Von Frank Seibel
Der Brückenpark und die grenzüberschreitende Straßenbahn lassen sich vermutlich nicht mehr finanzieren. Doch auch darüber hinaus sieht Oberbürgermeister Karbaum tiefe Einschnitte auf Görlitz zukommen.
Die Atmosphäre war freundlich, die Gesprächspartner zeigten Verständnis; doch in der Sache hat sich nichts bewegt. Mit diesem Eindruck ist Oberbürgermeister Rolf Karbaum von einem Gespräch im Regierungspräsidium (RP) in Dresden zurück gekehrt.
„Ich habe keinen Cent mehr als zuvor“, bekannte Karbaum, der mit der Aufsichtsbehörde über die prekäre Finanzlage in Görlitz gesprochen hat. Vor allem wollte er die Auflage lockern, dass Görlitz keinerlei Kredite mehr aufnehmen darf.
Ohne „frisches“ Geld würden der Stadt in den nächsten drei Jahren rund 22 Millionen Euro für geplante Investitionen fehlen. Ein Mehrfaches an Fördermitteln könnte die Stadt damit nicht einlösen.
Auf die Frage, ob der Brückenpark nun gestorben sei, antwortete Karbaum: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit.“ Der frühere sächsische Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) hatte diese Idee Ende 2001 entwickelt; im Mittelpunkt stand der Wunsch, die Stadthalle zu modernisieren. 37,6 Millionen Euro waren dafür veranschlagt, die Stadthalle und ein noch nicht näher definiertes Umfeld zu erneuern. Ein Viertel der Kosten müsste Görlitz dafür selbst aufbringen.
Fraglich ist weiterhin der Plan, bis 2008 eine Straßenbahnlinie über die Stadtbrücke hinweg nach Zgorzelec zu bauen. Zwischen fünf und sechs Millionen Euro würde das kosten, ergab eine Machbarkeitsstudie im vorigen Jahr.
Karbaum appellierte an die Staatsregierung, die Stadt Görlitz in besonderem Maße zu unterstützen. Denn die Bedeutung der Stadt und der Region als „Tor zum Osten“ habe die Regierung in Dresden immer wieder betont. „Innerlich habe ich die beiden Projekte noch nicht abgeschrieben“, betonte der Oberbürgermeister gestern im Gespräch mit der SZ. Allerdings machte das Stadtoberhaupt auch klar: „Jetzt ist alles in Frage gestellt, ohne jede Einschränkung.“ Görlitz müsse damit rechnen, künftig eine ganz normale mittelgroße Stadt zu sein.
Andererseits verteidigte der Oberbürgermeister das Engagement der Stadt, sich um die „Kulturhauptstadt Europas 2010“ zu bewerben. „Das ist von existenzieller Bedeutung für uns.“ Die Bewerbung trage zur Belebung der Stadt bei und mache Görlitz bekannt. Die Stadt hat für das laufende Jahr 500 000 Euro für die Arbeit des Kulturhauptstadt-Büros in der Peterstraße bereit gestellt. Karbaum verteidigte auch den Entschluss, einen externen Wirtschaftsförderer zu engagieren. Dafür stellt die Stadt in diesem Jahr 200 000 Euro bereit. „Die Verwaltung kann nicht alles leisten“, kommentierte Karbaum diese Zusatzleistung sowie das externe Büro für die Kulturhauptstadt-Bewerbung. „Wir brauchen professionelle Begleitung.“ Dies sei auch in anderen Städten üblich.
Eine fest eingeplante große Investition will zumindest die CDU auf keinen Fall preisgeben: das neue Ganzjahresbad. „Wir können uns nur noch das Allernötigste leisten“, sagte zwar Fraktionsgeschäftsführer Gottfried Gasse – aber das Schwimmbad gehöre dazu. Auf die Frage, ob sich das finanzieren lässt, sagte Gasse, zögerlich: „Ja“. Dafür werde man alle Hebel in Bewegung setzen. Vor allem die CDU hat immer wieder Hoffnung auf Förderung durch den Freistaat geäußert.
Was die grenzüberschreitende Straßenbahn betrifft, so will auch Gasse die Hoffnung noch nicht aufgeben. Möglicherweise könnte sich hierbei die Partnerstadt Zgorzelec stärker einbringen und zusätzliche EU-Mittel aus Brüssel beschaffen.
Einigkeit besteht indessen in der Bewertung der Ursachen für die schwere Finanzkrise: die allgemein schlechte Wirtschaftslage; falsche Gesetze zur wichtigsten kommunalen Einnahmequelle, der Gewerbesteuer; steigende Personalkosten wegen Tariferhöhungen; Rückgang der staatlichen Schlüsselzuweisungen, unter anderem wegen der schrumpfenden Einwohnerzahl. „Die Finanzsituation ist eindeutig von außen verursacht“, heißt es in einem Thesenpapier der CDU.
SPD-Fraktionschef Herbert Oberste-Lehn will daher zunächst gar nicht übers Sparen reden. Er will die Abgeordneten im Bundestag und im Landtag mobilisieren, damit die Kommunalaufsicht in Dresden ihre Auflagen lockert. „Der Druck des RP ist nicht gerechtfertigt“, sagte Oberste-Lehn. „Wir haben alles ausgeschöpft.“ Er verwies unter anderem auf den Haustarif für die städtischen Bediensteten. Sie arbeiten seit April zehn Prozent kürzer – und bekommen zehn Prozent weniger Geld.
Ein Ausweg, der nahe zu liegen scheint, ist nach Ansicht von CDU und SPD allerdings versperrt: An das Geld aus dem Stadtwerke-Verkauf, immerhin rund 50 Millionen Euro, könne man nicht heran; nicht einmal an einen Teilbetrag. „Von den Zinserträgen müssen wir den Nahverkehr finanzieren“, sagen übereinstimmend Gottfried Gasse und Herbert Oberste-Lehn.
Ursprünglich sollten 40 Millionen Euro reichen, um jährlich gut drei Millionen dafür zu erwirtschaften. Doch die Flaute auf dem Geldmarkt mache es erforderlich, das gesamte Geld im Fonds zu lassen – damit Bus und Straßenbahn weiter bezahlt werden können.