Von Jana Mundus und Paulina Glaner
Der Wind über Briesnitz macht die Sache zum Problem. Der trägt die Schwefelkalk-Tropfen von der großen Obstplantage am Wirtschaftsweg hinüber in die Gärten der Anwohner. „Hier oben gibt es nur wenige windstille Tage im Jahr“, erklärt Obstbauer Stephan Wiemer die knifflige Lage. Auf der Anlage des Vorwerks Podemus steht ausschließlich Bioobst. Doch auch um das machen Schädlinge und Krankheiten keinen Bogen. Damit er das Obst später auch verkaufen kann, muss Wiemer die Pflanzen spritzen. Das stört einige Nachbarn.
„Es wird ständig gesprüht“, erklärt eine Anwohnerin des Wirtschaftswegs mit besorgtem Gesichtsausdruck. „Auch am Wochenende.“ Ihren Namen will sie nicht in der Zeitung lesen. Man müsse ja auch in Zukunft noch mit dem Nachbarn auskommen. Begeistert ist sie allerdings nicht. „Dieses Zeug riecht auch unangenehm.“ Stephan Wiemer ahnte schon, dass es Ärger geben könnte, als ein Nachbar ihn vor einiger Zeit beim Spritzen filmte. Er steuerte gegen und lud vor einigen Wochen die Anwohnerschaft zum Rundgang über die Plantage ein.
Seit 2013 bewirtschaftet das Vorwerk Podemus das zehn Hektar große Areal. Hier wachsen Kirschen, Pfirsiche und Aprikosen. Doch vor allem die Apfelbestände sind es, die gespritzt werden müssen. „Im unteren Bereich stehen Sorten, die unser Vorgänger hier angebaut hat“, erklärt der Gartenbauingenieur. „Elstar, Gala, Jonagold, Shampion und Pinova.“ Doch sie sind anfällig für Schädlinge und Krankheiten. Die Situation wird noch verschärft. Gleich neben der Plantage gibt es ein Nachbargrundstück mit wild wachsenden Apfelbäumen. Stephan Wiemer zeigt an deren Blättern und Früchten braune Flecken, die die kleinen Äpfel beulig werden lassen: die Pilzkrankheit Apfelschorf. Neben dem Apfelmehltau der größte Feind der Obstbauern. „Diese Fläche gehört uns leider nicht. Das Risiko, dass der Schorf auf unsere Bäume übergreift, ist groß“, erklärt er.
Deshalb bliebe am Ende nur das Spritzen. Nicht nur bei einem Befall, sondern auch vorbeugend. Allerdings sind chemische Mittel für den Öko-Landbau laut einer EG-Verordnung verboten. „Es dürfen nur Pflanzenschutzmittel mit pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder mineralischen Inhaltsstoffen angewendet werden“, bestätigt Karin Bernhardt vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Sie kennt die Vorbehalte einiger Bürger, wenn Biounternehmen spritzen. „Aber es finden dort so umfassende Kontrollen statt, dass ein Umgehen der Regelungen unmöglich ist.“ Ist ein Befall zu befürchten, müsste oft schnell reagiert werden. Wenn es sein muss, dann auch am Wochenende.
Äpfel gibt es bald in neuem Markt
Auch Stephan Wiemer kann die Angst der Nachbarn nachvollziehen. „Viele irritiert, dass wir so häufig spritzen.“ Allein gegen die Apfelkrankheiten muss pro Jahr bis zu 20 Mal gespritzt werden. „Die Mittel bilden einen Belag auf den Pflanzen, der das Ausbreiten der Pilzsporen eindämmt“, erläutert der 28-Jährige. Wenn im Frühjahr neue Blätter nachwachsen, müssten die Stoffe immer wieder aufgebracht werden. Hinzu kommen Einsätze gegen Insektenarten, die das Obst bedrohen. „Es ist doch besser, wir sprühen Dinge, die zwar riechen, aber nicht gesundheitsgefährdend sind.“
Im oberen Bereich der Plantage hat das Vorwerk Podemus alte Kirschbäume gefällt. Sie waren zu hoch gewachsen, konnten nur schlecht geerntet werden. Hier sollen bald neue Apfelbäume stehen. Resistente Sorten, die weniger gespritzt werden müssen. Wenn es gut läuft, können bald bis zu 60 Tonnen Bioäpfel pro Jahr geerntet werden. „Die gibt es dann ausschließlich in unseren Filialen in ganz Dresden“, so Wiemer. Eine dieser Filialen entsteht gerade im alten Klotzscher Bahnhof. Der ist den Anwohnern schon lange ein Dorn im Auge. Denn das Gebäude ist heruntergekommen, seit 2001 hat sich dort nichts getan. Trotzdem lassen das Eingangsportal und die über acht Meter hohe ehemalige Wartehalle erahnen, wie eindrucksvoll der alte Jugendstilbahnhof einst war. Und bald wieder wird: Denn seit Frühjahr dieses Jahres wird saniert. Hier soll bis Anfang nächsten Jahres ein Bio-Bahnhof entstehen. „Momentan sind wir noch im Rohbau und mit Abbrucharbeiten beschäftigt. Parallel wird aber das Dach saniert und der Sandstein bearbeitet,“ sagt Gerhard Probst, einer der Bauherren und Bruder von Vorwerk-Inhaber Bernhard Probst. Der Biomarkt wird in die zentrale Wartehalle ziehen, es gibt aber noch drei freie Gewerbeflächen. „Diese sollten auch einen thematischen Bezug zu Podemus haben“, so Probst. Wer dort einzieht, ist noch unklar. Die Sanierung des alten Gebäudes ist mühsam, denn der Bahnhof steht unter Denkmalschutz. „Wir wollen möglichst viel von der alten Bausubstanz erhalten.“ Wie es sich für einen Bio-Bahnhof gehört, sollen möglichst ökologische Baustoffe eingesetzt werden.