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Neubeginn mit Schlussstrich beim Kreissportbund SOE

Der Kreissporttag wählt ein neues Führungsteam und diskutiert über den jüngsten Skandal. Dabei tut sich eine Kluft zwischen Generationen auf.

Von Thomas Möckel & Domokos Szabó
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Der Kreissporttag am Dienstagabend in der Pirnaer Herderhalle: „Lasst uns heute einen Schlussstrich ziehen und gemeinsam vorangehen.“
Der Kreissporttag am Dienstagabend in der Pirnaer Herderhalle: „Lasst uns heute einen Schlussstrich ziehen und gemeinsam vorangehen.“ © Daniel Schäfer

Zum Schluss lagen zwischen Neubeginn und dem Ende einer Ära 57 Jahre. Es war am späten Dienstagabend, als die 138 Stimmberechtigten des Kreissporttages in der Pirnaer Herderhalle Julian Schiebe zum neuen Präsidenten des Kreissportbundes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (KSB) wählten. Sechs Delegierte enthielten sich, der Rest waren Für-Stimmen. Schiebe ist 27 Jahre alt, im sportlichen Bereich bislang Präsident des Kreisfußballverbandes – der jüngste seiner Zunft in Sachsen.

Sein Vorgänger Roland Matthes ist inzwischen 84 Jahre alt, rund 24 Jahre stand er an der Spitze des KSB. Im Vorfeld, so wurde kolportiert, habe Matthes trotz seines Alters durchaus damit geliebäugelt, noch einmal anzutreten. Auch dem inzwischen in den Ruhestand verabschiedeten langjährigen KSB-Geschäftsführer Dietmar Wagner wurden Ambitionen auf den Posten nachgesagt. Am Ende aber blieb Schiebe der einzige Kandidat für das Ehrenamt.

Nicht nur wegen seines Alters steht er nun für einen Neuanfang beim KSB, der Interessenvertretung für über 300 Sportvereine mit mehr als 41.000 Mitgliedern. Als er gefragt wurde, ob er kandidieren möchte, sagte Schiebe, habe er das als große Wertschätzung empfunden. Er engagiert sich seit Jahren als Sportler, als Schiedsrichter im Kreisfußballverband. Er weiß, mit welchen Problemen die Basis kämpft, genau da will er den Ball aufnehmen. Ihm sei auch bewusst, dass Matthes große Fußstapfen hinterlasse. Ihm selbst, sagt Schiebe, gehe es gar nicht vordergründig um einen Generationswechsel an der KSB-Spitze, um einen Kulturwandel aber schon. Denn der KSB müsse ein fester, verlässlicher Partner für die Sportvereine sein.

Ein Riss durch KSB-Vorstand und Präsidium

Generell ist an diesem Kreissporttag-Abend viel davon die Rede, Wogen zu glätten und den KSB wieder in ruhigeres Fahrwasser zu geleiten. Denn der Dachverein des Sports erlebt zurzeit eine seiner schwersten Krisen, die vergangenen Wochen waren von Querelen überschattet, es gibt massive Vorwürfe gegen den Ex-Geschäftsführer, den Vorstand und gegen Präsidiumsmitglieder.

Ein anonymes Schreiben hatte im März den KSB in Aufruhr versetzt. Der zweieinhalb Seiten lange Brief ist eine Art Generalabrechnung mit dem Verein. Darin geht es unter anderem um eine nicht regelkonforme Nutzung von Dienstwagen zum persönlichen Vorteil, um Korruption, um Vorteilsnahme, um die zweckwidrige Verwendung öffentlicher Gelder.

Am schwersten wiegt aber jener Vorwurf: Dietmar Wagner soll seine Nachfolge in einem fragwürdigen Verfahren quasi im Alleingang geregelt haben. Der Vorstand hatte im Dezember 2021 in einer Sitzung ohne vorherige Einladung zu diesem Thema über die Berufung der früheren KSB-Mitarbeiterin Natascha Hofmann zur neuen Geschäftsführerin entschieden. Im Protokoll dazu tauchte dann der Name von mindestens einem Vorstand auf, der an der Sitzung gar nicht teilgenommen hatte. Ende Dezember wurde angeblich der Arbeitsvertrag unterschrieben. Die KSB-Mitarbeiter und Teile der Leitungsgremien erfuhren erst Anfang März 2022 von der Nachbesetzung. Ausgeschrieben war die Stelle nicht.

