Von Jan Lange
In Straßburg gibt es etwa 300 Restaurants. Zu den bekannteren gehört das „Au Cerf d‘Or“. Und genau dort absolvierte der 18-jährige Martin Wiedemann aus Seifhennersdorf jetzt ein zweitägiges Kurzpraktikum. Zwölf Koch- und Restaurantlehrlinge aus dem Landkreis waren in Straßburg im Einsatz. Erstmals fand ein solcher Austausch statt. Bisher kamen nur Lehrlinge der französischen Hotelfachschule Cefppa in die Oberlausitz. Nun ging es erstmals in die andere Richtung. Organisiert wurde der Lehrlingsaustausch von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden.
Über den eigenen Tellerrand hinausschauen, lautete die Devise für die angehenden Köche. Und zwei von ihnen absolvierten ihr Praktikum sogar in einem Sternerestaurant, von denen es sieben in Straßburg gibt. Das „Au Cerf d‘Or“ hat zwar keinen Stern, aber dennoch eine exzellente Küche. Auch wenn sein Einsatz nicht lang war, so hat Martin Wiedemann einiges gelernt in den beiden Tagen. Der 18-Jährige durfte unter anderem Vanilleeis zubereiten und Teigstangen in verschiedenen Variationen – mit Käse, Mohn oder Sesam – herstellen. Die anderen Köche erklärten ihm alles, und selbst wenn er das Französisch mal nicht verstand, habe man sich mit Händen und Füßen verständigt, berichtet der Azubi, der den Kochberuf in der „Karasekschenke“ in Leutersdorf erlernt.
Im „Au Cerf d‘Or“ war der Einsatz zweigeteilt, übern Mittag und am Abend. Der Seifhennersdorfer unterschied sich mit seiner weißen Jacke und der weißen Schürze, der grau-weiß karierten Hose und dem roten Halstuch schon optisch von den anderen Köchen. Denn die französischen Köche tragen dunkle Kochkleidung – außer den beiden Chefkochs Jacky und Jean-Luc Erb. Mit Hierarchie habe das nichts zu tun, erklärt Jacky Erb. Weil in den TV-Kochshows, die es mittlerweile auf fast jedem französischen Fernsehkanal und zu beinahe jeder Sendezeit gibt, die Köche dunkel tragen, eifern ihnen die jungen Köche in den Restaurants nach. Er selbst trage weiter die traditionelle weiße Jacke, sagt der Starkoch. Martin Wiedemann war nicht sein erster Praktikant aus Deutschland.
Nicht anders erging es Dominique Radmacher, Chefkoch vom „Chez Yvonne“. Bei ihm waren vorige Woche gleich zwei Praktikanten aus der Oberlausitz im Einsatz – Melissa Kaschkow aus Kosel bei Niesky und Yves Herrmann aus Ebersbach-Neugersdorf. Erst vor Kurzem hatte der 46-Jährige einen jungen Deutschen zu Gast. Der erklärte ihm danach, dass er in den drei Wochen im „Chez Yvonne“ mehr gelernt habe als in den eineinhalb Lehrjahren zuvor. Das verwundert nicht, wenn man die Philosophie von Radmacher kennt. Frische Produkte sind für ihn das A und O. Die bekommt er von einem Bauernhof in der Nähe von Straßburg. „Die Möhren riechen dort noch nach Möhren“, findet der Chefkoch. Seit elf Jahren kocht Radmacher bereits im „Chez Yvonne“, das Restaurant selbst hat aber eine viel längere Tradition.
In der französischen Gastronomie gebe es heutzutage, so Radmacher, eine Menge Probleme. Die Ausbildung ist nach seiner Meinung zu kurz. „Wir haben damals drei Jahre und 80 Stunden in der Woche gelernt“, erzählt er. Nun dauert sie zwei Jahre und 35 Stunden die Woche. „Entweder sind die Jugendlichen heute gescheiter oder sie lernen nichts“, meint Radmacher. Einen Nachwuchsmangel, über den die Gastronomen in der Oberlausitz schon länger klagen, gibt es inzwischen auch in Frankreich. Manchmal liege es nur an der Einstellung. „Nicht der Beruf hat uns gefunden, sondern wir haben uns für diesen Beruf entschieden“, meint der Chefkoch.