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100 Jahre zwischen zwei Buchdeckeln

Lothar Voigt kann seine Tränen kaum zurückhalten. Als Ratsarchivar Siegfried Hoche ihm gestern im öffentlichen Rahmen für seinen unglaublichen Einsatz dankt, von einer „titanischen Arbeit“ spricht und...

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Von Jenny Thümmler

Lothar Voigt kann seine Tränen kaum zurückhalten. Als Ratsarchivar Siegfried Hoche ihm gestern im öffentlichen Rahmen für seinen unglaublichen Einsatz dankt, von einer „titanischen Arbeit“ spricht und seine Dankbarkeit gar mit einer Verbeugung verdeutlicht, muss der Goldschmiedemeister sichtlich schlucken. Auf dem Tisch liegt die weit über 1000 Seiten starke Chronik der Görlitzer Gold- und Silberschmiede von 1901 bis 2001 – das Werk Lothar Voigts.

Über drei Jahre lang hat sich der 75-Jährige mit der Chronik seiner Innung befasst. Die mehr als 70 Ordner, die er selbst zu Hause im Regal stehen hat und die zahlreiche Unterlagen seines Vaters und des Familienunternehmens enthalten, sind nur ein Grundstock für die Idee. „Meine Generation und die meiner Eltern hat verschiedene Staatsformen erlebt“, erklärt Lothar Voigt seine Motivation, „es lohnt sich, das alles festzuhalten. Denn wenn etwas erst einmal verloren ist, ist es weg.“

Gespräche, Lektüren, Reisen

Für die umfassende Geschichte und Entwicklung der Gold- und Silberschmiede spricht er nicht nur mit unzähligen Beteiligten und verbringt Stunden über Akten. Er reist auch, nach Hanau, Liegnitz, Goldberg. Überall hin, wo Archive neue Erkenntnisse versprechen. „Ich bin auf viel Unterstützung gestoßen, worüber ich mich sehr freue“, sagt Voigt, der selbst 50 Jahre als Goldschmied gearbeitet hat, zudem 34 Jahre Innungsobermeister war. Gemeinsam mit Klaus Jürgen Beil und dessen Firma „Dokukonzept“ aus Reichenbach entsteht aus all dem Material nach und nach ein Buch. „Alle zwei Wochen ist Lothar Voigt zu mir gekommen und hat von den jüngsten Ergebnissen erzählt“, sagt Klaus Jürgen Beil, „nicht selten sind daraus vier bis fünf Stunden Gespräch geworden.“

Jetzt ist die Chronik fertig. Gestern hat Lothar Voigt sie in einer Feierstunde im Rathaus an die Stadt gegeben – in die Hände von Oberbürgermeister Joachim Paulick, der passend zum Anlass seine aufwendig gearbeitete goldene Amtskette trug. „Es ist ja nicht meine erste Chronik“, erzählt Voigt, der schon für den Handballsport in der Stadt und das eigene Juwelier-Unternehmen in Archivmaterial geblättert hat, „aber ich bin schon froh, dass es jetzt geschafft ist. Es braucht viel Willenskraft, immer weiterzumachen.“

Wichtige Zunft für Görlitz

Aber die Mühe hat sich gelohnt. Nicht nur, weil der dicke Wälzer sich spannend liest: mit Urkunden, Daten, Wappen, Siegeln, Schmuckentwürfen, natürlich Fotos und auch Besonderheiten wie einer Inflationsrechnung eines Goldschmieds mit astronomischen Geldbeträgen. Sondern auch, weil mit der Chronik eine Lücke im Archiv der Stadt geschlossen wird. Wie Ratsarchivar Hoche sagt, ist die Innungsgeschichte der Gold- und Silberschmiede recht gut vorhanden – aber eben nur bis 1900. „Ich bin unglaublich glücklich, dass die Lücke nun geschlossen ist. Auch weil die Goldschmiedekunst für eine Handelsstadt wie Görlitz so typisch ist.“

Bei ihm im Ratsarchiv ist die Innungschronik ab sofort für jeden Interessierten zugänglich. Darüber hinaus bietet auch Lothar Voigt selbst an, Bücher nachdrucken zu lassen – je mehr Käufer sich finden, desto preiswerter wird es für jeden.

Wer Interesse an der Chronik hat, kann sich bei Lothar Voigt melden, A.-Saefkow-Straße 22, oder per Telefon 03581/851067.