Pirna: Familie trotz Corona abgeschoben

Es ist der erste Montag im Februar. Draußen herrschen eiskalte Temperaturen. Die in Pirna untergebrachte Asylbewerberfamilie ahnt nichts. Die Mutter setzt Wasser für den Tee auf, Kartoffeln werden für das Abendessen gekocht, es ist ruhig. Gegen 18 Uhr klingelt es an der Wohnungstür. Mehrere Beamte der Bundespolizei stehen vor der Tür; unten auf der Straße warten Busse. Die Familie muss sofort packen, ihr Asylantrag wurde nicht bewilligt, es geht zurück nach Albanien.
Zurückgeschickt in Corona-Hochrisikogebiet
Diese Abschiebung ereignete sich in einer Wohnung auf dem Sonnenstein in Pirna. Mitglieder der AG Asylsuchende des Landkreises SOE sind entsetzt. "Das
Gerede von Solidarität kann man sich sparen, wenn man eine Familie mit
vier kleinen Kindern im Alter ab einem Jahr mitten im Lockdown in ein
Hochrisikogebiet abschiebt. Völlig mittellos übrigens, da sich die
Behörde die letzte
Leistungsauszahlung gespart hat", sagt Christina Riebesecker von der AG.
Mutter und Tochter sind in medizinischer Behandlung
Die Migranten-Familie packt nach Aufforderung der Beamten in aller Eile zusammen. In Plastiktüten, die 20 Kilogramm fassen. "Eine Nachbarin berichtete uns, dass der einjährige Sohn sehr geschrien habe. Alle waren furchtbar aufgeregt", sagt Riebesecker. Die Anwältin, die die albanische Familie während des Asylverfahrens in Deutschland begleitet, stellt noch einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht in Dresden. Die Begründung lautet, dass sich sowohl Mutter sowie die älteste Tochter in medizinischer Behandlung befinden. Dieser Antrag wird jedoch am Morgen des 2. Februars abgelehnt. Die Familie wird nach Frankfurt am Main gebracht und dort in ein Flugzeug mit Ziel Tirana, Albanien, gesetzt.
Sächsischer Flüchtlingsrat schaltet sich ein
Für Christina Riebesecker und ihre Kollegen sowie für die Mitglieder des Sächsischen Flüchtlingsrats ist diese Abschiebung nicht nachvollziehbar und unverhältnismäßig. "Während bei der ersten Corona-Welle kaum Personen abgeschoben wurden, scheint die Landesregierung das Infektionsgeschehen in den Herkunftsländern nun einfach gar nicht mehr zu interessieren. Albanien wird als Hochinzidenzgebiet eingestuft", erklärt auch Paula Moser vom Sächsischen Flüchtlingsrat. "Für konsequenten Infektionsschutz aller hier lebenden Menschen müssen Abschiebungen ausgesetzt werden. Das Virus legt alles lahm - außer die Abschiebemaschinerie", stellt sie fest.
Von Sebnitz nach Pirna gezogen
Die nun abgeschobene Familie kam vor zwei Jahren nach Deutschland und stellte Antrag auf Asyl. Zunächst waren Vater, Mutter und Kinder in einer Erstaufnahme-Einrichtung in Dresden untergebracht. Vor anderthalb Jahren zogen sie dann in eine Wohnung nach Sebnitz. Da die verantwortlichen Behörden besser in der Großen Kreisstadt für die Familie erreichbar waren, zogen die Albaner vor einem halben Jahr auf den Sonnenstein um. "Der Vater musste sich um alles kümmern, weil seine Frau aus gesundheitlichen Gründen ihn nicht unterstützen konnte", sagt Christina Riebesecker. Sein Engagement hatte Erfolg. Ab Februar sollten die drei ältesten Kinder einen Hortplatz bekommen, auch die bereits zuvor beantragte Familienhilfe sollte ab Februar einsetzen. "Die Familie war also auf einem guten Weg in die Integration, doch dann kam die Abschiebung. So etwas hinterlässt Spuren bei den Menschen, oft sind sie traumatisiert", weiß Riebesecker.
Unterdessen hat die Anwältin den Kontakt zu der Familie in Albanien aufgenommen. Gemeinsam mit der AG Asylsuchende plant sie eine Spendenaktion für die Flüchtlingsfamilie.
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