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Plötzlich gefährlich

Seit 1. Oktober gilt bestimmtes Styropor als giftiger Abfall. Der Entsorger Remondis nimmt das Material nicht mehr an.

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© Anne Hübschmann

Von Birgit Ulbricht

Riesa. Dass man dieses Baumaterial auf seinem Hof liegen hat, will gerade keiner zugeben. Altes Baustyropor mit HBCD-haltigen Zusätzen (Hexabromcyclodecan). Dahinter verbirgt sich ein chemischer Flammenhemmer, der den Zündpunkt im Falle eines Feuers erhöht. Gut gemeint und jahrelang beim Häusereinpacken verwendet, so ein Großenhainer Dachdecker, der lieber nicht namentlich genannt sein will.

Denn mit der energetischen Sanierung ist das in vielerlei Hinsicht so eine Sache, ist er überzeugt. Zwar wird der Flammenhemmer inzwischen seit ein paar Jahren nicht mehr beigemengt, aber selbst neueres Styropor nimmt derzeit vorsorglich lieber niemand ab. Die älteren Baustoffe will erst recht keiner haben. Sie sind äußerlich einfach nicht voneinander zu unterscheiden. Selbst Bauherren, die mit Zertifikaten belegen können, dass ihr Baustyropor keinen Flammenhemmer enthält, werden weggeschickt, so die Erfahrung. Denn die Entsorger erleben bei den Verantwortlichen der Müllverbrennungsanlagen wiederum das Gleiche. Dachdecker, die den neuesten Winkelzug des Gesetzgebers rechtzeitig kommen sahen, haben längst die Hände gehoben – und dem Häuslebauer das Problem auf dem Hof liegenlassen. Der ist nun hilflos. Im gesamten Landkreis Meißen nimmt niemand die Alt-Baustoffe mehr ab.

Preise steigen für alle Styroporsorten

Denn HBCD ist langlebig, baut sich chemisch und biologisch nur langsam ab, reichert sich in biologischem Gewebe an und hat schädliche Wirkungen auf Organismen. Und doch wurde es gesetzlich verpflichtend über Jahre zur Gebäudedämmung eingesetzt. Auch Thomas Schiefelbein vom regionalen Entsorger Remondis schüttelt den Kopf. „Nein, wir haben keine Berechtigung, diesen Gefahrenstoff anzunehmen“, sagt er. Nächstgelegener Abnahmepunkt ist die Firma Nestler in Dresden. Die Preise liegen laut aktuellem Internetauszug schon für unbelastetes Styropor mit Anhaftungen bei 260 Euro pro Kubikmeter und ohne Anhaftungen bei 240 Euro pro Kubikmeter. Mengen über zehn Kubikmeter – gleich welcher Art – müssen neuerdings sogar angemeldet werden. Denn die plötzliche Umstufung eines Teils zum gefährlichen Abfall hat für jedes Styropor eine vom Gesetzgeber nicht bedachte Kehrseite: Die Müllverbrenner nehmen es nicht. Flammenhemmendes Styropor sowieso nicht. „Das ist auch logisch, plötzlich wird Styropor von zertifizierten Entsorgern als Mono-Abfall in größeren Mengen geliefert, statt untergemischt unter andere Abfälle – das lässt sich nicht einfach verbrennen“, erklärt Thomas Schiefelbein.

Denn bis vor einer guten Woche wurden diese Baustoffe dem normalen Restmüll und Kunststoffen beigemengt, und in diesem ausgeglichenen Gemisch verbrannte der Müll auch gut. Jetzt müsste für flammenhemmendes Material eine separate Verbrennung aufgemacht werden. Doch diesen Aufwand will sich keiner antun – die deutschen Müllverbrennungsanlagen sind, so Schiefelbein, richtig gut ausgelastet, die brauchen keine neuen Problemstoffe. Grund dieser wirtschaftlichen Konjunktur ist die Deponiesteuer, die seit einem Jahr in England erhoben wird.

Seitdem werden große Müllmengen von der Insel nach Deutschland zur Verbrennung exportiert. Die Betreiber der Verbrennungsanlagen und die Entsorger warten ab. In einem Rundschreiben von Remondis Quersa an Geschäftskunden heißt es: „Zurzeit wird deutschlandweit nach Lösungen für die künftige gesetzeskonforme Entsorgung dieser Materialien gesucht. Wenn es neue Informationen zu diesem Thema gibt, geben wir sie gerne an Sie weiter“. Häuslebauer, Handwerker und Entsorger stehen ziemlich ratlos da. Dachdecker Lutz Krause aus Schönfeld winkt da nur ab. Vor Jahren hat er sich extra eine teuere Imprägniermaschine für Dachlatten gekauft – jetzt ist es verboten, Holz zu imprägnieren. „Da denkt sich jemand wieder etwas aus, und wir bleiben auf dem Schaden sitzen.“