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Abschied von einem Gemälde

Am Freitag, dem 25. Juli, 17 Uhr, findet im Barockhaus Neißstraße 30 eine Finissage für das Gemälde von Max Slevogt statt. Annerose Klammt, Chefin der Städtischen Sammlungen, und Kunsthistoriker Marius Winzeler sprechen zum Thema Restitution und präsentieren das Werk zum letzten Mal.

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Seit einiger Zeit bewegt das Thema Restitution die deutsche Museumslandschaft. Dies betrifft zum einen die Ausstattung von enteigneten Schlössern und Herrenhäusern, die im Zuge der so genannten Schlossbergung in der Nachkriegszeit auf öffentliche Sammlungen verteilt wurde, andererseits rücken aber vor allem auch die oft unrechtmäßig erfolgten Erwerbungen der Jahre 1933 bis 1945 neu in den Blickpunkt.

Eine internationale Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust in Washington formulierte 1998 Grundsätze für den Umgang mit den komplexen Problemen, zu deren Lösung seit 1999 eine Erklärung der Bundesregierung, der Regierung und kommunaler Spitzenverbände die entscheidende Handlungsgrundlage darstellt. In Magdeburg wurde eine eigene Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste eingerichtet, vor wenigen Tagen konstituierte sich eine beratende Kommission zur Schlichtung strittiger Raubkunstfälle.

Erwerbungen wurden auf ihre Herkunft untersucht

Die Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur gehören zu den wenigen öffentlichen Sammlungen, in denen die Erwerbungen 1933 bis 1945 zu weiten Teilen auf ihre Herkunft untersucht wurden und bereits mehrere wichtige Restitutionen erfolgt sind.

Insbesondere ab 1938 hatte man hier versucht den bislang schmalen Museumsbestand an hochkarätiger zeitgenössischer Kunst zu vergrößern. Da die entsprechenden Spielräume angesichts geringer Haushaltsmittel stark eingeschränkt waren, machte man regen Gebrauch von der Möglichkeit, den beschlagnahmten Kunstbesitz jüdischer Sammler für Görlitz „zu sichern“.

So gelangten nahezu ohne Kostenaufwendungen hervorragende Kunstwerke aus jüdischem Eigentum aus Breslau nach Görlitz. Zwischen 1945 und 1989 wurde die Rechtmäßigkeit am Besitz der immer noch bedeutenden in Görlitz erhaltenen Kunstwerke, die den jüdischen Eigentümern entzogen worden waren, nicht in Frage gestellt. Ab 1998 kamen auf Initiative der juristischen Bevollmächtigten der einstigen Eigentümer jedoch mehrere Restitutionsvorgänge ins Rollen. Als erstes Werk wurde Lovis Corinths wunderbares Gemälde „Frau im Treibhaus“, bisher ein Hauptwerk der Gemäldegalerie im Kaisertrutz, restituiert.

Nun heißt es, von einem weiteren Hauptwerk des deutschen Impressionismus Abschied zu nehmen: In wenigen Tagen verlässt das Gemälde „Vorgarten“ von Max Slevogt (1868 bis 1932) Görlitz. Es ist 1912 entstanden und gehörte seit den 20er Jahren dem Kunstsammler Leo Smoschewer, einem der führenden Industriellen Breslaus – seine Feldbahn-, Lokomotiv- und Straßenwalzenfabrik produzierte Dampfwalzen, Motorwalzen, Motor-Parkwalzen sowie „Walzen für jeden Pferdezug“, wie es Fabrikanzeigen überliefern.

Leo Smoschewer verstarb im Herbst 1938, kurz darauf wurde seine Firma arisiert. Seine Frau Else beabsichtigte zu emigrieren und beauftragte den Breslauer Volkswirt Fritjof Wersin als Treuhänder für das ihr verbliebene, jedoch alsbald gesperrte Vermögen. Kurz vor der Emigration verstarb Else Smoschewer am 5. Mai 1939, worauf auch noch ihr Restvermögen vom Reich beschlagnahmt wurde, da die rechtmäßigen Erben außerhalb Deutschlands lebten. Vier Werke der überaus kostbaren Sammlung Smoschewer gelangten nach Görlitz: Gemälde von Alexander Kanoldt, Konrad von Kardorff, Carlo Mense und eben von Slevogt.

Zwar wurden dafür Preise bezahlt und diese entsprechend auch im Görlitzer Inventarbuch genannt, allerdings unterlagen die Zahlungen der Sperre und wurden nicht an die Erben Smoschewer weitergeleitet. Zudem war ihre Entrichtung eher eine Farce, da diese Preise weit unter dem tatsächlichen Wert der Kunstwerke lagen. Drei der genannten Gemälde gehören leider zu den Auslagerungsverlusten des Görlitzer Museumsbesitzes. Doch das verbliebene vierte Werk, Slevogts „Vorgarten“, kann jetzt nach rund 55 Jahren den Erben der rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden.

Görlitz leistet aktiven Beitrag zur Versöhnung

Zweifellos verlor Görlitz infolge der Restitutionen einige der wertvollsten Kunstwerke, die sich über ein halbes Jahrhundert hier befunden haben. Doch zeigt die Stadt mit der Aufarbeitung des Görlitz betreffenden Teils des nationalsozialistischen Kunstraubes und mit der Rückgabe entsprechender Werke an die Erben bzw. deren Vertreter, dass sie sich der Geschichte stellt und einen aktiven Beitrag zur Versöhnung leistet. (SZ)