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SZ + Pirna

Handfester Streit mit Ordnungsamt

Alkoholisiert geht ein Mann in Königstein auf einen Ordnungshüter los. Der legt aber auch ein seltsames Berufsverständnis an den Tag.

Von Daniel Krüger
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Papier, das niemand gerne sieht. Immer öfter werden Mitarbeiter des Ordnungsamts bei ihrer Arbeit attackiert.
Papier, das niemand gerne sieht. Immer öfter werden Mitarbeiter des Ordnungsamts bei ihrer Arbeit attackiert. © dpa

Dass der Angeklagte an diesem Montag vor Richterin Simona Wiedmer am Pirnaer Amtsgericht sitzt, ist gar nicht selbstverständlich. 

Denn Erik F. ist häufig auf Montage, baut zurzeit bundesweit Eisbahnen auf.  Von seiner Verhandlung hat er nur erfahren, weil er beim Einkaufen angerufen wurde. "Ich erhole mich am Wochenende von meiner anstrengenden Arbeit und leere meinen Briefkasten nicht", so F., dunkler Vollbart, braungebrannt, Kapuzenpullover. 

Da er freiwillig ins Gericht kommt, kann die Polizeibegleitung in Mannschaftsgröße den Saal zu Sitzungsbeginn wieder verlassen. F. ist kein Unbekannter bei den Pirnaer Behörden. Nach Drogendelikten, Waffenbesitz und einer Trunkenheitsfahrt verbrachte er vor mehreren Jahren bereits sechs Monate hinter Gittern.

Alkohol und Gewalt scheinen ihn nicht ganz loszulassen. Es ist ein Donnerstag, 14 Uhr, 31. Oktober. Ein Ordnungsamtsmitarbeiter verteilt in Königstein an der unteren Bahnhofstraße gerade Knöllchen, als er plötzlich von F. angesprochen wird, der nach eigener Aussage mit dem Hund vom Einkaufen kommt. Der hat zu diesem Zeitpunkt über zwei Promille Alkohol im Blut. 

Die Anklage wirft dem 34-Jährigen vor, den Rathausmitarbeiter beschimpft und ihm seinen Knöllchenblock aus der Hand gerissen zu haben. Dann soll F. dem Ordnungshüter auf den Oberam geschlagen haben, worauf ihm dieser gegen den Brustkorb stieß. F. fällt daraufhin auf den Boden. Laut Anklage soll der Monteur den Knöllchenverteiler daraufhin zu seinem Dienstwagen verfolgt, sich zwischen die Autotür gedrängt und ihm dort noch einen Schlag in den Rücken verpasst haben. 

Eine Version, die der Angeklagte, der selbstbewusst auf einen Anwalt verzichtet, vehement bestreitet. Immer wieder fällt F. Richterin Wiedmer bei ihren Ausführungen ins Wort, seufzt oder rollt mit den Augen. 

Ja, er habe dem Rathausmitarbeiter nach dem Block gegriffen, weil dieser in Königstein dafür bekannt sei, unfair Knöllchen zu verteilen, auch gegenüber dem Bruder und Freunden des Angeklagten. "Ich habe ihn dabei nicht berührt", beteuert F.. Allerdings sei  der Ordnungsamtsmitarbeiter wegen der Geste ausgerastet und habe ihn derart geschubst, dass er auf dem Boden landete. Auch zwischen die Tür sei er nur getreten, um den anderen am Wegfahren zu hindern. 

Auch der Vollzugsangestellte ist als Zeuge geladen - und verstrickt sich zum Erstaunen von Staatsanwalt und Richterin in heftige Widersprüche. So behauptet er etwa, den Angeklagten nach dem vermeintlichen Rückenschlag gegen eine Sandsteinwand gedrückt zu haben. 

Es ist nun die Stunde von F., der heftig auf einem ihm von Richterin Wiedmer überreichten Papier kritzelt. Gegenüber der geladenen Polizistin, die vor Ort war, skizziert er glaubhaft, dass zwischen der Mauer und dem Dienstauto mehrere Meter Entfernung liegen.  Der Mann vom Ordnungsamt, der aufgrund des fehlenden Verteidigers auch vom Angeklagten selbst befragt wird, fällt zudem noch durch skurrile Aussagen auf. So habe er sich gefragt, warum der Angeklagte so wütend sei, obwohl er nicht ihn "abgefettet" hätte. 

Richterin Wiedmer ist skeptisch. Wusste der Mann vom Rathaus vielleicht genau, mit wem er es zu tun hatte? Und weshalb spricht ein Ordnungshüter von "abfetten", einem Begriff, den eigentlich wütende Bürger nutzen, wenn sie über Knöllchenverteiler schimpfen?

Der Verdacht, dass diese Amtsperson bei ihrer Arbeit nicht immer korrekt handelt, ist zwar nicht Gegenstand der Verhandlung. Zumindest aber schließt Richterin Widmer aus einer weiteren Zeugenaussage darauf, dass der Ordnungsamtsmitarbeiter vor Ort "ziemlich unbeliebt" sei. Dem wird bescheinigt, dass er "ständig mit dem Handy fotografiert und Notizen macht." Weil auch das Krankenhaus, dass er nach der Tat aufsucht, keine Spuren von Gewalt an Rücken und Armen feststellt, kann dem Angeklagten schließlich keine Körperverletzung nachgewiesen werden. 

Übrig bleibt nur der Vorwurf des tätlichen Angriffs auf Dienstbeamte, ein relativ neuer Straftatbestand, der wegen der zunehmenden Gewalt gegen Angestellte im Öffentlichen Dienst eingeführt wurde. Weil F. selbst unmittelbar nach der Tat zugegeben hat, dem Ordnungshüter den Block aus der Hand gerissen zu haben, verurteilt Richterin Wiedmer ihn zu einer Geldstrafe von 750 Euro. "Sie haben ein Problem mit Autoritäten. Bekommen Sie das in den Griff", sagt Wiedmer zum Schluss. Und tadelt auch den Ordnungsamtsmitarbeiter. Der solle sein Berufsbild hinterfragen. "Hätte der Angeklagte Sie angezeigt, wären Sie auch nicht einfach so davongekommen." 

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