Der neue KSB-Präsident Julian Schiebe aus Pirna. Ihm selbst gehe es gar nicht vordergründig um einen Generationswechsel, um einen Kulturwandel aber schon.
Der neue KSB-Präsident Julian Schiebe aus Pirna. Ihm selbst gehe es gar nicht vordergründig um einen Generationswechsel, um einen Kulturwandel aber schon. © Daniel Schäfer

Seither ging ein Riss durch Vorstand und Präsidium, Aufklärer und Verhinderer standen sich gegenüber. Während Wagner, Matthes und auch Präsidiumsmitglied Klaus Brähmig versuchten, die Vorwürfe kleinzureden, alles unter dem Deckel zu halten, anderen Maulkörbe zu verpassen und eine Berichterstattung zu verhindern, gaben sich Vizepräsident Volker Hegewald und Präsidiumsmitglied Kati Kade als Aufklärer – um die Vorwürfe untersuchen zu lassen und weiteren Schaden vom KSB abzuwenden. Am Anfang stand auf Anraten von Hegewald sogar zur Debatte, den Arbeitsvertrag mit Natascha Hofmann aufzulösen und den Kreissporttag zu verschieben, bis sich alles aufgeklärt hat. Doch es kam weder zu dem Einen noch zu dem Anderen.

Kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte der KSB ein Gutachten bei einer Dresdner Rechtsanwaltskanzlei beauftragt, um alles zu überprüfen. Eine Woche später lag das Ergebnis der Untersuchung vor. In dem 15 Seiten umfassenden Bericht kamen die Juristen zu dem Schluss, dass keine der Behauptungen substanziell sei und sich halten lasse. Beim Kreissporttag stellte Rechtsanwalt Christian Bartsch noch einmal klar, dass es bei der Geschäftsführer-Nachbesetzung zwar an Transparenz mangelte, der Beschluss aber rechtlich nicht zu beanstanden sei. Und als Verein habe der KSB die Stelle auch nicht öffentlich ausschreiben müssen.

Wagner und Matthes sahen den KSB durch das Gutachten hinreichend rehabilitiert. Die Vorwürfe, so attestierten sie, seien damit vom Tisch. Allerdings basiere die Überprüfung der Vorwürfe, so schreiben die Anwälte selbst im Vorwort, weitgehend auf ausführlichen Gesprächen mit dem KSB-Geschäftsführer, mit Mitarbeitern der Geschäftsstelle sowie mit verschiedenen Vorständen und Präsidiumsmitgliedern. Und die Juristen stehen selbst dem Sport und dem KSB nahe: Christian Bartsch ist Vizepräsident des Fußball-Stadtverbandes Dresden, sein Kollege Norbert Meyer hat sich am Dienstag in Pirna als KSB-Präsidiumsmitglied wählen lassen.

Anonymes Schreiben lag Mitgliedsvereinen nicht vor

Bislang liegen weder das Gutachten noch das anonyme Schreiben mit den Vorwürfen den KSB-Mitgliedsvereinen vor – sehr zum Ärger einiger Vereinschefs, die sich gern selbst ein Bild davon gemacht hätten. So blieb ihnen nur, am Dienstag aufmerksam zuzuhören, als der KSB vor versammelter Runde einen Versuch der Aufklärung unternahm. Vize-Präsident Hegewald hielt einen kurzen Bericht zu dem Thema, bei dem vom früheren Aufklärungswillen nicht mehr viel zu spüren war.

Der scheidende Präsident Roland Matthes (rechts) dankt dem langjährigen verdienten Geschäftsführer Dietmar Wagner für seinen Einsatz für den Sport. Neue KSB-Geschäftsführerin ist Natascha Hofmann (li.).
Der scheidende Präsident Roland Matthes (rechts) dankt dem langjährigen verdienten Geschäftsführer Dietmar Wagner für seinen Einsatz für den Sport. Neue KSB-Geschäftsführerin ist Natascha Hofmann (li.). © Daniel Schäfer

Hegewald lobte zunächst Wagner als einen, der stets professionell arbeitete und sich fast bis zur Selbstaufgabe dem Sport und der Vereinsarbeit verschrieben hatte. Wagners beachtenswerte berufliche Leistungen für den Sport hatte aber nie jemand angezweifelt oder infrage gestellt. Dann ging Hegewald auf die Vorwürfe ein, die aber von den Anwälten entkräftet worden seien. Auf Wunsch stelle der KSB das Schreiben den Vereinen zur Verfügung. Gleichwohl habe die Geschäftsführer-Nachbesetzung zu einem großen Vertrauensverlust geführt. Zudem habe es Verwerfungen in der Geschäftsstelle gegeben. Dass diese nach außen drangen, sei wenig zweckdienlich gewesen und habe die Vereine nur verwirrt.

Mehrere KSB-Mitarbeiter hatten unlängst einen Brief an die Vereine geschrieben, darin schildern sie, dass das Arbeitsklima derzeit unerträglich sei. Einige spielten mit dem Gedanken, den KSB zu verlassen, was weitreichende Folgen für die Sportvereine hätte, weil dann wichtige Ansprechpartner fehlen. „Ich hoffe, dass der neue Vorstand das alles wieder in den Griff bekommt“, sagt Hegewald.

