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"Nur Sirenen wecken die Menschen aus dem Schlaf"

Das Landratsamt SOE will mit den Kommunen das Katastrophen-Warnsystem erweitern - und wartet auf Fördergeld.

Von Gabriele Fleischer
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Amtsleiter Steffen Klemt zeigt auf dem Hof des Landratsamtes in Pirna einen Dienstwagen des Katastrophenschutzes, der mit einer mobilen Sirene ausgestattet ist.
Amtsleiter Steffen Klemt zeigt auf dem Hof des Landratsamtes in Pirna einen Dienstwagen des Katastrophenschutzes, der mit einer mobilen Sirene ausgestattet ist. © Daniel Schäfer

Nach der verheerenden Katastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie den jüngsten Starkniederschlägen in der Sächsischen Schweiz mit Schäden von rund 70 Millionen Euro wird im Landkreis über einen weiteren Ausbau des Warnsystems und Verbesserungen der Bürgerinformation nachgedacht. Welche Rolle dabei die Sirenen spielen, das hat saechsische.de von Steffen Klemt, Leiter des Amtes für Sicherheit und Ordnung, erfahren.

Herr Klemt, welche Konsequenzen zieht der Landkreis aus den jüngsten Ereignissen vor allem bei der Alarmierung der Bevölkerung?

Sie haben uns die Notwendigkeit zwar noch einmal deutlich gemacht, an einem kontinuierlichen Ausbau des Sirenennetzes arbeiten wir aber schon länger. Denn aktuell sind Sirenen das einzige Warnmittel, was über einen sogenannten Weckeffekt verfügt. Das heißt, die Bürger können auch nachts gewarnt werden, wenn Mobiltelefone ausgeschaltet sind. Bereits die Hochwasser von 2002, 2006, 2010 und 2013 haben uns gezeigt, dass Sirenen am besten geeignet sind, um die Bevölkerung zu erreichen. Das hatte nach der Flutkatastrophe 2002 auch eine unabhängige Kommission festgestellt. 2004 und 2005 gab es deshalb schon einmal eine Förderung für Ausbau und Modernisierung des Netzes. Im Landkreis haben wir aktuell 294 Sirenen, davon 239 Motorsirenen und 45 elektronische Sirenen, die alle Eigentum der Kommunen sind.

Welche Vorteile haben die elektronischen Sirenen?

Der Ton wird hier mit Lautsprecher und Verstärker erzeugt. Sie sind geringer in Gewicht, Wartungsaufwand und Stromverbrauch. Da für diese Sirenenart ein Akku eingesetzt werden kann, ist sie auch unabhängig vom Stromnetz. Die Schalltrichter können in verschiedene Richtungen gedreht werden. Auch Sprachdurchsagen sind möglich. Die elektronischen Sirenen haben den Vorteil, dass die Bevölkerung neben dem Signalton Handlungsempfehlungen erhält. Die Reichweite ist mit 1.000 bis 1.500 Metern zudem etwa doppelt so weit wie bei den herkömmlichen Sirenen.

Damit sind also an 45 Stellen im Landkreis Sprachdurchsagen möglich?

Sie wären möglich, denn die Sirenen müssen dafür mit entsprechenden Modulen ausgerüstet werden. Bekannt sind uns bisher drei "sprechende" Sirenen: in Stadt Wehlen, Neustadt und Rathmannsdorf. Eine vollständige Liste liegt uns allerdings nicht vor. Das liegt im Verantwortungsbereich der jeweiligen Bürgermeister.

Das heißt aber, es gibt noch erheblichen Nachholbedarf bei der Umrüstung auf die neueste Generation und den Ausbau des Netzes?

