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Verzug statt Verschub: Woran es an der Südumfahrungsbrücke hakt

Das Bauwerk über das Pirnaer Gottleubatal soll jetzt im August erstmals richtig verschoben werden. Geplant war das aber schon viel früher.

Von Thomas Möckel
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Wirtschaftsminister Martin Dulig (M.) an der Gottleubatalbrücke: Bis Ende 2022 soll die Stahlkonstruktion auf der anderen Talseite ankommen.
Wirtschaftsminister Martin Dulig (M.) an der Gottleubatalbrücke: Bis Ende 2022 soll die Stahlkonstruktion auf der anderen Talseite ankommen. © Marko Förster

Als Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) Anfang Juli die Baustelle der Pirnaer Südumfahrung besichtigte, die die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges) derzeit bauen lässt, führte ihn der erste Tour-Termin auf den Sonnenstein. Hier oben, direkt an der Hangkante zur Viehleite, ist jener Ort, an dem eines der ingenieurtechnisch anspruchsvollsten Bauwerke der Trasse seinen Anfang nimmt: die Brücke übers Gottleubatal. Von dieser Stelle aus wird die stählerne Grundkonstruktion übers Tal bis zur Ostseite des Kohlbergs wandern, wo die Trasse später von der Brücke in den Tunnel übergeht.

Und der Minister staunte über die technischen Details, die die Fachleute preisgaben: Die Brücke ist 916 Meter lang, sie ruht auf acht Pfeilern und zwei Widerlagern, allein der Stahlbau wiegt später insgesamt 7.250 Tonnen, bis zum Kohlberg ist ein Höhenunterschied von 36 Meter zu überwinden.

Und mit die wichtigste Info: jetzt im August soll die bereits fertige Stahlkonstruktion erstmals etwa 120 talwärts verschoben werden, sie würde dann auf dem ersten Pfeiler in der Viehleite aufliegen und auch darüber hinausragen. Doch in die Freude über den Fortschritt mischte sich die Frage: Wieso erst jetzt? Eigentlich sollte die Brücke längst auf Wanderschaft sein. Doch statt Verschub gab es bisher Verzug. Aber warum nur?

Gottleubatalbrücke nach dem ersten Probeverschub im Frühjahr 2021: Der rote Vorbauschnabel, der die Konstruktion vor jedem Pfeiler hydraulisch anhebt, hängt schon in der Luft.
Gottleubatalbrücke nach dem ersten Probeverschub im Frühjahr 2021: Der rote Vorbauschnabel, der die Konstruktion vor jedem Pfeiler hydraulisch anhebt, hängt schon in der Luft. © Deges

Brückenteile in Warteposition

An den Stahlteilen für die Brücke lag es zumindest nicht. Die Elemente wurden in vier Werken gefertigt, drei davon sind in Tschechien, eines in Ungarn. Mehrere Hundert Meter Brückenteile waren schon im Frühjahr 2020 fertig. Die Deges musste zwischenzeitlich sogar zusätzliche Lagerflächen in Prag anmieten.

Die Teile blieben so lange in Warteposition, bis der Taktkeller auf dem Sonnenstein - in dem die Teile montiert werden - fertig war. Weil das aber dauerte, ließ sich der ursprüngliche Zeitplan ohnehin nicht mehr halten. Der sah vor, dass die Brücke Anfang 2020 erstmals verschoben werden sollte, der gesamte Verschub sollte bis Ende 2021 gehen, 2022 sollte die Gottleubatalbrücke insgesamt fertig werden. Das daraus nichts wird, hat mehrere Gründe.

Eine Bombe und eindringendes Wasser

Zunächst hatte es die Baustelle im Vorfeld schon ganz schön in sich, was den Zeitplan durcheinanderbrachte. Am 25. Januar 2018 entdeckten Kampfmittelsondierer auf dem Sonnenstein eine amerikanische Fliegerbombe, 250 Kilogramm schwer. Der Sprengkörper steckte etwa 1,80 Meter tief im Boden - etwa an jener Stelle, wo der Einschnitt für die Südumfahrung geplant war. Spezialisten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes entschärften die Bombe vor Ort.

Weil die Südumfahrung auf dem Sonnenstein in einem Gefälle verläuft, mussten die Arbeiter dafür einen bis zu 15 Meter tiefen Einschnitt ausheben. Dabei stießen sie auf massiven Sandstein, was die Arbeiten erschwerte.

Dabei trat noch ein Hindernis zutage: Zwischen dem Sandstein gab es wasserführende Schichten, das Wasser drückte in Richtung Baustraße und Taktkeller. Spezialisten errichteten zunächst einen speziellen Verbau, der das Wasser fernhält. Allein dadurch gerieten die Arbeiten drei Monate in Verzug. So wurde der Taktkeller auf dem Sonnenstein erst Mitte 2020 fertig, Anfang August trafen die ersten Brückenteile ein, der erste Verschub war nun für Ende 2020 avisiert. Aber auch daraus wurde nichts.

Zwangspause wegen Corona

Dies sei laut der Deges auch auf erhöhte Abstimmungsbedarfe hinsichtlich diverser Baubehelfe und in Bezug auf die Prüfung und Freigabe der Ausführungsunterlagen zurückzuführen. Was sich genau dahinter verbirgt, lässt sich Deges jedoch offen. Der nächste Termin für den ersten großen Verschub stand dann für Januar 2021 im Plan. Doch dann machte den Arbeiten etwas anderes einen Strich durch die Rechnung: Corona.

In den Brückenbau ist auch eine große tschechische Baufirma involviert. Aufgrund der Pandemie, des Lockdowns und der damit einhergehenden Einreisebeschränkungen konnten viele der tschechischen Fachleute über Wochen nicht nach Deutschland kommen. So ging der erste Probeverschub der Gottleubatalbrücke erst Ende April/Anfang Mai dieses Jahres über die Bühne.

Vögel stoppen Bauarbeiten

Und auch der erste richtige Verschub musste noch einmal warten. Offensichtlich wegen der coronabedingten Bauruhe im Frühjahr hatten es sich Gefiederte samt ihrer Kinderstuben an der Baustelle gemütlich gemacht. An einem Pfeiler in der Viehleite brüteten Eichelhäher und Ringeltauben, auf einem Kran hinter den Roten Kasernen an der Rottwerndorfer Straße hatten Wanderfalken ein Nest gebaut.

Da Eichelhäher und erst recht Wanderfalken unter besonderem Schutz stehen, ließ man sie zunächst zu Ende brüten, ehe die Bauarbeiten weitergingen. Nun ist im August der erste große Brückenverschub vorgesehen, dabei wandert die Brücke etwa 120 Meter talwärts. Dann werden hinten neue Brückenteile angebaut, so geht es dann immer weiter.

Fertig bis Ende 2023?

Insgesamt 14 Verschübe sind bis zur Ankunft am Kohlberg erforderlich. Laut der Deges finden die Teilverschübe im Abstand von fünf bis zehn Wochen statt. Der gesamte Verschub werde etwa anderthalb Jahre dauern, sodass die Stahlkonstruktion Ende 2022 auf der anderen Talseite ankommen wird.

Die Fertigstellung der Gottleubatalbrücke ist nach derzeitigem Stand für Ende des Jahres 2023 geplant. Somit, so attestiert die Deges, sei auch ein Gesamtfertigstellungstermin der Südumfahrung Ende 2023 noch möglich.