Südumfahrung Pirna: Die Brücke wandert

Die Ausmaße sind gewaltig: sie ist 916 Meter lang, an der höchsten Stelle fast 70 Meter hoch, allein die Stahlkonstruktion wiegt 7.250 Tonnen. Diese Dimensionen beschreiben ein Bauwerk der Superlative: die Brücke über das Gottleubatal, Teil der Pirnaer Südumfahrung, die die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges) derzeit bauen lässt. Die insgesamt 3,8 Kilometer lange Trasse wird einmal vom Pirnaer Autobahnzubringer bis zur B 172 auf dem Sonnenstein führen und soll die Innenstadt in Zukunft spürbar vom Durchgangsverkehr entlasten.
In ihren Verlauf führt die Straße über das Seidewitz- und Gottleubatal sowie in einem 300 Meter langen Tunnel durch den Kohlberg. Die Brücke über das Gottleubatal ist bei dem insgesamt rund 100 Millionen Euro teuren Bauvorhaben eines der ingenieurtechnisch anspruchsvollsten Bauwerke. Die stählerne Grundkonstruktion wird auf dem Sonnenstein - direkt an der Hangkante zur Viehleite - vormontiert und von dort aus übers Tal geschoben, bis sie an der Ostseite des Kohlbergs ankommt. Die Brücke wird einmal auf acht Pfeilern und zwei Widerlagern ruhen. Seit Sommer 2020 wurden die ersten Elemente zusammengefügt, nun ist ein weiteres Zwischenziel erreicht.
Der erste Pfeiler ist noch nicht erreicht
Laut der Deges wurde jetzt der erste Teilverschub erfolgreich abgeschlossen. Nach einem coronabedingten Verzug sind die ersten drei sogenannten "Schüsse" nebst dem daran befestigten 50 Meter langen und 140 Tonnen schweren Vorbauschnabel vom Widerlager auf dem Sonnenstein etwa 50 Meter talwärts gewandert. Dieser Test zog sich über mehrere Tage. Zunächst geht es in gemächlichem Tempo voran, damit die Fachleute alles genau beobachten können. "Bei dem ersten Teilverschub wird vor allem viel geübt und ausprobiert", sagt Ulrich Gawlas, Bauoberleiter der Südumfahrung. Die Experten wollen sehen, ob alles funktioniert, ehe die Konstruktion eine längere Strecke zurücklegt. Allerdings wurde in dieser Verschubphase der erste Pfeiler - der sogenannte Pfeiler 90 in der Viehleite - noch nicht erreicht. Brückenfang samt Vorbauschnabel hängen einstweilen in der Luft, können aber nicht vornüber kippen, da die Konstruktion sicher im Taktkeller gehalten wird.
Fachleute brauchen Platz im Taktkeller
Bei dem ersten Teilverschub ging es auch darum, Platz zu schaffen - denn die Brückenkonstruktion wächst sozusagen nach hinten hinaus, um dann nach vorn zu wandern. Vorgefertigt wird der stählerne Unterbau auf dem Sonnenstein. Die Fachleute haben dafür einen Taktkeller gebaut, eine riesige betonierte Wanne, wo die einzelnen Teile verschweißt werden.
Die Grundlage für das tragende Brückenskelett bilden Stahlteile, ein solches Element ist etwa 23 Meter lang und wiegt 30 Tonnen. Jeweils vier dieser Elemente ergeben zusammengefügt einen stählernen Hohlkasten, die Fachleute nennen das "Schuss". Etwa 40 dieser Schüsse braucht es, um auf die Gesamtlänge der Brücke von 916 Meter zu kommen. Die einzelnen Stahlelemente wurden in Werken in Tschechien und Ungarn produziert, per Tieflader kommen sie nun Stück für Stück über die Autobahn nach Pirna.
Die ersten Teile wurden im Sommer vergangenen Jahres angeliefert, ein spezieller Kran bugsierte sie in den Taktkeller. Fachleute verschweißten sie dort zu einer Einheit. Die ersten drei Schüsse nebst dem daran befestigten Vorbauschnabel sind seit geraumer Zeit fertig, nun kommt Nachschub.
Der Nachschub kommt aus Prag
In dieser Woche wird erneut der mobile Spezialkran, der Lasten bis 500 Tonnen heben kann, auf dem Sonnenstein stationiert. Er hievt dann die Teile für die Schüsse vier und fünf in den Taktkeller. Die Elemente werden von Prag aus zur Baustelle gebracht. Damit diese nachfolgenden Schüsse im Taktkeller Platz finden, musste die schon fertige Unterbau-Einheit ein Stück nach vorn verschoben werden. Die Arbeiter werden zunächst wieder jeweils vier Einzelteile zu Schuss vier und fünf zusammenfügen. In den darauffolgenden Wochen verschmelzen sie mit den bereits fertigen Schüssen eins bis drei. "Das dauert mindestens sechs Wochen", sagt Gawlas.
Anschließend tragen die Fachleute einen speziellen Korrosionsschutz auf, zudem montieren sie die Montage- und Verschubeinrichtungen auf den Pfeilern, damit die Stahlkonstruktion dann problemlos in Richtung Kohlberg gleiten kann.
Erster richtiger Verschub folgt im Spätsommer
Die komplette Einheit der Schüsse eins bis fünf bildet dann nach Aussage der Deges den ersten richtigen Verschub, der für den Spätsommer geplant ist. Die weiteren Teile werden dann immer hinten an dem bereits verschobenen Konstrukt angefügt.
Der gesamte Brückenverschub wird etwa anderthalb Jahre dauern. Ist die Stahlkonstruktion dann am Kohlberg angekommen, wird sie auf das Niveau der Pfeiler abgesenkt und an den Pfeilerköpfen sowie an speziellen, nach außen ragenden Armen befestigt. Sind diese Arbeiten abgeschlossen, beginnt der eigentliche Straßenbau auf der Brücke. Die Südumfahrung insgesamt soll im Lauf des Jahres 2023 fertig werden.
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