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5 Methoden, die wirklich gegen Schnarchen helfen

Nasenspreizer, Schnarchrucksack, Schnarch-Schnuller: Der Markt mit Antischnarch-Hilfsmitteln boomt. Teil 6 unserer Serie zum Thema Schlafen.

Von Stephanie Wesely
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© 123rf.com/Montage: SZ-Bildstelle

Im Bett nebenan wird wieder einmal der Wald abgesägt. 70 Dezibel – etwa die Lautstärke eines Rasenmähers – können Schnarcher locker erreichen. Selbst merken sie meist nichts davon. Für den Bettnachbarn ist aber die Nacht vorbei.

Das sägende Schnarchgeräusch entsteht, wenn Gaumensegel und andere Teile des Rachens durch die Luftströmung in der Rachenhöhle flattern. Das passiert häufiger in Rückenlage. Schnarchen ist ein Phänomen, das meist erst ab dem 50. Lebensjahr auftritt, da Muskeln und Körpergewebe mit zunehmendem Lebensalter schwächer werden. 

„Begünstigend wirkt Übergewicht, weil es den Druck auf die oberen Atemwege erhöht, sowie alles, was die Erschlaffung im Rachen fördert, zum Beispiel Alkohol oder Beruhigungsmittel. Auch genetische Veranlagungen gibt es“, sagt Dr. Frank Schmidt, Lungenfacharzt aus Dresden. Er behandelt etwa doppelt so viele Männer wie Frauen wegen ihres Schnarchens. Doch selbst Kinder könnten schon betroffen sein, zum Beispiel, wenn sie vergrößerte Rachen- oder Gaumenmandeln haben. Eine Entfernung oder Kürzung kann das Schnarchen hier beseitigen.

Die aufwendige Diagnostik

Schnarchen ist nicht grundsätzlich behandlungsbedürftig. „Erst wenn die Atemaussetzer gesundheitliche Auswirkungen haben, man tagsüber einnickt, sich an mehreren Tagen kraftlos und gereizt fühlt, könnte eine Schlafapnoe vorliegen, die gründlich diagnostiziert werden muss“, so Dr. Schmidt. Der Hausarzt wird dazu an einen HNO- oder Lungenfacharzt überweisen. Nach einer gründlichen Untersuchung der oberen Atemwege und einer Befragung des Patienten werden Atembewegungen von Bauch und Brust, Sauerstoffsättigung im Blut, Körperlage, Puls und Atemluftstrom gemessen. 

Oft darf der Patient dazu die Aufzeichnungsgeräte mit nach Hause nehmen. Die ambulante Messung ist nicht so umfangreich wie die im Schlaflabor. Im Schlaflabor werden zusätzlich die Hirnströme mittels EEG und der Herzrhythmus mit EKG gemessen. Die Elektrookulografie kann Augenbewegungen während des Schlafs untersuchen, um die unterschiedlichen Schlafphasen festzuhalten.

Fragwürdige Behandlungen

Um festzustellen, ob eine Behandlungsbedürftigkeit vorliegt, werden die gesundheitlichen Folgen des Schnarchens geprüft. Dazu gehören zum Beispiel Bluthochdruck, Tagesmüdigkeit und Abgeschlagenheit. Das Risiko für einen Schlaganfall steigt bei schwerem Schlafapnoe-Syndrom um das Drei- bis Vierfache. Die schlechte Schlafqualität wirkt sich auch auf die psychische Gesundheit aus. „Früher war allein die Länge und die Anzahl der Atemaussetzer wichtig, um eine Behandlung auf Kassenkosten zu ermöglichen. Das ist heute individueller geworden“, sagt Frank Schmidt.

Da der Druck des Bettnachbarn aber auch ohne Behandlungsbedürftigkeit groß ist, boomt der Markt mit Antischnarch-Hilfsmitteln. Um die Nasenatmung zu verbessern, gibt es Spreizer für die Nasenlöcher oder Magnete, die die Nasenöffnung erweitern sollen. Hinzu kommen Schnarch-Schnuller, die eine Mundatmung verhindern. Solche Hilfsmittel sind meist für unter 20 Euro zu haben. Ein zweiter Behandlungsansatz ist das Verhindern der Rückenlage. Dafür gibt es sogenannte Schlafrucksäcke, -westen oder -gürtel. Sie haben im Rücken einen Schaumstoffkeil, der die Rückenlage unbequem macht. „Aber wer fest schläft, schläft auch mit einem Keil im Rücken“, sagt Dietmar Hensel, der eine Selbsthilfegruppe Schlafapnoe in Mittelsachsen leitet. 

Auch von den Nasenspreizern hält er wenig. „Solche Dinge sind oft so unbequem, dass sie schnell wieder im Nachttischkasten verschwinden.“ Ab 40 Euro kann man Akupressurringe kaufen, die am Finger getragen werden und für das Schnarchen relevante Punkte drücken. Auch eine Schnarchuhr ist in dieser Preislage zu haben. Sie sendet schwache elektrische Impulse, sobald das Schnarchen ertönt. Doch wer sehr fest schläft, den wird auch das nicht wecken. Mit dem Schnarchen wird viel Geld verdient. Nachgewiesen sind die Wirkungen nicht. „Das gilt für fast alle frei verkäuflichen Mittel gegen das Schnarchen“, sagt der Lungenfacharzt.

