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Plötzlich jede Menge Freizeit

Andrea Fischer war die erste Landrätin im Kreis Kamenz. Seit Kurzem muss sie sich in eine ungewohnt neue Rolle finden. Nicht gerade leicht.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Zugegeben, an den neuen Lebensrhythmus muss Andrea Fischer sich erst noch gewöhnen. Und, ja, der plötzliche Abschied sei für sie schon ziemlich überraschend gewesen, sagt resolute Staatsdienerin – besser: Ex-Staatsdienerin. Nach über 15 Dienstjahren als Staatssekretärin in der Landesregierung, in den letzten zehn Jahren im Sozialministerium, hat Sachsens neuer Ministerpräsident die 56-Jährige im Dezember ausgewechselt – und in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Andrea Fischer kann jetzt also ihre Pension genießen. Zwar heißt „einstweilig“, dass die Beamtin jederzeit wieder verpflichtet werden könnte, ernsthaft damit zu rechnen ist aber kaum. Und so schickt sich die 56-Jährige jetzt daran, ihren unverhofft frühen Ruhestand zu genießen. Für die Oßlingerin ist das eine Umstellung von Hundert auf Null. Andrea Fischer, aufgewachsen in Essen, Jura studiert in Bayreuth, ist erst Ende 20, als sie nach der Wende in den Osten kommt, um beim Aufbau der neuen Verwaltungsstrukturen zu helfen – zuerst in Plauen, dann in Kamenz. Dass die 31-Jährige aus dem Westen hier zur ersten Landrätin gewählt wird, das erscheint ihr heute noch ziemlich irreal.

„Es war ja auch eine irre Zeit damals“, sagt sie, „superspannend, aber auch sehr schwer“. Als „Wessi“ muss sie zuerst mit den Menschen hier, mit ihrer Mentalität und Gefühlslage klarkommen. Und alles ist neu und im Umbruch. „Am Anfang“, sagt Andrea Fischer, „hatten wir ja nicht mal Gesetze.“ Die taffe, junge Frau aber setzt sich durch und erarbeitet sich Respekt. 1995 wird sie als Landrätin wiedergewählt. 2002 holt der damalige Ministerpräsident Georg Milbradt sie als Staatssekretärin nach Dresden. Die CDU-Politikerin folgt dem Ruf aus Überzeugung.

Andrea Fischer fühlt sich längst heimisch in der Oberlausitz. Sie wohnt in einem großzügigen Eigenheim am Rande des Oßlinger Ortsteils Weißig. Umgeben von vielen Bildern und noch mehr Flusspferden. Flusspferde in allen Größen, Formen und Farben und aus allen Materialien. Familie und Freunde wissen, was sie ihr zum Geburtstag schenken müssen. Andrea Fischer schmunzelt. Seit sie denken kann, sind Flusspferde ihre Lieblingstiere. Jetzt hat sie ja auch mehr Zeit, sich um sie zu kümmern. Für den Herbst jedenfalls plant sie eine längere Reise, auf der sie sie besuchen will. Langweilig, sagt Andrea Fischer, wird es ihr als Ruheständlerin bestimmt nicht. Sie hat jetzt endlich mehr Zeit für ihre Hobbys, fürs Lesen, fürs Fotografieren, fürs Theater und vor allem für Bridge.

Andrea Fischer spielt leidenschaftlich Bridge. „Das ist ein sehr spannendes und herausforderndes Kartenspiel“, sagt sie, „eigentlich ein richtiger Sport“. Zweimal in der Woche trifft sie sich mit Gleichgesinnten im Bridge-Club in Dresden. Sie fährt sogar zu Wettbewerben. „Das kann ich ja jetzt weiter ausbauen“, sagt sie. Und sie will sich wieder einen Hund zulegen. Als ihr Bobtail-Mischling vor ein paar Jahren gestorben ist, hat sie aus Zeitgründen auf einen neuen Hund verzichtet. Sie hat sich wahnsinnig gefreut, dass sie zum ersten Mal live den Super Bowl bis zu Ende sehen konnte und den ganzen Tag jetzt Olympia.

Vielleicht, sagt sie, wird sie sich ja auch noch mal eine Aufgabe suchen, irgend ein Ehrenamt. Auf jeden Fall will sie hier in Sachsen bleiben, das ihre Heimat geworden ist. „Ich lasse das Leben jetzt einfach auf mich zukommen“, sagt Andrea Fischer. Nur eins werde sie auf keinen Fall tun: sich einmischen in die Kommunalpolitik. „Das macht man nicht“, sagt sie bestimmt.