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Plötzlich in der neuen Rolle

Lena Stigrot übernimmt bei den DSC-Volleyballerinnen notgedrungen viel Verantwortung. Richtig zufrieden ist sie nicht.

Von Michaela Widder
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Lena Stigrot kann sich derzeit nicht so entspannt zurücklehnen wie beim Shooting für den neuen DSC-Kalender.
Lena Stigrot kann sich derzeit nicht so entspannt zurücklehnen wie beim Shooting für den neuen DSC-Kalender. © Robert Michael

Die letzte Hausarbeit für dieses Jahr ist abgeschickt. „Kommunikation und Führung“ lautet das Thema, und beim Verfassen des Textes hat Lena Stigrot manchmal auch ihre Erfahrungen aus dem Volleyball verarbeitet. Die 23-Jährige studiert im Fernstudiengang Internationales Management, im Hauptberuf ist sie Profi beim Dresdner SC. Über Kommunikation und Führung in ihrem neuen Team könnte sie sicher auch schon einiges berichten – aber dann wäre sie nicht professionell, zumindest, wenn sie es in der Öffentlichkeit täte.

Stigrot gehört dennoch zu den Spielerinnen, die Kritik äußern – in erster Linie an sich, aber auch allgemein. „Ich ärgere mich über blöde Fehler, bin sehr selbstkritisch“, sagt die Nationalspielerin: „In den letzten zwei Jahren habe ich aber viel Selbstvertrauen getankt. In meiner Karriere habe ich einiges erlebt, auch kritische Phasen.“

Wie zuletzt mit dem DSC, der drei Niederlagen in Folge kassierte, darunter auch gegen Schwerin und im Europacup gegen Busto. Der Sieg am vergangenen Wochenende gegen Suhl habe dem Team „ein bisschen die Freude am Spiel zurückgegeben“, meint Stigrot und hofft auf einen weiteren Erfolg an diesem Samstag zu Hause gegen Potsdam.

Trotzdem hadert sie mit der bisherigen Saison. „Wir müssen endlich zeigen, dass wir auch gegen die großen Teams was holen können“, fordert Stigrot. Zuletzt habe es viele interne ausführliche Besprechungen gegeben. Es hat verschiedene Gründe, warum der Pokalsieger der Vorsaison bislang schwankende Leistungen abliefert. Stigrot sieht ihr Team zwar „auf einem guten Weg“, aber sie glaubt auch, „es fehlt ein My an Qualität und Erfahrung jeder einzelnen Spielerin. Wir dachten vielleicht alle, wir wären etwas besser.“

Natürlich hatte der DSC auch Pech mit der Auslosung im Pokal und im Europacup – und zudem beim Thema Verletzung. Ausgerechnet Piia Korhonen, die punktbeste Dresdnerin der vorigen Saison, fällt seit Sommer mit einem Bänderriss und einer schweren Knochenprellung im linken Fuß aus. Auf der wichtigen Diagonalposition hilft deshalb Stigrot aus.

Ursprünglich sollte die WM-Debütantin den Außenangriff verstärken, plötzlich liegt die Hauptlast als Punktemacherin auf ihren Schultern. „Als Diagonale muss man oft die entscheidenden Punkte machen“, sagt sie. „Es ist schwierig für meine innere Stimme, zu akzeptieren, dass es aber nicht nur an mir hängt.“ Dabei betont Trainer Alexander Waibl bei jeder Gelegenheit, wie gut sie doch ihre Sache mache. „Die neue Position war ungewohnt, mittlerweile fühle ich mich auch da wohl. Für meinen Geschmack mache ich noch zu viele Fehler, aber das ist dem Risiko als Hauptangreifer geschuldet.“

Ganz neu ist die Position für Stigrot allerdings nicht, einst begann sie als Mittelblockerin, zwischenzeitlich war sie auch mal kurz Diagonalspielerin. „Ich bin mit 1,84 Metern nicht wahnsinnig groß, kann zwar ganz gut springen. Um aber mal an die internationale Spitze zu kommen, muss ich auch gut annehmen können.“

In Bayern eine Identifikationsfigur

Mit der Drucksituation kommt der ehemalige Kapitän von Vilsbiburg gut zurecht. „Ich spüre nicht zu viel Last“, sagt sie und spricht eher von einem „guten Gefühl“, dass der Trainer ihr die Rolle zutraue. Korhonen, deren vorzeitige Vertragsverlängerung um ein weiteres Jahr diese Woche bekannt gegeben wurde, soll spätestens Ende der Saison aufs Feld zurückkehren. „Ich freue mich schon, wenn wir dann zusammen angreifen.“

Auch Stigrot hat für die nächste Saison einen Vertrag. Ihr Weggang aus Vilsbiburg hinterließ eine große Lücke. Neun Jahre hatte sie in dem niederbayerischen Ort gespielt, war Führungsspielerin und Identifikationsfigur. Mit dem Volleyball begann sie einst in ihrem Heimatort Lenggries, bevor sie ans Internat nach Vilsbiburg wechselte. Im benachbarten Landshut ging sie auf eine Mädchenschule. „In Bayern ist das Schulsystem leider nicht so auf Leistungssport ausgelegt“, meint Stigrot.

Mit ihrem Freund Andreas hat sie in Landshut seit drei Jahren eine gemeinsame Wohnung. Er ist wie ihre Familie ein großer Halt, hat als Basketballer viel Verständnis für ihr Sportlerleben. „Ich bin eine relativ emotionale Person, mein Freund ist etwas abgeklärter.“ Wenn Stigrot nach Niederlagen zu niedergeschlagen ist, findet er meist die passenden Worte: „Dann sagt er: Es ist nur Volleyball, einfach nur ein Spiel.“

Am Wochenende kommt ihre ältere Schwester Nora zu Besuch nach Dresden. Weihnachtsmarkt und ein Ausflug zum Schloss Moritzburg stehen auf dem Programm. „Ich gucke den Film ,Drei Haselnüsse für Aschenbrödel‘ total gern.“ Weihnachten verbringt sie zu Hause bei ihrer Familie in Lenggries. Drei Tage bekommt die Mannschaft frei. „Zeit zum Kraft tanken“ – für die verbleibenden großen Aufgaben in der Meisterschaft.