Methoden mit Wirknachweis

Fünf Behandlungsmethoden haben eine nachgewiesene Wirkung und werden im Einzelfall auch durch die Krankenkasse erstattet. Das Mittel der Wahl bei behandlungsbedürftiger Schlafapnoe ist die Atemmaske. Über eine Nasen- oder Gesichtsmaske wird Luft mit Überdruck aus einem Kompressor in die Atemwege geleitet, um diese offen zu halten und vor Atemaussetzern zu schützen. Damit wird das Schnarchen nicht geheilt, nur die Folge gemindert. Die Atemmaske muss deshalb lebenslang verwendet werden. „Da die Maske unbequem ist, Druckstellen verursacht und durch das Luftgeräusch den Nachbarn stören kann, kommt nur etwa die Hälfte der Apnoe-Patienten damit zurecht. Die Abbruchquote ist hoch“, sagt Frank Schmidt.

Andere Verfahren würden aber nur dann auf Antrag von der Kasse übernommen oder bezuschusst, wenn die Atemmaske nicht vertragen wird. Dazu gehört zum Beispiel eine Unterkiefer-Korrekturschiene. Sie sorgt dafür, dass der Unterkiefer nach vorn gezogen wird. Damit verschließt die erschlaffende Muskulatur der Zunge und des Gaumens die Atemwege nicht mehr. „Die Schienen waren früher Kassenleistung, sind dann aber aus der Erstattung herausgefallen. Jetzt gibt es gute internationale Untersuchungen dazu, sodass sie wieder Kassenleistung werden sollen. Seit sechs Monaten liege die Entscheidung beim Gemeinsamen Bundesausschuss.

Velumont nennt sich ein Verfahren, bei dem eine dünne Silikonschlinge um das Gaumensegel – das Zäpfchen – gelegt werden muss. Zum besseren Einsetzen gebe es auch ein Anästhesiespray, um den Würgereflex zu reduzieren.

Kommt all das nicht infrage, können Operationen helfen. Die aufwendigste ist die Korrektur von Ober- und Unterkiefer. „Sie werden aufgesägt und ein paar Millimeter nach vorn gezogen, um den Rachenraum zu erweitern“, sagt Schmidt. Sichtbar sei die Veränderung von außen nicht. „Viele sind ihr Schnarchen damit los.“ Mit einem kleineren Eingriff ist auch die Implantation eines Zungengrundstimulators verbunden. „Er wird wie ein Herzschrittmacher in eine Hauttasche über der Brust eingesetzt. Die Kontakte werden am Zungenmuskelnerv verankert und stimulieren ihn während des Schlafes. „Damit bleibt der Rachenraum frei“, so Dr. Schmidt.

Fazit

Frei verkäufliche Antischnarch-Hilfsmittel, die ohne Diagnostik und ärztliche Anleitung verkauft werden, können zwar im Einzelfall helfen, doch ihre Wirkung ist nicht belegt. Zu Unrecht unterschätzt werden Frank Schmidt zufolge verhaltenstherapeutische Maßnahmen. „Sie bringen sehr viel.“ Dazu gehören Gewichtsabnahme bei Übergewicht, Verzicht auf Alkohol am Abend, das Höherstellen des Kopfteils oder ein Seitenschläferkissen. „Sie sollten immer die ersten Schritte sein.“

Bisher erschienen:

Teil 1: Wie viel Schlaf ist eigentlich gesund?

Bis zu 28 kurze Aufwachphasen sind normal, sagt Schlafmediziner Thorsten Doering. Viel kann jeder selbst für eine ruhige Nacht tun.

Teil 2: Sechs typische Schlafprobleme – und ihre Lösung

Schlafkrankheiten haben viele Gesichter. Manchmal können sie Folge anderer Krankheiten sein – und ein Frühwarnsystem.

Teil 3: Vier Schlafmittel - und wie sie wirken

800.000 Tagesdosen werden im Jahr in Sachsens Apotheken verkauft. Oft droht Abhängigkeit. Doch es geht auch anders.

Teil 4: Besser schlafen ohne Tabletten

Schlafentzug, Marmeladenglastechnik, Fantasiereisen: Eine Psychologin aus Dresden will Schlafmittel überflüssig machen. 

Teil 5: Kinder schlafen anders – Frauen auch

Im Laufe des Lebens verändert sich unser Schlaf. Was ist daran normal – und was nicht? 

Die nächsten Folgen:

Teil 7: Zwischen Traum und Albtraum: Was passiert nachts in unserem Kopf?

Teil 8: Matratze, Lattenrost, Bettzeug: Wie bette ich mich richtig?

Teil 9: Elektrosmog, Mond, Wasseradern: Rauben uns mysteriöse Kräfte Schlaf?

Teil 10: Noch Fragen? Schlafexperten beantworten sie am Telefon.

Außerdem hören Sie hier unseren Podcast mit dem Schlaf-Professor Thorsten Doering.