Ja, es müssen mehr Sirenenstandorte geschaffen und alte Anlagen umgerüstet werden. Ideal wäre, wenn an jeder Kreuzung eine Sirene stehen würde. Aber das geht natürlich schon aus Kostengründen nicht. Optimal aber ist es schon, wenn insbesondere in allen Ballungszentren und an Gefahrenschwerpunkten Sirenen stationiert sind. Auch an der Elbe ist angesichts der längeren Vorwarnzeit ein dichteres Netz sinnvoll. Aber die Einrichtung eines Sirenenstandortes kostet zwischen 17.000 und 20.000 Euro. Da muss genau überlegt werden, wo es sinnvoll ist. Aktuell hat der Landkreis eine Fachfirma beauftragt, die alle Sirenenstandorte erfasst und kartiert. Ist das abgeschlossen, wissen wir, wo genau Erweiterungsbedarf besteht.

Angesichts der Katastrophen gut investiertes Geld. Wie viel hat denn der Landkreis in den letzten Jahren für die Anschaffung von Sirenentechnik ausgegeben?

Das waren zuletzt vor drei Jahren 56.000 Euro für den Kauf von zehn mobilen Sirenen. Damit können wir im Bedarfsfall dort die Kommunen unterstützen, wo die Bürger möglicherweise nicht anders erreicht werden. Die mobilen Geräte bestehen aus Sirene, Batteriekasten und Steuergerät. Nutzbar sind sie nicht nur mit den Autos vom Katastrophenschutz. Jeder Pkw mit einem magnetischen Dach könnte damit ausgestattet werden. Neben den Warnsignalen sind mit den Geräten Durchsagen vom Band oder direkt vom Fahrer sowie vom Radio möglich. Zudem wurden und werden die Sirenennetze modernisiert.

Übrigens: Seit 2019 gibt es unter den im Freistaat festgelegten Signalen auch eine Entwarnung, einen Dauerton von einer Minute. Der kann inzwischen von allen Sirenen abgespielt werden.

Nach den letzten Hochwassern erarbeitet der Bund ein Förderprogramm für die Sirenentechnik. Wissen Sie schon, wie viel vom Kuchen der Landkreis bekommt?

Nein. Ich weiß aber von den dafür bundesweit bereitgestellten 88 Millionen Euro. 4,28 Millionen soll Sachsen erhalten. Nun erarbeitet der Freistaat die Förderrichtlinie, nach der das Geld auf die Landkreise und Kommunen verteilt wird. Im November haben wir ein Treffen mit den Bürgermeistern geplant. Bis dahin hoffen wir, dass die Richtlinie steht und die Kommunen ihren Bedarf anmelden können.

Das gehört zu einem mobilen Vorwarnsystem: Sirene, Batteriekasten und Steuergerät, hier auf einem Dienstfahrzeug der Landkreisverwaltung Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.
Das gehört zu einem mobilen Vorwarnsystem: Sirene, Batteriekasten und Steuergerät, hier auf einem Dienstfahrzeug der Landkreisverwaltung Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. © Daniel Schäfer

Nun ist der Ausbau des Sirenennetzes die eine Seite. Wie wissen die Bürger aber dort, wo keine zusätzlichen Informationen möglich sind, was die Signale bedeuten?

Zum einen sind die im Freistaat gültigen Signale auf der Internetseite des Landkreises ersichtlich, zum anderen gibt es Broschüren und Informationsblätter in den Kommunen und die Möglichkeit, sich in den jeweiligen Rathäusern zu informieren. Hier setzen wir auch auf Eigenverantwortung der Bürger und gegenseitige Hilfe. Auch Einwohnerversammlungen sind dafür eine gute Möglichkeit. Aber wir alle müssen die Bürger mehr sensibilisieren, sich mit Warnsystemen zu beschäftigen.

Zusätzlich zu den Sirenen gibt es noch andere Warnmöglichkeiten, zum Beispiel Apps oder direkte Benachrichtigungen auf Mobiltelefone. Wie werden diese Möglichkeiten genutzt?

Wir nutzen die Biwapp-App für Informationen aus dem Landkreis. Die kann sich jeder Bürger auf sein Handy laden und er erhält so auch zeitnah Nachrichten über Gefahrensituationen. Das Versenden von SMS-Nachrichten mittels der sogenannten Cell- Broadcast-Technologie ist allerdings Sache des Bundes und des jeweiligen Anbieters.