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Plötzlich ein Denkmal

Die Gemeinde wollte ein paar Eigenheime und steckt jetzt richtig in der Zwickmühle.

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© Andreas Weihs

Von Birgit Ulbricht

Tauscha. Die Gemeinde Thiendorf hat Pech gehabt, dass im Landesamt für Denkmalpflege 2013 zwei Spezialisten für Gartendenkmale und technische Denkmale eingestellt wurden. Oder Gut und Herrenhaus in Tauscha hatten das Glück, dass es so kam. Da gehen die Meinungen auseinander, aber Fakt ist – die Landschaftsarchitekten waren es, die Auslöser einer verwickelten Geschichte wurden, aus der noch niemand so recht einen Ausweg sieht. Irgendwann, als sich die Gemeinde voller Tatkraft daran machte, einen kleinen, schicken Eigenheimstandort in die ummauerte Freifläche des Herrenhauses zu planen, wurden auch die Denkmalschützer aus Dresden wie üblich im Verfahren angehört.

Hinter der Herrenhausmauer ist eine große Wiese, die sich nun als historischer Grasegarten darstellt. Ob hier überhaupt gebaut werden darf, ist nun unklar.
Hinter der Herrenhausmauer ist eine große Wiese, die sich nun als historischer Grasegarten darstellt. Ob hier überhaupt gebaut werden darf, ist nun unklar. © Andreas Weihs

Wiese wird historischer Grasegarten

Das war der Tag, seit dem alles anders wurde. Denn die Landschaftsarchitekten der obersten Denkmal-Aufsicht fanden bei ihren Recherchen eine Karte aus dem Jahr 1738 im Sächsischen Staatsarchiv. Dr. Hartmut Ritschel, Abteilungsleiter im Landesdenkmalamt, zeigt der SZ die vergilbte Kopie mit exakten Grenzlinien und Eintragungen. Innerhalb der Einfriedung des Herrenhauses ist mit großer Schrift ein „Grasegarten“ vermerkt. Die Weidefläche gehörte wie andere Wirtschaftsflächen einst ganz selbstverständlich zum Herrenhaus Tauscha. Heute ist er der Letzte in dieser klaren, unberührten Form erhaltene Grasegarten in Sachsen, so Hartmut Ritschel. Für die Tauschaer war hier einfach Wiese. So amüsant das klingen mag, hinter dem Fall steckt ein ernstes Problem. Denn nun folgte, was folgen muss: Ein Vor-Ort-Termin mit Ämtern und Behörden, bei dem die Dresdner Denkmalschützer gleich noch feststellten, dass die Herrenhausmauer weiter reicht, als in ihren Unterlagen vermerkt. Was bei den Dresdnern Euphorie auslöste, ließ vor Ort die Gesichter immer länger werden. Der Eigenheimstandort schien futsch. Am Ende gab es sogar noch einen Bescheid: Fast ein Drittel des Dorfes Tauscha steht nun unter Schutz.

Nicht nur das Herrenhaus mit der historischen Grasewiese, sondern auch Felder und die Höfe von vier Familien. Außerdem das sogenannte „Lindensaal“. Die Tauschaer kennen die Fläche „Unter den Linden“ schlicht als Kinderspielplatz, umringt von drei Straßen. „Am Anfang waren schon alle einigermaßen überrascht, als im laufenden Bebauungsplan-Verfahren die Unterschutzstellung der Fläche ausgesprochen und durch das Landesamt begründet wurde“, beschreibt Landkreis-Dezernent Andreas Herr die Überraschung seines Hauses. Nach Gesprächen von Dr. Christl, Chef der Denkmalpflege des Landkreises, der Gemeinde und dem Landesamt ließen sich aber durchaus Spielräume erkennen, die für alle Seiten akzeptabel sein könnten, formuliert er vorsichtig. Dieser Prozess sei im Gange.

Bei Bürgermeister Dirk Mocker klingt das schon etwas verzweifelter, wenn er sagt: „Hat auch mal jemand daran gedacht, dass sich hier die Gesetze widersprechen?“ Genau das ist der Punkt. Die Gemeinde darf nicht irgendwo auf dem Feld Eigenheime hinsetzen – sie muss Baulücken im Ort schließen. Entlang der Hauptstraße zu bauen, schien da ideal. Außerdem wollte man die Feuerwehr und besagten Kinderspielplatz dorthin verlegen. Das könnte nun alles kippen. Doch an der bisherigen Stelle darf Dirk Mocker den Spielplatz auch nicht so lassen: Er müsste das dreieckige Karree komplett einzäunen, weil es eben von drei Straßen umgeben ist. Ein Sicherheitsrisiko. Die eher löchrige Hecke ist seit Langem ein unhaltbarer Zustand. Der Bürgermeister soll aber auch das historische Ambiente wieder herstellen, wo ein Zaun nicht passen würde. Was also tun? Der Bürgermeister macht – darauf angesprochen – noch seine Witzchen. Hinter den Kulissen wird freilich getextet, um die Situation zu retten. Schließlich steht nicht nur der Eigenheimstandort auf dem Spiel. Vier Familien haben auch den Bescheid bekommen, dass ihre Höfe denkmalwürdig sind und unter Schutz stehen. Und was bedeutet das für die Anwohner? Dürfen sie wirklich „nichts mehr machen“, wie sich jetzt im Dorf lauffeuerartig verbreitet.

Was bedeutet das für die Anwohner?

„Nein, natürlich nicht“, antwortet Hartmut Ritschel, „sie brauchen nur jetzt eine Genehmigung.“ In Material und Farbgebung müssten Veränderungen dann passen, umschreibt er. Genaueres könne er nicht sagen, das käme auf den Einzelfall an.

Ihm ist noch etwas anderes wichtig: Wäre denn ein möglicher Käufer des Herrenhauses glücklich, wenn er Eigenheime vor der Nase hat? Ob die Gemeinde schon einmal an einen Verkauf gedacht habe? Hat sie. Vor Jahren gab es ein ziemlich konkretes Projekt eines Altenheimbetreibers, der dazu noch in der Gemeinde wohnt. Doch die nötigen Umbauten im Herrenhaus waren denkmalschutzrechtlich und funktional nicht so machbar, um ein entsprechendes modernes Objekt zu betreiben. Also wollte der Investor lieber auf die „Wiese“ einen Neubau setzen.

Doch das wollte die Gemeinde wieder nicht, weil das Herrenhaus weiter verfallen wäre. Nur mit dem Herrenhaus auskömmlich zu wirtschaften, ist eben genau die Crux. Mit der Abtrennung der Wirtschaftsflächen von den Herrensitzen durch die Bodenreform hat – wo die öffentliche Hand nicht ausreichend interessiert war – ihr langer Verfall begonnen.