SOE: Fußball-Chef als neuer Kreissportbund-Präsident?

Vom kommenden Kreissporttag könnte ein Signal ausgehen, das Signal des Generationswechsels. Am Dienstag wählen die Vertreter der gut 300 im Kreissportbund Sächsische Schweiz-Osterzgebirge organisierten Vereine ihr komplettes Leitungsgremium mit dem Präsidenten an der Spitze neu. Wie die SZ aus Vorstandskreisen erfuhr, ist Julian Schiebe, Chef des Fußballkreisverbandes, als Kandidat für die KSB-Spitze im Gespräch. Der 27-Jährige würde auf den 84-jährigen Roland Matthes nachfolgen.
An den Wechsel ist für viele im KSB die Hoffnung geknüpft, dass die größte ehrenamtliche Organisation im Landkreis SOE nach dem jüngsten Skandal in ruhigeres Fahrwasser kommt. Gewählt wird aber nicht nur der vereinsrechtlich relevante Vorstand mit dem Präsidenten, sondern auch das KSB-Präsidium als Unterstützungsorgan. Der Vorstand besteht derzeit aus sechs Köpfen, das Präsidium aus neun.
Vize-Präsident Volker Hegewald, zugleich Kreisrat in der CDU-Fraktion, formuliert es so: "Es wäre gut, wenn es einen gewissen Neuanfang gibt mit neuen, unverbrauchten Menschen und auch Frauen sollten dabei sein." Er selbst macht sein erneutes Engagement davon abhängig, ob Schiebe zum Präsidenten wird. Dem Vernehmen nach liebäugelte Amtsinhaber Matthes trotz seines Alters lange damit, noch einmal anzutreten. Auch über eine Kandidatur von Noch-Geschäftsführer Dietmar Wagner wurde spekuliert. Er leitete über 21 Jahre die Geschicke des KSB und als Präsident wäre er in der Lage gewesen, sich die tatsächliche Führung auch für die nächsten Jahre zu sichern.
Der Staatsanwalt ermittelt
Allerdings sind Wagner und Matthes seit dem Auftauchen eines anonymen Schreibens im März umstritten. So soll Wagner seine Nachfolge auf dem Geschäftsführerposten im Alleingang in einem fragwürdigen Verfahren geregelt zu haben. Fakt ist: Der Vorstand entschied im Dezember in einer Sitzung ohne vorherige Einladung zu diesem Thema über die Berufung einer früheren Mitarbeiterin zur Geschäftsführerin. Eine spätere juristische Prüfung kam zu dem Schluss, dass der Beschluss rechtssicher sei. Selbst Teile der Leitungsgremien erfuhren trotzdem erst über die Nachbesetzung, als der Anstellungsvertrag schon unterschrieben war. Noch schwerer wiegt, dass der Kreissportbund - eine erheblich mit Steuergeldern gestützte Organisation - die Stelle nicht ausgeschrieben hatte. Zunächst verteidigte sich die KSB-Führung damit, es habe zumindest eine "interne mündliche Ausschreibung" gegeben. Dies entspricht jedoch nach SZ-Recherchen nicht der Wahrheit.
Das anonyme Schreiben war eine Generalabrechnung mit der KSB-Führung: Neben der fragwürdigen Stellennachbesetzung ging es auch um Nutzung von Dienstfahrzeugen zum persönlichen Vorteil und eine illegale angebliche Aufstockung der Sponsorengelder für das Bobteam Friedrich mit Zuschüssen für den Breitensport. Eine von Teilen des Vorstandes initiierte schnelle Untersuchung hat jedoch die Vorwürfe entkräftet - zum größten Teil. Als nachgewiesen gilt jedoch die unerlaubte Überlassung von einem Dienstfahrzeug durch den Präsidenten Matthes an Dritte. Deshalb wurde Matthes im Juli 2019 zu einem klärenden Gespräch mit Landrat Michael Geisler (CDU) ins Landratsamt zitiert. Der Landkreis ist einer der größten Geldgeber des KSB. Gegenwärtig ermittelt noch die Staatsanwaltschaft Dresden gegen Vorstand und Geschäftsführung des Kreissportbundes. Den Anstoß dazu gab eine Anzeige des Landrates, der bei solchen Vorwürfen routinemäßig die Ermittlungsbehörden einschaltet.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe rund um die Stellennachbesetzung drängten Vize-Präsident Hegewald und Präsidiumsmitglied Kati Kade (CDU), zugleich Vize-Landrätin, auf einen harten Schnitt - die auf fragwürdige Art und Weise zu Geschäftsführerin berufene Natascha Hofmann sollte zur Aufhebung ihres Anstellungsvertrags bewegt werden. Die Wagner-Nachfolge würde dann durch eine ordentliche Ausschreibung geklärt - gegebenenfalls eben zugunsten von Natascha Hofmann, die in der KSB-Leitung auch andere außer Wagner für geeignet halten. Doch so weit kam es nicht. Hofmann machte keinen Rückzieher und ist somit seit Anfang April Geschäftsführerin.
Vertrauen zerrüttet, Arbeitsklima unzumutbar
Die Geschäftsstelle des KSB in Pirna kam aber seitdem nicht zur Ruhe und das lag nicht nur daran, dass für eine Übergangszeit bis 1. Mai noch eine Doppelspitze mit Dietmar Wagner besteht. Nach den Vorwürfen und dem mangelnden Aussprache-Willen ist es inzwischen zu einem offenen Konflikt zwischen Mitarbeitern der KSB-Geschäftsstelle und dem bisherigen Geschäftsführer sowie einigen Vorstands- und Präsidiumsmitgliedern gekommen.
