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Hier sehen Autofahrer 30 Minuten Rot

Deutschlands wohl skurrilste Ampel steht in der Sächsischen Schweiz. Wer daran vorbei muss, sollte sich einen Wecker stellen.

Von Katarina Gust
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Wer zur falschen Zeit vor dieser Ampel steht, muss Geduld haben.
Wer zur falschen Zeit vor dieser Ampel steht, muss Geduld haben. © Norbert Millauer

Wer es eilig hat, sollte derzeit nicht nach Halbestadt bei Königstein fahren. Der Ortsteil, der auf der gegenüberliegenden Elbseite der Festung liegt, ist aktuell nur per Umleitung erreichbar. Normalerweise fahren Anwohner über eine schmale Straße von Prossen nach Halbestadt. Es ist die einzige Zufahrt für Autos, die es gibt. Die Trasse, die als Teil des rechtselbischen Elberadwegs gilt, wird jedoch seit Mitte April saniert. Die einzige Zufahrt nach Halbestadt muss dafür voll gesperrt werden - über Monate hinweg. 

Damit Halbestadt nicht komplett abgeschnitten ist, wurde eine Umleitung eingerichtet. Diese verläuft von Waltersdorf aus über einen Forstweg, den sogenannten Wäldchenweg, quer durch den Nationalpark Sächsische Schweiz. Der unbefestigte Weg wurde bereits instandgesetzt. Er bleibt dennoch ein Provisorium. Denn der Weg ist so schmal, dass nur ein Fahrzeug darauf Platz hat. Der Verkehr wird daher per Ampel geregelt.

© SZ Grafik

Was nach ganz normalem Baustellenchaos klingt, hat einen Haken. Die Ampel auf der Umleitungsstrecke schaltet nur alle 30 Minuten auf Grün - in die gleiche Richtung. Wer zur falschen Zeit unterwegs ist, muss im schlimmsten Fall eine halbe Stunde warten, bis es weiter geht. Darauf weist sogar ein Schild an der Ampel hin - halbstündlich nach Halbestadt.

Das liegt an der Länge des Weges. "Ein Auto braucht im Durchschnitt acht Minuten für die Strecke durch den Wald", erklärt Ulf Gröger vom Königsteiner Bauamt. Lkws brauchen noch länger. Wenn die Ampel auf einer Seite auf Grün springt, haben Fahrzeuge insgesamt 15 Minuten Zeit, bis sie die zweite Ampel passiert haben. Dann bekommt die Gegenrichtung Grün - eine knappe Minute lang. Nach 15 Minuten geht es dann wieder in der anderen Richtung weiter.

Geduldsprobe für Anwohner und Touristen

Die wohl längste Rotphase in Deutschland ist für die Anwohner von Halbestadt eine echte Geduldsprobe. Um ihre Nerven nicht zu überstrapazieren, soll in dieser Woche eine GPS-gesteuerte Ampel installiert werden. "Diese wird zeitlich genau getaktet", kündigt  Gröger an. Zur vollen und halben Stunde schaltet die Ampel von Halbestadt kommend in Richtung Waltersdorf auf Grün. In der Gegenrichtung passiert das jeweils um Punkt Viertel und Dreiviertel. "Die Anwohner können sich auf diese Zeiten einrichten, damit sie nicht unnötig lang warten müssen", erklärt Ulf Gröger. Die Ampel ist 24 Stunden in Betrieb. Auch nachts und am Wochenende. 

Obwohl in Halbestadt nur eine Handvoll Häuser stehen, ist der Ort ein wichtiges touristisches Standbein für Königstein und die Region. Es gibt mehrere Pensionen und Ferienwohnungen. Im vergangenen Jahr wurden hier allein rund 28.000 Übernachtungen verbucht. Zwar bremst im Moment die Corona-Krise den Tourismus aus. Wenn die Regeln gelockert werden, müssen nicht nur die Anwohner die umständliche Umleitung nutzen. Dann kommen die Touristen hinzu - vor allem an Sonnabenden, den typischen An- und Abreisetagen. 

Längere Grünphasen an Sonnabenden

Auch darauf hat sich die Festungsstadt eingestellt. Zu solchen Stoßzeiten könne die GPS-Ampel bedarfsgerecht geschaltet werden. Das heißt, zur Anreise am Sonnabendnachmittag, könnte die Grünphase in Richtung Halbestadt verlängert werden. Zur Abreisezeit am Sonnabendvormittag könnte es in Richtung Waltersdorf eine längere Grünphase geben. 

Eine Wahl haben die Halbestädter nicht. Die Sanierung des Elberadweges ist dringend notwendig. Im Moment läuft der erste Bauabschnitt auf einem rund 360 Meter langen Teilstück an der Elbe. Hier ist der Hang in Bewegung, die Fahrbahn muss abgestützt werden. Das passiert mithilfe von sogenannten Mikrobohrpfählen. Insgesamt 450 dieser Stahlstäbe werden dafür bis zu neun Meter tief in die Erde gebohrt und mit Beton verpresst. Die Konstruktion soll die Trasse halten und stabilisieren. Etwa drei Monate werden die Bauleute dafür brauchen. Dann wird die Fahrbahn saniert. Sehr viel breiter als bislang wird der Elberadweg nicht. Sprich: Er bleibt schmal. Begegnungsverkehr ist nur über Ausweichbuchten möglich. Zudem gilt eine Tonnagebegrenzung. Für ein wenig Erleichterung soll zumindest eine zusätzliche Ausweichbucht sorgen, die bis November entsteht. Dann ist der erste Bauabschnitt abgeschlossen.

Über den Winter soll die normale Zufahrt von Prossen nach Halbestadt dann freigegeben werden. 2021 folgt der zweite Bauabschnitt. Hier sind weitere Ausweichbuchten geplant. Gebaut wird nächstes Jahr erneut nur mit Vollsperrung und Umleitung durch den Wald. Dann gibt es ein Wiedersehen mit Deutschlands wohl skurrilster Ampel.

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