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2008 wird zum Prüfstein

Görlitz. Nach Insolvenz der Zierpflanzen NeißestadteG machten sich einige Frauen selbstständig – nun endet die Förderung.

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Von Christine Marakanow

Melanie Schmidt räumt ein Gesteck mit ins Regal. Der Adventsschmuck mit goldbraunen Rosen erinnert sie an ihren Start vor drei Jahren, als die Neißestadt Görlitz Zierpflanzen eG ziemlich unvermittelt in Insolvenz ging. Viele Mitarbeiter der Genossenschaft, die für ihre Rosenzucht bekannt war, mussten sich entscheiden: arbeitslos werden oder das Geschäft, in dem man arbeitet, übernehmen.

Fast ein Jahr allein im Geschäft

Melanie Schmidt, damals 21 Jahre alt und Filialleiterin, entschied sich für die Selbstständigkeit. Ursprünglich ein ganz fernes Ziel. Nun aber war sie plötzlich für das Geschäft auf der Reichertstraße 10 selbst verantwortlich. Zusammen mit ihrem Mann hat sie es renoviert und losgelegt.

„Zuerst habe ich alles allein gemacht. Aber sechsmal in der Woche von morgens bis abends im Laden stehen, nebenbei die organisatorische Arbeit und die Abrechnung, das war zu viel. Krank werden eine Katastrophe. Man kann sich kaum Urlaub leisten“, sagt Melanie Schmidt. Sie holte sich nach fast einem Jahr eine ehemalige Kollegin aus der Zierpflanzen-Genossenschaft ins Geschäft. Erst wenige Stunden, nun ein paar mehr.

Bestärkt hat Melanie Schmidt in ihrer Entscheidung die Möglichkeit, als Ich-AG zu beginnen und die intensiven Beratungen der Arbeitsagentur und der IHK. Doch die Zuschüsse der Agentur für die Ich-AG wurden von Jahr zu Jahr geringer. Nach drei Jahren ist das finanzielle Polster – die Zuschüsse der Arbeitsagentur für die Ich-AG – abgeschmolzen. Ab Februar 2008 muss Melanie Schmidt allein über die Runden kommen. Ein mulmiges Gefühl hat sie Weihnachten nicht ganz unbeschwert feiern lassen. „Es wird schwer werden“, sagt sie. Ihr Geschäft „Kleeblatt“ liegt nicht so günstig. Mit Laufkundschaft wie im Stadtzentrum kann sie kaum rechnen.

Im Laufe eines Jahres sind öfter mal Flauten zu überstehen. Preissteigerungen halten Kunden davon ab, Blumen zu kaufen. So lange Kunden im Laden sind, werden sie von Melanie Schmidt bedient. Auch sonnabends bleibt sie länger bei Bestellungen zu Feiertagen oder blumenträchtigen Höhepunkten. Dazu kommen Fahrten zu Messen und Gartenschauen, um Trends nicht zu verpassen. „Wir müssen die vorwiegend ältere Kundschaft traditionell bedienen, aber auch Neues kreieren“, sagt Melanie Schmidt.

Susanne Schindler von Blumen-Schindler in Weinhübel an der Zittauer Straße bei Aldi gehört auch zu denen, die sich vor drei Jahren als Ich-AG eine Existenz sicherten. „Ich bin vom Plus-Markt auf der Albert-Blau-Straße umgezogen. Hier läuft der Laden“, sagt sie. Als Vorteil sieht sie, dass sie ihre Kundschaft mitnehmen konnte. Dazu kommt, dass hier mit Postagentur und anderen Geschäften ein kleines Einkaufszentrum entstanden ist.

Den Laden verkleinern

Nicht so gut getroffen hat es Hannelore Hülsenitz mit ihrem über 100 Quadratmeter großen Laden An der Landeskrone 122. Sie hat „mächtig zu kämpfen“. Bei neun bis elf Stunden Arbeit bleibe „manchmal kaum was übrig“ für sie. Zeitweise haben Bauarbeiten das Geschäft verdorben. Dann fehle es an Laufkundschaft. „Und wer hier wohnt, bringt sich meistens die Blumen aus der Stadt mit oder hat sie im eigenen Garten“, sagt die 53-Jährige. Sie will aber trotzden nicht aufgeben. Denn andererseits machen ihr treue Kunden Mut „und freuen sich über das, was ich anbiete“, sagt sie. 2008 will sie sich verkleinern. Und auf ihre Mitarbeiterin wird sie erstmal verzichten.

Optimistischer ist dagegen Manuela Paul von der „Blattmaus“ beim City-Center. Sie hat zwei Mitarbeiterinnen, eine arbeitet in Vollzeit, die andere ist geringfügig beschäftigt. Manuela Paul ist zufrieden, spürt aber wie fast überall, dass die Kaufkraft der Kunden nachgelassen hat. „Wenn das so weitergeht, werden Blumen zum Luxusgut“.