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Das Verhältnis ist größtenteils zerrüttet, das Vertrauen der meisten hauptamtlichen Mitarbeiter zum Großteil der Mitglieder des aktuellen Vorstandes und Präsidiums nachhaltig gestört. Ausgenommen davon sind ausdrücklich die Vorstände Volker Hegewald und Jörg von der Mühlen sowie die Präsidiumsmitglieder Kati Kade, Verena Meiwald und Monique Weiß.
Gekriselt hat es in den vergangenen Jahren offenkundig immer mal wieder, doch angesichts der gegen den KSB erhobenen Vorwürfe und der autoritären Geschäftsführer-Nachbesetzung gebe es jetzt eine komplett andere Situation. Mitarbeiter klagen schon seit geraumer Zeit über das aus ihrer Sicht unzumutbare Arbeitsumfeld in der Geschäftsstelle. Anstelle von versprochener Offenheit und Ehrlichkeit gebe es verschlossene Türen.
Drohung gegen Mitarbeiter
Statt die Vorwürfe aufzuarbeiten und weiteren Schaden vom KSB abzuwenden, sei es Matthes und Wagner offenbar wichtiger, den anonymen Briefeschreiber zu ermitteln. Mehrere Mitarbeiter seien verdächtigt und beschuldigt worden, das Schreiben verfasst zu haben. Zudem versuchten Präsident und bisheriger Geschäftsführer, die Mitarbeiter gegeneinander auszuspielen und Zwietracht zu säen. Die Stimmung in der Geschäftsstelle sei angesichts dessen miserabel.
Gesprächswünsche nach Aussprache und Aufarbeiten seien von Matthes und Wagner abgeblockt worden, stattdessen sei mehreren Mitarbeitern gedroht worden. So versuche Matthes weiterhin, alles unter Verschluss zu halten. Das Verhalten der Mitarbeiter empfinde er als unverschämt, man werde alles noch klären, aber nicht im Sinne der Mitarbeiter. Wagner soll gedroht haben, wem die Entscheidungen der Geschäftsführung nicht passten, der müsse eben gehen, dann müssten auch mal unpopuläre Entscheidungen getroffen werden. Anfragen von Sächsische.de dazu ließen beide unbeantwortet.
Der Riss und die Kluft sind inzwischen so groß, dass viele der Mitarbeiter sich zunehmend außerstande sehen, weiter für den KSB zu arbeiten. Sie sehen ihre Zukunft unter den aktuellen Bedingungen und mit der jetzigen Führung nicht mehr beim KSB. Dieser Schwund hätte voraussichtlich weitreichende Folgen für die Mitgliedsvereine: Veranstaltungen könnten nicht mehr ansatzweise so stattfinden wie geplant, es gäbe Probleme bei der Geldvergabe für Trainingslager mit Kinder und Jugendlichen, die Durchführung von Fortbildungen und Angeboten für den Lizenzerwerb würden erheblich erschwert. Letztendlich könnte sogar der Landessportbund das Budget für den KSB kürzen, wenn bestimmte Zielvorgaben, für die es Geld gibt, nicht erfüllt werden. Daher wünschen sich die Mitarbeiter einen echten Neuanfang.
Chance auf einen Neustart
Die Chance dafür besteht auf dem Kreissporttag am 3. Mai in Pirna. Das Gremium wählt in dieser Sitzung zunächst einen neuen Präsidenten, zudem Vizepräsidenten – bis zu vier sind möglich. Zu bestimmen ist auch ein Schatzmeister. Diese bilden gemeinsam den neuen Vorstand. Danach wählen die Delegierten die Mitglieder des neuen Präsidiums, hierbei können laut KSB bis zu sieben Personen gewählt werden. Zum Abschluss votiert der Kreistag noch für die neuen Kassenprüfer – maximal vier können gewählt werden.
Grundsätzlich dürfen alle Delegierten und anwesenden Gäste, die Mitglied in einem KSB-Mitgliedsverein sind, für die einzelnen Posten kandidieren. Wer nicht dabei ist, müsste vorher schriftliche seine Kandidatur einreichen. Solche schriftlichen Anträge lagen aber bis Freitag nicht vor.
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Um den unterschiedlichen Vereinsgrößen beim Stimmverhalten Rechnung zu tragen, können Vereine mit bis zu 499 Mitgliedern einen Delegierten mit Stimmrecht zum Kreissporttag entsenden, Vereine mit mehr als 500 Mitgliedern zwei stimmberechtigte Delegierte.
Allerdings sieht eine mögliche Wahlbeteiligung derzeit noch recht mau aus. Von den über 300 KSB-Mitgliedsvereinen mit mehreren Zehntausend Mitgliedern haben sich bislang etwa 130 Delegierte zum Kreissporttag angemeldet. Erfahrungsgemäß kommen aber am Sitzungstag noch weitere Delegierte ohne Anmeldung zum Kreissporttag.
Kreissporttag des Kreissportbundes, 3. Mai 2022, 18 Uhr, Herderhalle Pirna-Copitz, Rudolf-Renner-Straße 41 c