Von Ines Eifler
Warum er in Jelenia Gora jahrelang Woche für Woche Vorträge von Reisenden organisierte, sich von der Ferne erzählen ließ, aber selber nicht losfuhr? Andrzej Paczos, der am Görlitzer Naturkundemuseum die Ausstellung „Via regia – Straße der Arten“ konzipiert und aufgebaut hat, brauchte wohl erst einen Anstoß. Dazu gehörten ein Buch und ein Freund.

Das Buch, das Paczos vor sieben Jahren begeistert las, beschäftigt sich mit der Theorie, nach der das Aussterben der Dinosaurier auf einen riesigen Asteroiden zurückzuführen ist, der vor 65 Millionen Jahren in Mexiko einschlug und enorme Klimaveränderungen verursachte. Paczos’ Freund konnte günstige Flugtickets besorgen und fragte ihn, ob er nicht nach Mexiko reisen wolle, um den Meteoritenkrater auf Yukatán zu sehen. Paczos antwortete, den Krater könne man nicht sehen, der liege teils im Regenwald, teils im Pazifischen Ozean. Aber nach Mexiko wolle er trotzdem.
Von den Indianern beeindruckt
Aus dieser Idee wurden dann sechs Wochen, weniger Mexiko, mehr Guatemala. Von diesem Land habe er vorher nahezu nichts gewusst, sagt Paczos. Aber seit er dort war, glaubt er, es sei eines der interessantesten noch wenig bekannten Länder der Erde. Die zahlreichen Fotos, die er dort gemacht hat, sind wie ein Sog. Der Nebel über einem See mitten im Dschungel am Fuße eines Vulkans. Den er bestieg, indem er sich auf allen Vieren durch hohes Gras und Vulkanasche kämpfte.
Das dichte Wolkenmeer, das am Vormittag vom Pazifik aufsteigt. Ein reißender Gebirgsbach, der mitten in der grünen Landschaft in das Dunkel einer Höhle stürzt und erst nach Hunderten von Metern wieder auftaucht, unter einer Platte mit türkisblauen Lagunen. Aber nicht nur das Relief der Landschaft und die Natur faszinierten den Geografen.
Auch von den Indianern war Andrzej Paczos beeindruckt, die in Guatemala noch relativ viel von ihrer ursprünglichen Kultur leben und nur teilweise christianisiert wurden. Er zeigt Fotos von Orchideen und Lilien, die jemand um Stämme gewunden, in einem Kratersee aufgestellt, ans Ufer gelegt oder in Felsspalten gesteckt hat, und von Feuerstellen mit Knochen, die anders anmuten als gewöhnliche Lagerfeuer.
„Opfergaben der Indianer“, sagt Paczos, „an Götter, von denen sie gegenüber Weißen nicht sprechen.“ Geheimnisvoll erschienen ihm ihre naturverbundenen Riten. Ihre Vorsicht erklärte sich Paczos aber auch mit den schlechten Erfahrungen der Indianer: Im bis Ende der 1990er Jahre dauernden jahrzehntelangen Bürgerkrieg waren etwa 200 000 von ihnen umgebracht worden. Trotz ihrer Zurückhaltung fühlte sich Paczos zwischen ihnen aber wesentlich wohler als etwa bei dem Amerikaner, dem er an einem einsamen See mitten im Wald begegnete, der ihn in sein Haus einlud, sich als vom FBI gesuchter Drogenhändler outete und die Gäste erst wieder gehen ließ, als sie ihm alles Geld gaben, was sie bei sich trugen.
Frei von bisherigen Gewohnheiten
Abgesehen von diesem Erlebnis aber geriet Paczos nie in Situationen, die ihm unheimlich waren, in Guatemala nicht, in Mexiko nicht und auch später, in Nepal, Tunesien und Israel nicht. Er macht sich frei von eigenen Gewohnheiten und versucht, sich genau so durchs Land zu bewegen wie Einheimische auch: Nimmt den Bus, auch wenn der Stunden braucht und die Passagiere darin übernachten müssen, weil eine Brücke gerissen ist.
Schläft im Freien in der Hängematte, auch wenn es rundherum sirrt und raschelt. Übernachtet auf der Wiese, im Wald, in einer wackeligen Hütte oder einem Flussbett, gerade wie es sich anbietet. Und isst das, was auf den bunten Märkten gekocht und gebacken wird.
Solange er nur vom Reisen träumte, hielt Andrzej Paczos Mitteleuropa für den Nabel der Welt. „Ich war überrascht zu erfahren, dass das so gar nicht stimmt“, sagt er. „Für einen Mexikaner gibt es Mexiko und die USA. Polen oder Deutschland sind dort so etwas wie für uns Honduras oder Panama.“