Von Christoph Scharf
In Bautzen rumort es. Viele Anwohner entlang der Spree sind derzeit nicht gut auf die Stadt zu sprechen. Der Grund: Im neuen Amtsblatt heißt es, dass die Anwohner der Straßen an Spree am 7. August vor dem Hochwasser alarmiert wurden – und zwar, bevor die Flut anrollte (siehe Ausriss).
„Das stimmt überhaupt nicht“, sagt etwa Christian Haufe, der unterhalb der Ortenburg wohnt. „Bei uns hat niemand geklingelt. Und wir waren den ganzen Tag da.“
Ein wichtiger Punkt. Denn die Stadtverwaltung hatte auf SZ-Anfrage mitgeteilt, zwei Feuerwehrleute hätten am Flutsonnabend nach 17.15Uhr die Anwohner persönlich informiert – so wie es im Hochwasser-Maßnahmeplan der Stadt vorgesehen sei. Wörtlich sagte Stadtpressesprecher André Wucht: „Die Kameraden haben an jeder Haustür geklingelt.“
Schon Ende vergangener Woche zweifelten mehrere Spree-Anlieger an dieser Aussage. Die SZ machte daher gestern die Probe aufs Exempel und klingelte an Dutzenden Türen zwischen Neuscher Promenade und Kupferhammer. Das Ergebnis: Nur die Anwohner am Ende der Neuschen Promenade fühlten sich gut informiert. „Bei uns war den ganzen Nachmittag die Feuerwehr vor Ort“, sagt Gottfried Hochauf. Schließlich ist an der Weiten Bleiche auch der Pegel abzulesen.
Informationen nur im Internet
Weiter flussabwärts wurden die Leute allerdings von der Flut überrascht. „Hier hat niemand geklingelt“, sagen etliche Anwohner der Bleichenstraße. Die Betreiber der Gaststätte „Zum Wehr“ haben sich deshalb schon bei der Stadt beschwert. „Wir hätten einiges retten können“, sagt Wirtin Annerose Schuster. So versanken zehn noch nicht mal eingebaute neue Wohnungstüren im Wasser, die Gaststätte öffnet wohl nie wieder.
Auch an der Spreegasse war vor der Flut kein Feuerwehrmann zu sehen. „Ganz im Gegenteil, wir haben die Flut per Telefon gemeldet“, sagt Kerstin Koch. Die Spree-Pension unterhalb der Friedensbrücke bekam erst abends einen Anruf, dass Gäste zu evakuieren seien. Bei der Alten Gerberei gegenüber und deren Nachbarn erschien dagegen niemand. So standen noch etliche Autos auf dem Parkplatz, als die Spree über die Ufer trat.
Das gleiche Bild in der Straße Unterm Schloß, wo das Hochwasser ein Haus zum Einsturz brachte. Wo man klingelt – überall die gleiche Antwort. „Uns hat niemand informiert.“ Dabei kennt hier ein Nachbar den anderen, eine Warnung hätte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. So wiegten sich die Anwohner noch in Sicherheit, als im Oberland die Spree schon zum reißenden Fluss geworden war.
„Die einzigen Informationen waren im Internet zu finden“, sagt ein Anwohner aus der Seidau, bei dem das Wasser einen Meter in der Wohnung stand. Erst nach 21Uhr sei jemand von der Stadt gekommen. Da war aber nichts mehr zu retten. – Lob gab es dagegen für den städtischen Einsatz nach dem Hochwasser: Übers Bürgertelefon sei unkompliziert die Müllabfuhr zu bestellen gewesen, Politessen hätten Hilfskräfte organisiert, es gab Möbel-Gutscheine und Strom-Gutschriften für die pausenlos laufenden Pumpen. Die Alarmierung jedoch sei katastrophal gewesen.
„Wir werden der Sache nachgehen“, verspricht Pressesprecher André Wucht. Bislang habe man sich auf die Feuerwehr-Aussage verlassen, dass ordnungsgemäß alarmiert wurde. Dass dies möglich ist, bewies das zweite Hochwasser eine Woche nach der großen Flut. In dieser Nacht wiesen Lautsprecher-Durchsagen auf die Gefahr hin.