 9, Marlies Kunath, 03504 600971, [email protected]