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Heidenau: Werden Gebäude für den Mega-Bahntunnel abgerissen?

Die Neubaustrecke Dresden-Prag wird nicht vor Anfang der 2030er-Jahre gebaut. Doch die Pläne werden langsam konkreter und verunsichern Grundstücksbesitzer.

Von Heike Sabel
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Der Heidenauer Niederhof steht auf der Abrissliste der Bahn. Weitere Grundstücksbesitzer entlang der Bahnstrecke sind verunsichert.
Der Heidenauer Niederhof steht auf der Abrissliste der Bahn. Weitere Grundstücksbesitzer entlang der Bahnstrecke sind verunsichert. © Daniel Schäfer

Viele sind derzeit nicht gut auf die Deutsche Bahn zu sprechen. Zu viele Ausfälle, zu viele Verspätungen, zu volle Züge. Die aktuellen Probleme halten die Bahn aber nicht davon ab, weit in die Zukunft zu denken. Die Neubaustrecke Dresden-Prag ist das große Vorhaben - wegen der Dauer der Planung und des Baus, wegen der schon jetzt über eine Milliarde Euro teuren Kosten und wegen der Auswirkungen auf Menschen, Umwelt und Verkehr. Jetzt stellte Projektleiter Kay Müller den aktuellen Stand der Planungen vor. Neben vielen vagen Aussagen gibt es eine, die Anwohner verunsichert.

Wie weit sind die Untersuchungen und Planungen?

Die erste Bohrserie ist abgeschlossen. Zwischen Juni 2020 und November 2021 wurde an neun Stellen gebohrt. Die dabei unter anderem bei Großsedlitz und Börnersdorf entnommenen Bohrkerne sind aneinandergereiht 2,5 Kilometer lang. Seit November und voraussichtlich bis Mai 2023 folgen weitere 14 Bohrungen.

Alle Gutachten und Untersuchungen dienen dazu, die Alternativentwürfe Voll- und Teiltunnel zu präzisieren. So ist eine erste Baugrunduntersuchung abgeschlossen, die zweite folgt. Insgesamt werden 35 Kriterien zu Umwelt und Infrastruktur für beide Varianten untersucht.

Der Tunnel wird mindestens 25 Kilometer lang sein, wenn die Strecke teils offen verläuft und bis zu 31 Kilometer bei einem Volltunnel.

Wie schnell werden die Züge Richtung Prag fahren?

Auf der deutschen Seite der Verbindung zwischen Dresden und Prag bis zu 200 km/h, wobei auch Abschnitte für bis zu 230 km/h untersucht werden. Zwischen Heidenau und Dresden sind aktuell maximal 160 km/h möglich. Um hier schneller zu fahren, muss jede Brücke untersucht werden. Ab 200 km/h gibt es andere Anforderungen zum Beispiel an Breite und Abstände. Die Tschechen wollen bis auf 300 km/h und im letzten Stück sogar auf bis über 300 km/h gehen.

Wie viel Bahnverkehr bleibt im Elbtal?

Die Neubaustrecke wird für die Güter-, den Fern- und auch den Nahverkehr gebaut. Ziel ist, so viel Verkehr wie möglich, auf diese Strecke zu verlagern. Aber: Züge mit dem Fahrziel Děčín etwa werden nach wie vor durch das Elbtal fahren, weil der Umweg sonst übermäßig lang ist. Derzeit ist die Zahl dieser Züge überschaubar, wie das in 15 Jahren ist, ist offen.

Was erwartet Heidenauer und Dresdner?

Der Bahnhof Dresden-Friedrichstadt wird auch als Grenzbahnhof betrachtet. Das ist der letzte Halt für Güterzüge, bevor die Grenze passiert wird. Hier können Züge zwischengeparkt und neu zusammengestellt werden.

In Heidenau bleibt es bei dem Überholbahnhof vor dem Tunneleingang, der unweit der Pechhütte sein soll. Auf dem Überholbahnhof werden die Züge sortiert, was mehr Gleise und mehr Platz bedeutet. Schon zu Beginn der Planungen wurde die Frage zum Beispiel nach dem Abriss von Gebäuden gestellt. Nun schließt die Bahn diese nicht mehr aus, ohne bereits konkret zu werden. Die Ankündigung reicht aber, um Grundstücksbesitzer zu verunsichern, wie in einer digitalen Informationsrunde am 4. Juli deutlich wurde.

Für die Stadt Heidenau hingegen könnte ein Abriss zu einem Glücksfall werden. Der Niederhof steht aktuell auf der Abrissliste, bestätigt Bahn-Planer Kay Müller. Die Stadt hat jahrelang versucht, das Grundstück zu verkaufen. Nun könnte die Bahn es kaufen, um das darauf stehende Haus abzureißen.

Mehr Verkehr heißt auch einen höheren Bedarf an Schall- und Lärmschutz entlang der Strecke. Heidenau hat Angst, dann rechts und links der Strecke die Stadt durchschneidende hohe Wände zu bekommen.

Was sind die nächsten Schritte und Termine?

Bis Ende des Jahres sollen die beiden Hauptvarianten feststehen, also eine für den Volltunnel und eine für die Teilvariante. 2023 werden diese beiden Entwürfe weiter untersucht, sodass 2024 eine Vorzugsvariante feststeht. Die wird dem Bundestag vorgelegt, der auch über die Finanzierung entscheidet. Teil dieser sind europäische Fördermittel.

Unabhängig davon soll es voraussichtlich im Herbst 2022 im Bohrkernlager in Pirna einen Tag der offenen Tür geben.

Wann ist Baubeginn für den Mega-Tunnel?

Der Baustart ist völlig offen, sagt Planer Kay Müller. Er spricht vage von Anfang der 2030er-Jahre. Abhängig ist das unter anderem von den Genehmigungsverfahren. Wie lange gebaut wird, ist ebenfalls eine Frage, auf die Müller jetzt noch keine Antwort geben kann und will. Abhängig ist die Bauzeit unter anderem auch von der Länge des Tunnels. Für vier Kilometer wird ungefähr ein Jahr gebraucht.

Wo gibt es Infozentren zum Großvorhaben?

Die Tschechen haben ihr Informationszentrum schon. Es befindet sich seit März im Bahnhof Ústí nad Labem und ist werktags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Die Informationen sind hier zum Großteil auf Tschechisch, manches in Englisch. Jedoch ist in der Regel ein deutschsprachiger Mitarbeiter vor Ort, heißt es.

Das Informationszentrum auf deutscher Seite entsteht in der Pechhütte in Heidenau direkt an der S172. Eröffnet wird es aufgrund des umfangreichen Innenausbaus nicht vor März nächsten Jahres.