Südumfahrung Pirna: Falken bekommen Dauerquartier an Pfeilern

Im Frühling vergangenen Jahres musste die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und –bau GmbH, Bauherr der neuen Pirnaer Südumfahrung, einen Baustopp hinnehmen, mit dem wohl keiner so richtig gerechnet hat. Dass sich an mancher Stelle über mehrere Wochen und sogar Monate kein Rädchen drehen durfte, lag an den geflügelten Freunden der Lüfte, die inzwischen auf der Baustelle – zumindest vorübergehend – heimisch geworden waren.
So hatte es sich ein Eichelhäher-Pärchen in einer Schalung am ersten Pfeiler hinter dem Widerlager der Gottleubtalbrücke auf dem Sonnenstein gemütlich gemacht. An geschützter Stelle, zwischen Schalbrettern und Pfeiler, hatten die Gefiederten ein Nest gebaut. In der temporären Kinderstube zog Familie Eichelhäher sieben Jungtiere auf. „So etwas habe ich in all den Jahren noch nicht erlebt“, sagte Ulrich Gawlas, Bauoberleiter der Südumfahrung, damals.
Die Bauleute ließen den Flatter-Nachwuchs gewähren, bis er flügge geworden war. Auf die Idee, das Nest einfach wegzuräumen, kam niemand, die Vögel sollten dort in Ruhe brüten. Zwei Arbeiter wurden damals kurzerhand zu Vogelschutzbeauftragten ernannt, nur sie durften den Pfeiler erklimmen, um in der zwitschernden Kinderstube nach dem Rechten zu schauen. Nach fünf, sechs Wochen waren die gefiederten Sprösslinge ausgeflogen, viel länger hätte die Aufzucht nicht dauern dürfen, der Bau musste schließlich weitergehen. Aber die Eichelhäher waren nicht die einzigen Kurzzeit-Bewohner.
Eichelhäher in der Schalung, Wanderfalken am Kran
Längst hatten sich an besagtem Pfeiler weitere Mietnomaden eingefunden, Ringeltauben hatten an anderer Stelle in der Schalung zwei Nester gebaut und Eier hineingelegt. Allerdings setzten die Arbeiten die Ringeltauben-Nester um, nachdem die Eichelhäher ausgeflogen waren. Das ist bei den Tauben recht unkompliziert. Während Eichelhäher nur einmal im Jahr brüten, können Ringeltauben mehrfach im Jahr Eier legen und Nachwuchs aufziehen. Daher sind für sie belegte Nester – wie das an dem Brückenpfeiler – nicht ganz so wichtig. Wenn es für die Tiere an einer Stelle zu unruhig wird, geben sie alte Nester auf, wechseln an einen neuen Standort und legen dort neue Eier.
Doch dann gab es noch ein ganz anderes Problem: An einem der großen Kräne, der neben dem sogenannten Pfeiler „Achse 60“ hinter den Roten Kasernen an der Rottwerndorfer Straße steht, hatten sich ebenfalls Gefiederte niedergelassen. In dem senkrecht aufragenden Stahlgestänge, etwa in halber Höhe, hatten Wanderfalken ein Nest belegt. Für diese eher scheuen Tiere war das sehr ungewöhnlich, möglicherweise waren auch sie von der coronabedingten Bauruhe im Vorfeld angezogen worden.
Bei den Wanderfalken dauert die Aufzucht etwas länger, der gefiederte Nachwuchs bleibt nach dem Schlüpfen noch etwa zweieinhalb Monate Nesthocker, ehe er den Abflug macht. Das fiel damals aber nicht allzu sehr ins Gewicht, an dem Pfeiler wurde ohnehin erst im Herbst weitergebaut. Und für die Zukunft haben die Bauleute vorgesorgt.

Dauer-Nistkästen an zwei Pfeilern
Für die Brutperiode im kommenden Jahr wird das Nest nach Aussage von Ulrich Gawlas auf den Kran am benachbarten Pfeiler 50 umgesetzt, die Stütze steht gleich neben der Rottwerndorfer Straße unmittelbar an einem Haus. Dieser Umzug ist nur möglich, wenn zuvor die Naturschutzbehörde zustimmt – da Wanderfalken streng geschützt sind. 2023 sollen die Vögel dann an neuer Stelle brüten, weil am Pfeiler 60 weitergebaut und auch der stählerne Brückenüberbau über den Pfeiler verschoben werden muss.
Und weil die Wanderfalken nun offensichtlich in diesem Gebiet heimisch geworden sind und dort ihr Revier gefunden haben, machen ihnen die Bauleute noch ein besonderes Geschenk: Sie bekommen quasi zwei Eigentumswohnungen, am Pfeiler 70 – mit 70 Meter der höchste – sowie am Pfeiler 50 werden später zwei feste Falkennester montiert, die dann für immer dort bleiben. Und für die Jäger der Lüfte ist das an ausgesetzter Stelle montierte Domizil ein durchaus gewichtiges Präsent: Ein solches Falkennest wiegt rund 240 Kilo.