Von Peter Stache
Ja, man kann das durchaus so sagen: Heike und Frank Brendel kommen sich mit 41 bzw. 42 Lebensjahren beileibe nicht als „alte Oberlausitzer“ vor. Aber seit sie in Friedersdorf ansässig sind, rechnen sie sich durchaus zu den Bewohnern dieses Landstrichs. Die gebürtigen Görlitzer kamen 1989 noch vor der Wende ins Kernland der Oberlausitz. Sie hatte gerade ein mehrjähriges Gastronomiestudium beendet. Er arbeitete im Kraftwerk Hagenwerder in einer Handwer-kerbrigade. Sie sollte einen leitenden Posten in der Verwaltung des volkseigenen Gaststättenbetriebes erhalten, wollte aber selbst lieber in der Praxis arbeiten. Als es hieß, sie sei dafür „überqualifiziert“, wählten Brendels ihren eigenen Weg.
Der führte sie auf die Suche nach einer „netten Kneipe“ ins Oberland. Wenn er noch jünger wäre, sagte ihnen der erste Gastwirt, bei dem sie anfragten, würde er die „Grenzschänke“ in Friedersdorf übernehmen.
Es war ein schöner, sonniger Tag. Vor der „Grenzschänke“ standen zwei Linden, und vor dem altehrwürdigen Haus plätscherte die Spree das Dorf entlang. „Etwas Idyllischeres konnte man sich nicht denken“, erinnert sich Heike Brendel. Aus dem Haus sah die ehemalige Wirtin heraus und fragte: „Habt Ihr eine Wohnung?, um gleich darauf selbst zu antworten: „Hier kriegt ihr keine“.
Doch alles renkte sich bald ein, und Frank Brendel erklärt: „Wir sind von den Friedersdorfern freundlich aufgenommen worden in einer guten Dorfgemeinde.“ Dass neue Wirtsleute, die von außerhalb kommen, erst etwas prüfend angesehen und nach der Ernsthaftigkeit ihrer Absicht beurteilt werden, sei ganz normal, meint er.
„Als wenn noch was dazu kam zum Neuanfang“
Brendels konnten das Haus 1990 von der früheren Wirtin abkaufen. „Ihr verdanken wir viel“, betont Heike Brendel. Ruth Paul, damals etwas über 60, verhalf der geschlossenen Konsum-Gaststätte zum Leben. „Das Gute war, dass sie uns als Köchin zur Seite stand. Sie ist eine Seele“, lobt sie. „Unsere Tochter sagt ,Oma’ zu ihr.“
Lisa wurde 1991 geboren. „Durch die gute Friedersdorfer Luft“, schmunzelt der Vater. „Es war, als wenn noch was dazu kam zum Neuanfang“, ergänzt seine Frau. Als die Tochter da war, tauschten sie die Rollen in der Wirtschaft. Heike überließ dem Mann die Gaststube und zog sich in die Küche zurück. „Da konnte man eher mal nach der Kleinen sehen.“
Ruth Paul, die „Ersatzomi vor Ort“, hielt in der „Grenzschänke“ bis Mitte der 90er Jahre die Stellung. Sie zog aus, um von dem Gaststättenbetrieb, der ihr Leben bedeutet hatte, Abstand zu bekommen.
Die „Grenzschänke“ war seit der Jahrhundertwende 1900 in Familienbesitz und blieb es auch bis in die 80er Jahre. Einstmals Wirtshaus mit Bäckerei und zeitweise mit einem „Tante-Emma-Laden“, hatte das Gebäude den Charakter eines typischen Oberlausitzer Umgebindehauses bewahrt. Seine Geschichte geht ins Jahr 1768 zurück.
So um 1993, sagen die Wirtsleute, seien sie „über den Berg“ gewesen, und bald danach war auch der größte Teil der Bauarbeiten erledigt. Das Dach wartet nun noch auf die Erneuerung, und auch sonst ist an einem so ehrwürdigen Haus immer mal etwas zu tun.
Die Friedersdorfer hatten im wahrsten Sinne des Wortes eine Menge zur Ausgestaltung des bodenständigen Wirtshauses beigetragen. Alle Räume – vom Hausflur über den „Laden“ und die Blockstube bis zum Saal mit nahezu 100 Plätzen – sind mit altertümlichem Hausrat, landwirtschaftlichem Gerät und vielen anderen Utensilien ausgestattet.
„Es sind zum großen Teil Gaben der Einheimischen“, erläutert Frank Brendel. Und im Reiterhaus sagt man: „Wenn wir geschlossen haben, schicken wir die Leute zu Brendels.“
Die denkmalgeschützte „Grenzschänke“ ist dennoch alles andere als eine Ansammlung toter Gegenstände. Hier ist Gastlichkeit nach Oberlausitzer Art zu Hause. Es gibt „Abern und Haarch“, handgestampfte „Mauke“, „handgekugelte“ Klöße sowie selbst geräucherten Wildschinken nach einem Rezept eines alten Jägers von selbst geschossenem Wild. Denn Frank Brendel hat im Oberland auch das Waidmannsleben kennen gelernt. Die Leute, unterstreicht er, kämen nicht wegen hunderter Gerichte, sondern wegen guter Hausmannskost und traditionellem Essen. Wenn dann noch Gerd Waldinger mit seiner „Quetschkommode“ kommt, wird gesungen und geschunkelt, bekommen auch die Ohren ihren Schmaus.
Gondelfahrten auf der Spree so wie früher
Alter Brauch wird auch hoch gehalten mit den Kahnfahrten auf der Spree. Die „Grenzschänke“ hieß auch mal in früheren Zeiten „Zum Hafen“. Aus einer Stammtischidee entsprang das alljährliche Badewannenrennen um den „Grenzschänken-Pokal“. Gegondelt werden kann aber zu jeder Zeit. Frank Brendel will noch einen zweiten Kahn kaufen.
Wer sich dermaßen um Oberlausitzer Gastlichkeit und das von den Vorvätern Übernommene bemüht, verdient wohl, „Oberländer“ genannt zu werden. Durch die „Grenzschänke“ und die Gäste, die regelmäßig aus der näheren und weiteren Umgebung, sogar bis aus Dresden, kommen, sind Friedersdorf und die Oberlausitz zu einem Begriff geworden.
„Die Leute lernen so die Gemeinde und unsere schöne Gegend kennen“, sagt Frank Brendel. Bleibt allerdings noch hinzuzufügen: Und sie haben auch vielfach schon die gebürtigen Görlitzer als „echte Oberländer“ weiterempfohlen.