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Platz-Verweigerung am Anklagetisch

Ein „Reichsdeutscher“ lehnt das Gericht ab und fordert einen Beistand. Der Betrugs-Prozess zieht sich in die Länge.

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Von Alexander Schneider

Prozesse gegen sogenannte Reichsdeutsche haben ihre eigene Dynamik. Das geht schon damit los, dass sich die Angeklagten nicht auf ihren vorgesehenen Platz setzen wollen. Sie befürchten, sie könnten einen „Vertrag“ mit „einer Firma“ eingehen. Gerichte werden von Reichsdeutschen abgelehnt, wie auch die Bundesrepublik und ihre Gesetze in Gänze. Es gebe, argumentieren sie, ja nicht einmal eine Verfassung.

Also bleibt auch Siegfried B. in seinem Prozess am Amtsgericht Dresden stehen. Seit Anfang März muss er sich vor dem Schöffengericht unter anderem wegen Betruges verantworten. Als Inhaber einer Finanzagentur in Dresden soll er Anleger in Dutzenden Fällen um rund 234 000 Euro erleichtert haben. Laut Anklage hat er ihnen irrsinnige Renditen versprochen. Für eine Einlage von 1 000 Euro sollten sie eine Million zurückerhalten. Was sie bekommen haben, kann man sich denken. Seit Dezember sitzt B. in Untersuchungshaft.

Weil sich Siegfried B. selbst an seinem dritten Verhandlungstag nicht setzt, müssen auch die drei Wachtmeister stehen bleiben, die den 53-Jährigen bewachen. Der Angeklagte könnte ja flüchten. Dabei macht Siegfried B. nicht den Eindruck, als wolle er ausbüxen. Er ist weder renitent oder auf Krawall aus. Neben seiner Platz-Verweigerung fällt der Mann eigentlich nur mit seinen merkwürdigen Formulierungen auf. Seinen Antrag, in dem er das Gericht ablehnt, unterzeichnet er etwa mit „Mensch und Lebewesen Siegfried aus dem Hause B.“. Als Rechtsbeistand auf der Anklagebank fordert er außerdem einen Mike H. aus Erfurt, angeblich ein „Kommissar für Menschenrechte“. Immer wieder ist von einer „Gemeinde Chemnitz auf Erden“ die Rede. Der Eindruck drängt sich auf, Reichsdeutsche sind in einem anderen Universum unterwegs. Wenn man von dort kommt, ist der Zusatz „auf Erden“ natürlich hilfreich.

Keine Hilfe aus Thüringen

Der Vorsitzende Richter Ullrich Stein bleibt gelassen und nimmt die Anträge des Angeklagten ernst. Ob Mike H. anwesend sei, fragt er ins Publikum. Ein Gleichgesinnter steht auf und stellt sich als „Daniel von Dresden aus der Vermögensphäre L.“ vor. Mike H. werde erwartet, sagt er. Er sei ein Anwalt für Menschenrechte. Doch die Hilfe aus Thüringen kommt nicht.

Unterdessen verliest der Richter das Vorstrafenregister des geforderten Beistands. Zwischen Oktober 2012 und Januar wurde Mike H. viermal zu Geldstrafen verurteilt – einmal wegen falscher Versicherung an Eides statt und dreimal wegen Beleidigung. Der Staatsanwalt äußert Bedenken zu dessen Eignung als Beistand.

Nun soll H. mit entsprechenden Dokumenten glaubhaft machen, dass er als weiterer Prozessbevollmächtigter geeignet ist. Mehr passiert an diesem Prozesstag nicht. Zeugen werden abgeladen, neue Fortsetzungstermine bestimmt – bis Juni. Mehrere Dutzend Geschädigte müssen noch als Zeugen gehört werden.

Übrigens: In einem Internet-Forum kann man sich ein Buch herunterladen, dass sich kritisch mit dem Denken und den Verschwörungstheorien der Reichsdeutschen auseinandersetzt.

www.reichsdeppen.pinkolatorium.com