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Wenn der Unfallverursacher einfach verschwindet

In der Sächsischen Schweiz ist die Zahl der Unfallfluchten hoch. Dabei riskieren die Täter ihren Führerschein - oder sogar eine Freiheitsstrafe.

Von Thomas Möckel
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Verkehrsunfall im Juli 2021 in Hohnstein (Symbolfoto): Bei nahezu jedem fünften Unfall verschwindet der Verursacher unerlaubt vom Unfallort.
Verkehrsunfall im Juli 2021 in Hohnstein (Symbolfoto): Bei nahezu jedem fünften Unfall verschwindet der Verursacher unerlaubt vom Unfallort. © Archiv: Marko Förster

Der Polizeibericht vom 4. August 2021 enthält gleich zwei dieser Meldungen. So hatte laut der Beamten am Tag zuvor ein unbekanntes Auto im Bad Schandauer Ortsteil Postelwitz einen parkenden Mercedes Viano gestreift und dabei den Außenspiegel beschädigt. Dabei entstand ein Sachschaden von 500 Euro, der unbekannte Fahrer verließ jedoch den Unfallort, ohne seine Personalien zu hinterlassen.

In Sebnitz war am 3. August ein unbekanntes Fahrzeug auf der Schandauer Straße unterwegs. Laut der Polizei kam das Auto in einer Rechtskurve von der Fahrbahn ab, überfuhr den Gehweg und stieß gegen ein Geländer. Auch hierbei entstand Sachschaden, auch hier verließ der Verursacher den Unfallort unerkannt.

Diese Vorgänge sind längst keine Einzelfälle mehr. Die Zahl der Unfallfluchten im Altkreis Sächsische Schweiz ist nach wie vor anhaltend hoch. Bei nahezu jedem fünften Unfall in den Polizeirevier-Bereichen Pirna und Sebnitz verschwindet der Unfallverursacher unerlaubt - zum Ärger der Geschädigten, die oft auf ihren Schäden sitzenbleiben, lässt sich der Verantwortliche nicht ermitteln.

Dabei ist das unerlaubte Entfernen vom Unfallort kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat, die mit Geldstrafe und sogar mit Freiheitsstrafe bestraft werden kann. Sächsische. de gibt einen Überblick über die Fallzahlen, Aufklärungsquoten und mögliche Strafen.

Wie hoch sind die Fallzahlen?

Die Zahl der Unfallfluchten bewegt sich im Altkreis Sächsische Schweiz seit Längerem auf einem anhaltend hohen Niveau.

2020 registrierten die Beamten des Polizeireviers Sebnitz 161 Unfallfluchten. "Diese Zahl ist vergleichbar mit jener der Vorjahre", sagt Revierleiter Uwe Lottermoser.

Im Bereich des Polizeireviers Pirna wurden 2020 insgesamt 432 Unfallfluchten gezählt, 2019 waren es 451. "Man kann davon ausgehen, dass etwa bei jedem fünften Verkehrsunfall jemand unerlaubt verschwindet", sagt Revierleiter Candy Sommer.

Für die Geschädigten sei das immer sehr ärgerlich, vor allem dann, wenn sich der Verursacher in Nachgang nicht mehr ermitteln lässt.

Wie hoch ist die Aufklärungsquote?

Von den 161 registrierten Unfallfluchten konnten die Beamten des Sebnitzer Reviers 69 Verursacher feststellen, die Aufklärungsquote lag damit laut Lottermoser bei 43 Prozent.

Im Revierbereich Pirna konnten von den 432 Unfallfluchten im vergangenen Jahr 210 aufgeklärt werden, die Aufklärungsquote liegt bei rund 48 Prozent.

Im gesamten Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge nahm die Polizei im vergangenen Jahr 1.156 Unfallfluchten auf (2019: 1.274). Davon konnten 506 aufgeklärt werden, die Quote liegt bei 43,8 Prozent.

Wann ist der Tatbestand erfüllt?

Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort ist eine Straftat, geregelt in Paragraf 142 des Strafgesetzbuches.

Nach Aussage von Steve Schulze-Reinhold, stellvertretender Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, mache sich demnach strafbar, wer sich nach einem Unfall vom Unfallort entfernt, ohne die erforderlichen Feststellungen - beispielsweise zu seiner Person oder Unfallbeteiligung - zu ermöglichen - er also im Endeffekt seiner Warte und Vorstellungspflicht nicht entspricht.

