Wippel klagt - Ursu handelt

Kurz vorm entscheidenden Wahlgang um den OB-Posten im Görlitzer Rathaus sorgte im vergangenen Sommer ein Brief von Film-Produzenten und Schauspielern für deutschlandweites Aufsehen. Der Appell von Autoren wie Daniel Kehlmann und Christian Schwochow sowie Schauspielern wie Miriam Stein und Volker Bruch an die Görlitzer lautete: Wählt weise.
Damals ging es darum, ob mit Sebastian Wippel zum ersten Mal in einer größeren deutschen Stadt ein AfD-Politiker Oberbürgermeister wird oder Octavian Ursu von der CDU. Am Ende machte der Christdemokrat, unterstützt auch von der Linkspartei, knapp das Rennen.
In dem Brief hieß es seinerzeit wörtlich: "Bitte wählt weise, wenn die Wahl an Euch ist. Gebt Euch nicht Hass und Feindseligkeit, Zwietracht und Ausgrenzung hin. Verratet nicht Eure Überzeugungen, sobald jemand behauptet, er könne die Probleme für Euch lösen." In dem Brief fand sich keine Warnung, an potenzielle Gäste von Görlitz, nicht mehr die Stadt zu besuchen. Doch zweifelten die Filmschaffenden durchaus daran, dass eine Stadt noch der richtige Drehort von Filmen sei, wenn sie von einem AfD-Oberbürgermeister regiert werde.
Wippel: Warnung vor AfD waren Fake-News
Die AfD jedenfalls nahm das so wahr. Das wird jetzt auch in einer Pressemitteilung von Landtagsabgeordneten Sebastian Wippel deutlich anlässlich der Rekord-Übernachtungszahlen von Görlitz und im gesamten Freistaat im vergangenen Jahr. "Erinnern Sie sich noch an die Panik-Schlagzeilen, dass eine starke AfD der Tourismusbranche schadet", heißt es in der Mitteilung von Wippel.
"Erinnern Sie sich noch an das Gerede von Imageverlust und ,Dunkeldeutschland'? Die nackten Zahlen belegen: Das waren sogenannte ,Fake-News'." So liege auch die Stadt Görlitz auf "einem historischen Allzeithoch - obwohl die AfD hier sogar stärkste politische Kraft ist." Die Sachsen hätten damit Wippel zufolge eindrucksvoll gezeigt: "Patriotismus und Gastfreundschaft passen hervorragend zusammen."
Filmproduzent: Wahl von Ursu war ein positives Signal - weltweit

Initiator des seinerzeitigen Briefs an die Görlitzer war der Mitproduzent der Literaturverfilmung "Der Vorleser", Michael Simon de Normier. Er fühlt sich von den Vorwürfen Wippels in keiner Weise getroffen, wie er gegenüber der SZ erklärte. "Das positive Signal, das mit der Wahl von Octavian Ursu verbunden war, samt der Stimmen und Bilder eines parteiübergreifenden Bündnisses gegen Rechts, unter dem Motto ,Görlitz bleibt bunt', haben die Stadt und ihre schönen Gesichter weltweit nochmal bekannter gemacht. Ich freue mich von Herzen über diesen Trend!", erklärt er.
De Normier, der in der vergangenen Woche auch die Berlinale in Berlin erlebte, ist fest davon überzeugt, dass Filmemacher aus aller Herren Länder für Vielfalt stehen und Intoleranz hassen. "Ich weiß nicht, wer der Einladung eines AfD-OB Wippel gefolgt wäre in Anbetracht der kulturfeindlichen Agenda der so genannten ,Alternative'". Zudem hätten die Görlitzer ja keinen AfD-OB gewählt, insofern könne man jetzt ja keine Rückschlüsse auf die Folgen einer Wahl von Wippel ziehen.
Ursu will in Görlitz Filmakademie etablieren
Während Wippel auf diese Art und Weise seine Wahlniederlage noch immer zu verarbeiten sucht, hat Octavian Ursu wiederum das Filmthema auf vielfältige Weise in den ersten sechs, sieben Monaten seiner Amtszeit bearbeitet. So empfing er die Crew-Mitglieder der "Wolfsland"-Produktion, führte Gespräche mit der Mitteldeutschen Filmförderung sowie Filmproduzenten.
Heraus kam sein Vorschlag, in Görlitz eine Film-Akademie anzusiedeln, den er zu seinem Neujahrsempfang erstmals präsentierte. Schließlich eröffnete er erst am vergangenen Wochenende einen "Walk of Görliwood", mit dem die Europastadt Görlitz/Zgorzelec im Görlitzer Stadtbild auf die Filmstadt Görlitz aufmerksam macht. Ursu verspricht sich von Filmdrehs in Görlitz sowie der Akademie große Aufmerksamkeit, ein positives Image und letztlich auch neue Jobs in der Stadt.