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82-Jährige hält Senioren auf Trab

Spitzkunnersdorf. Schon seit 45 Jahren betreutErika Rother die Senioren im Ort. Unlängst erhielt sie dafür auch einebesondere Auszeichnung.

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Von Angelika Dornich

Ein großer Stoß Karten liegt auf ihrem Wohnzimmertisch. „Das sind die Glückwünsche für März samt der Grußmeldungen ans Radio und die Zeitung“, sagt Erika Rother. In der Schrankwand liegt noch ein ganzer Stapel. Bis Juni ist alles erledigt. Eine ganze Woche lang hat sie geschrieben. Naja, es bekommt ja auch jeder Spitzkunnersdorfer ab dem 55. Lebensjahr eine Karte , außerdem ab 60 bis 75 bei Jubiläen einen Blumenstrauß, danach zu jedem Geburtstag. Und sogar zu den Hochzeitstagen wird ab dem 50. gratuliert, zählt sie auf. Ganz akkurate Listen führt Erika Rother dafür. „Aber ich kenne ja mittlerweile jedes Haus in Spitzkunnersdorf“, sagt die 82-Jährige lächelnd.

Vor 45 Jahren hat sie die Volkssolidarität hier ehrenamtlich aufgebaut. Seit der Wende organisiert sie die Seniorenarbeit eigenständig weiter. Natürlich nicht allein, denn immerhin sind derzeit rund 380 Rentner zu betreuen: „Ich habe 21 zuverlässige und angenehme Helfer, die es auch verstehen, mit alten Leuten umzugehen. Und eine gute Hauptkassiererin sowie Stellvertreterin“, lobt sie. Das ist wichtig. Für jeden Monat arrangiert Erika Rother eine Tagesfahrt, ab und zu auch Halbtagsfahrten. Im Durchschnitt fahren 80 Frauen und Männer mit. Am 5. März geht es anlässlich des Frauentages ins Kulturhaus nach Bischofswerda zu „Die Rose für die Frau“. „Das Programm gestalten diesmal Katrin und Peter, die Oberlausitzer Quirle“, erzählt Frau Rother. Aber sie hat auch schon die Weihnachtsfeier am zweiten Advent fest geplant und dafür den Oberseifersdorfer Bäckerchor angeheuert. Einmal pro Vierteljahr kommen die Senioren zu einer Kaffeeveranstaltung im Spitzkunnersdorfer Kretscham zusammen – kostenlos. Darauf ist die „Seniorenchefin“ sehr stolz. „Wir haben auch noch eine gute Spendenbereitschaft im Ort“, sagt sie.

„Frau Rother hat den Spitzkunnersdorfer Senioren schon sehr viele schöne Stunden bereitet“, sagt Bürgermeister Bruno Scholze. Dieses unermüdliche Engagement bis ins hohe Alter verdient eine besondere Würdigung. So schlug er sie für die Ehrung ehrenamtlich wirkender Bürgerinnen des Freistaates im Jahr 2004 vor. Und tatsächlich konnte sie am 4. Dezember im Plenarsaal des Sächsischen Landtages aus den Händen von Sozialministerin Helma Orosz und Landtagspräsident Erich Iltgen die Ehrenurkunde und eine Rose entgegennehmen. „Ich habe dort gezittert wie Espenlaub“, sagt die sonst so resolute Frau. Aber der Tag war einer ihrer schönsten und wird unvergessen bleiben. Zuvor hatte sie noch den Bürgermeister total überrascht. Er hatte ihr mitgeteilt, dass sie zu der Auszeichnung eine Begleitperson mitnehmen kann. Auf die spätere Frage, wer es sein würde, antwortete sie: „Na, da greif' ich doch gleich auf Sie zurück.“ So ist Erika Rother nun mal.

Übrigens hätte sie nie gedacht, dass sie sich einmal in einem Dorf heimisch fühlt. „Ich bin 1955 nur meinem Mann zuliebe aufs Land gegangen. Für mich war's ein großes Problem“, erzählt sie. Ihre Jugend hat sie in Breslau verbracht, dann kam sie als Umsiedlerin nach Görlitz. „Jetzt bin ich so froh, dass wir hierher gezogen sind.“ Und dass sie sich noch um ihre Senioren kümmern kann. „Meine 61-jährige Tochter hat sich endlich damit abgefunden, dass ich den Vollzeit-Rentnerjob weitermache. Das baut mich immer wieder auf“, sagt sie. Denn Erika Rother hat selbst etliche harte Schicksalsschläge einstecken müssen. Ihr erster Mann blieb im Krieg, den zweiten und ihre beiden Söhne sowie ihren Schwiegersohn hat sie durch Krankheit bzw. plötzlichen Tod verloren. Ihr ganzer sSolz gilt den drei Enkeln und fünf Urenkeln. Die hat sie aber nicht jeden Tag um sich. So kümmert sie sich eben auch um die jüngsten Spitzkunnersdorfer. Manches Kind hat schon ’was Selbstgestricktes von ihr bekommen.