Strafbar macht sich auch, wer sich nach Ablauf der Wartefrist oder berechtigt oder entschuldigt - beispielsweise wegen eines Transports zum Krankenhaus - von Unfallort entfernt und dann nicht unverzüglich nachträglich die Feststellungen ermöglicht.

"Man sollte daher immer am Unfallort bleiben und im Zweifel auch die Polizei rufen", sagt Lottermoser. Das sei allemal besser, als einen Führerschein-Entzug oder eine Strafe zu riskieren.

Reicht ein Zettel mit den Kontaktdaten?

Nach Aussage von Steve Schulze Reinhold reiche es nicht aus, wenn am Unfallort lediglich ein Zettel mit Kontaktdaten hinterlassen wird.

Wer gegen die Wartepflicht verstoße, sich vom Unfallort entferne und nur einen Zettel hinterlasse, bei dem sei bereits eine Strafbarkeit gegeben.

Auch derjenige, der sich zunächst unerlaubt vom Unfallort entfernt, später aber wieder dorthin zurückkehrt, habe die Tat in der Regel schon vollendet. Allerdings könne laut Schulze-Reinhold in solchen Fällen die Strafe gemildert oder ganz davon abgesehen werden.

Wie lange muss man warten?

Ist kein Unfallgeschädigter anwesend - beispielsweise bei Parkplatzunfällen - verlangt Paragraf 142, dass "eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet" wird.

Bei der Frage, welche Wartezeit zumutbar ist, spielen laut Schulze-Reinhold beispielsweise folgende Kriterien eine Rolle:

  • Art und Schwere des Unfalls sowie Schadenshöhe
  • Unfallort
  • Verkehrsdichte
  • Tageszeit
  • Witterung
  • alle sonstigen Chancen wirksamer Aufklärung am Unfallort.

Die sehr stark an Einzelfällen orientierte Rechtsprechung lässt hinsichtlich der Wartefrist folgende Tendenz erkennen: Bei Sachschäden geringeren Umfangs (maximal 500 Euro) und eindeutiger Haftungslage kann eine Dauer von zehn bis 15 Minuten reichen, bei höheren Schäden gelten eher 20 bis 30 Minuten als angemessen.

Bei erheblichen Personenschäden wird allgemein von einer Stunde Mindestwartezeit ausgegangen.

Wie läuft das Verfahren ab?

Unfallflucht ist eine Straftat, also gibt es kein Bußgeld. Eine solche Tat zieht in der Regel ein Strafverfahren nach sich. Das kann aber bei geringen Schäden oder anderen besonderen Umständen mit oder ohne Auflagen eingestellt werden.

Ansonsten beantragt die Staatsanwaltschaft zumeist einen Strafbefehl. Ist der Unfallflüchtige strafrechtlich vorbelastet, kommt aber auch die Erhebung einer Anklage in Betracht.

Ist der Führerschein in jedem Fall weg?

Nein. Laut Schulze-Reinhold sei stets zu prüfen, ob ein Entzug der Fahrerlaubnis rechtlich zulässig und erforderlich sei. Auch werde im Einzelfall geprüft, ob ein Fahrverbot ausreichend ist. In vielen Fällen würden auch gar keine Führerschein-Maßnahmen getroffen.

Wann ist der Führerschein weg?

Dafür gibt es einige Richtwerte: Danach ist vorgesehen, dass bei Sachschäden über 1.500 Euro in der Regel die Fahrerlaubnis entzogen werden soll. Auch bei Personenschaden ab mittleren Verletzungen kommt das in Betracht, bei schweren Verletzungen ist es die Regel.

Mit einem Fahrverbot ist bei Sachschäden zwischen 1.000 und 1.500 Euro und bei mittleren Verletzungen zu rechnen.

Der Unterschied: Beim Entzug der Fahrerlaubnis beträgt die Mindestsperrfrist für die Neuerteilung sechs Monate. Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, dass für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf.

Fahrverbote können ausgesprochen werden für bis zu sechs Monate. Hier bedarf es keiner Neuerteilung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnis-Behörde, der Führerschein wird nach Ablauf des Fahrverbotes automatisch wieder ausgehändigt.