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SOE: Was Jugendliche frustriert

Corona peitschte Konflikte insbesondere in Familien hoch. Die Folgen bleiben länger, wie Sozialarbeiter aus Pirna und Freital erzählen.

Von Lea Heilmann
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Benjamin Drechsler vor Jugendtreff Hafenkante in Freital.
Benjamin Drechsler vor Jugendtreff Hafenkante in Freital. © Egbert Kamprath

Hilfe bei den Hausaufgaben, Kochkurse oder Spielenachmittage - offene Kinder- und Jugendtreffpunkte bieten ein vielfältiges Programm. Sie dienen jungen Menschen, oft aus sozial schwächeren Familien, als Anlaufstelle, um sich zu beschäftigen, aber auch um Probleme zu besprechen. Die Corona-Pandemie hat diese Angebote allerdings stark beeinträchtigt.

Im ersten Lockdown mussten die Einrichtungen komplett geschlossen bleiben. Die Jugendlichen verbrachten deswegen viel Zeit im öffentlichen Raum. "Dort gab es niemanden, der ihr Verhalten reflektiert hat", sagt André Setzermann, Jugendarbeiter aus Pirna, "Keiner der zum Beispiel gesagt hat: Leute, das, was ihr hier gerade konsumiert, ist das okay für euch?" Diese Möglichkeit der Reflexion bieten die offenen Kinder- und Jugendtreffpunkte.

Zur Überbrückung haben die Einrichtungen dann digital gearbeitet. Das habe teilweise zwar gut funktioniert, aber nicht alle Treffpunkt-Besucher wurden damit erreicht, sagt Benjamin Drechsler, Projektleiter der Freitaler Treffpunkte Oppelschacht und Hafenkante. Oft scheitere das schon an mangelnden technischen Voraussetzungen.

Ab März dieses Jahres gab es wieder die Möglichkeit, mobile Jugendarbeit zu leisten – alles mit einem strengen Hygienekonzept. „So konnten wir wenigstens wieder auf die Jugendlichen zugehen und Einzelgespräche führen. Da hatten wir das Gefühl, etwas unterstützen zu können“, sagt Drechsler. Seit Mai haben die Treffpunkte wieder auf, momentan dürfen sich maximal 15 Jugendliche in einer Einrichtung aufhalten. Bei mehr besteht Maskenpflicht. An vollen Tagen besuchen insgesamt 25 bis 30 Personen die Treffpunkte. Vor Corona waren es nicht selten 40.

In Schule und Familie gibt es die größten Probleme

Die Treffpunkte haben in den letzten Monaten einen großen Fokus auf Einzelgespräche gelegt. Die größten Probleme gibt es für die Jugendlichen in Schule und Familie. Manche haben in der Schule kaum was gemacht, andere hatten große Probleme, den Schulalltag zu bewältigen. Auch wachse der Frust über die Corona-Regeln weiter, sagt Setzermann. "Wenn die Jugendlichen zu Hause miterleben, dass die Eltern sich kein neues Smartphone leisten können, weil sie vermeintlich wegen der Beschränkungen in Kurzarbeit sind, dann überträgt sich dieser Frust", sagt er.

Streitereien innerhalb der Familien spielen auch in den Treffpunkten in Pirna eine große Rolle: „Die Corona-Zeit war wie so eine Art Brennglas. Es treten immer wieder Konflikte in Familien auf. Den konnte jetzt aber nicht ausgewichen werden und sie mussten irgendwie verhandelt werden. Das fand nicht immer friedvoll statt“, sagt Rocco Geißdorf, Mitarbeiter im Verein Hanno in Pirna. Zudem bemerken sie einen erhöhten Alkohol- und Drogenkonsum bei den Jugendlichen. Die Schwierigkeiten seien zwar auch schon vor der Corona-Krise präsent gewesen, hätten sich aber jetzt noch mehr zugespitzt. „Die Probleme werden uns auch länger als bis Ende des nächsten Jahres beschäftigen“, ergänzt er.

Den Einrichtungen fehlt es an Personal

Es ist ein großer Beratungsbedarf da, viele junge Menschen müssten eigentlich weitervermittelt werden, sagt André Setzermann, „aber das geht nicht, denn die Beratungsstellen und auch die Kinder- und Jugendpsychiatrien haben keine Kapazitäten und lange Wartelisten“.

Besonders das fehlende Personal stelle eine große Schwierigkeit dar. Für den Treffpunkt Oppelschacht in Freital gab es drei Teilzeitstellen, sagt Benjamin Drechsler. Im April 2021 kam die Hafenkante und eine Teilzeitstelle dazu. Die Hafenkante folgt auf einen anderen Treffpunkt in Freital-Potschappel, den es nicht mehr gibt. Der Bedarf in dem Ortsteil, der als sozialer Brennpunkt gilt, ist jedoch hoch. Deswegen hat der Kinder- und Jugendverbund diesen Treffpunkt übernommen. „Wir haben uns stark eingeschränkt. In der Regel sind wir jetzt nur noch zu zweit vor Ort, wenn wir überhaupt beide Einrichtungen parallel betreuen können“, sagt Drechsler. Das frustriere auch die Jugendlichen.

Für die Zukunft hofft Rocco Geißdorf vom Pirnaer Hanno, dass die Situation junger Menschen nicht mit Ende der Corona-Krise wieder aus der gesellschaftlichen Diskussion verschwindet. Alle drei Mitarbeiter wünschen sich eine erhöhte Akzeptanz der offenen Kinder- und Jugendarbeit, um den jungen Menschen weiterhin eine Anlaufstelle bieten zu können.