Vorwürfe gegen den KSB noch nicht restlos geklärt

Bei den Delegierten schieden sich in dieser Sache die Geister, auch hier geht ein Riss durch die Vereine, die Debatte offenbarte vor allem eine Kluft zwischen den Generationen. Klaus Hering vom Rosenthaler Schützenverein beispielsweise lobte den KSB, ohne ihn hätte der Verein seine Arbeit nicht in dieser Form machen können. Er sei daher empört, wie nun mit dem Geschäftsführer umgegangen werde. Er sehe die Vorwürfe durch das Rechtsanwalt-Gutachten als ausreichend entkräftet. Auch Frank Müller, seit 32 Jahren Chef des SSV Heidenau, habe den KSB immer als kompetenten Partner erlebt. Aus seiner Sicht sollte man doch jetzt erwarten, dass man gegenüber dem KSB dankbar sei, statt mit anonymen Schreiben Gift zu verspritzen.

Für andere, wie Matthieu Ziegenbalg von der Königsteiner Volleyballgemeinschaft, sind die Vorwürfe hingegen noch nicht restlos geklärt. „Was kann man überhaupt noch glauben?“, fragte er. Auch könne er nicht nachvollziehen, warum die Geschäftsführer-Stelle nicht ausgeschrieben war. Er schlug daher vor, den bisherigen Vorstand so lange nicht zu entlasten, bis alles geklärt sei.

Auch Thomas Lilienthal vom Pirnaer Verein SFV Feuerblume monierte, dass der KSB immer von Transparenz spreche. So hätte er erwartet, dass die Schreiben zu den Vorwürfen auch die Vereine erreichen, was aber nicht geschehen sei. Dabei seien die Sportvereine keine Außenstehenden – sondern sie seien der KSB. Auch er riet dazu, den Vorstand vorerst nicht zu entlasten.

Ex-Bundestagsabgeordneter Brähmig nicht mehr dabei

Die Delegierten votierten letztendlich anders, brachten aber dennoch bei den Neuwahlen für die verschiedenen Gremien zum Ausdruck, dass auch sie einen Neubeginn wollen. Deutlich zu spüren war das beim Votum für die Präsidiumsmitglieder. Matthes hatte für dieses Gremium kandidiert, bekam aber von allen Kandidaten die wenigsten Stimmen – insgesamt nur 58 – und ist demnach kein Mitglied des KSB-Präsidiums. Wagner und Brähmig hatten schon vorher erklärt, dass sie für diese Ämter nicht oder nicht mehr zur Verfügung stehen.

Auch im Vorstand finden sich neben Volker Hegewald und Jens Dzikowski mit Roy Wend und Monique Weiß zwei neue Mitglieder. Neu-Präsident Julian Schiebe untermauerte seinerseits ebenfalls die Forderung nach einem Neustart. „Lasst uns heute einen Schlussstrich ziehen und gemeinsam vorangehen“, sagt er. Es wäre schön, wenn jetzt alle an einem Strang zögen – und am besten alle in dieselbe Richtung.

Das ist das neue Leitungsteam des Kreissportbundes SOE:

Vorstand (vertretungsberechtigt im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches):

  • Präsident Julian Schiebe (aus Pirna, TSV Graupa e.V.)
  • Vize-Präsident Volker Hegewald (aus Pirna, SV Hermsdorf/Erzgebirge e.V.)
  • Vize-Präsident Roy Wend (aus Dippoldiswalde, wohnt in Dresden, TuS Dippoldiswalde 1992 e.V.)
  • Vize-Präsidentin Monique Weiß (aus Pirna, wohnt in Dresden, Ortsgruppe Pirna des Sächsischen Bergsteigerbundes e.V.)
  • Vize-Präsident Jens Dzikowski (aus Königstein, MSV Meusegast e.V./TSV Graupa e.V.)
  • Schatzmeisterin Yvonne Maerz (aus Freital, Muskelkater e.V. Freital)

Präsidium (auch Beisitzer genannt):

  • Jörg Schneider (aus Freital, Sportclub Freital e.V.)
  • Uta-Verena Meiwald (aus Wilsdruff, SG Kesselsdorf/SG Dynamo Dresden e.V.)
  • Norbert Meyer (aus Freital, Muskelkater e.V. Freital)
  • Mario Kühne (aus Dippoldiswalde, TuS Dippoldiswalde 1992 e.V.)
  • Kati Kade (aus Dohma, LSV Pirna e.V.)
  • Angela Roitzsch (aus Sebnitz, BSV 68 Sebnitz e.V./SV „Grenzwinkel“ Sebnitz e.V.)
  • Benjamin Rosenkranz (aus Glashütte, SV Glashütte e.V.)
Kassenprüfer:

  • Gernot Heerde (TSV Graupa)
  • Gerd Handke (Sportgemeinschaft Wurgwitz, Freital)
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