Dresden. Nach der Landtagswahl deuten sich komplizierte Verhandlungen zur Regierungsbildung an. Sachsens CDU, die trotz klarer Verluste stärkste Kraft wurde, beansprucht eine führende Rolle. Generalsekretär Alexander Dierks sprach am Montag von einem „Auftrag, den wir gerne annehmen“. Er schloss wie zuvor CDU-Spitzenkandidat Michael Kretschmer Bündnisse mit AfD und Linken aus. Die AfD sei keine bürgerlich-konservative Partei, bekräftigte Dierks. Damit bleibt für die sächsische Union nur eine sogenannte „Kenia-Koalition“ mit Grünen und SPD, da sie eine Minderheitsregierung ablehnt.
Eine entscheidende Rolle wird bei den Gesprächen der Dresdner Parlamentarier Christian Hartmann spielen. Dierks sagte, Kretschmer werde den bisherigen Fraktionschef den Abgeordneten zur Wiederwahl vorschlagen. Die CDU habe zwar im Vergleich zur Landtagswahl 2014 klar verloren, zur Europawahl im Mai aber deutlich gewonnen. Man betrachte das Ergebnis „mit Demut“.
Die viertplatzierten Grünen zeigten sich gesprächsbereit. „Wir haben immer klar gesagt, dass wir gerne Verantwortung übernehmen wollen“, hob Landessprecherin Christin Melcher hervor. Wichtig sei, dass eine neue politische Kultur entstehe. Etliche progressive Wähler hätten nur für die CDU gestimmt, um die AfD zu verhindern. „Ministerpräsident Kretschmer muss klar sein, dass das Leihstimmen sind“, sagte Melcher. Am Sonntag werde sich der Parteirat mit eventuellen Sondierungen befassen. Ein Parteitag im Oktober soll über Koalitionsverhandlungen entscheiden.
Die bislang mitregierende SPD will trotz eines schwachen Ergebnisses weiter Teil der Koalition sein. Das voraussichtliche neue Regierungsbündnis – nach den Parteifarben Schwarz, Rot und Grün auch Kenia genannt – solle aber keine Landesregierung „des kleinsten gemeinsamen Nenners“ werden, wie SPD-Generalsekretär Henning Homann sagte.
Er nannte längeres gemeinsames Lernen und die Bildung einer Landesverkehrsgesellschaft als zentrale Forderungen: „Ich gehe davon aus, dass das keine leichten Gespräche werden.“ Als Knackpunkte für eine Dreier-Koalition gelten auch der Ausstieg aus der Braunkohle sowie das Polizeigesetz, das vor allem die Grünen kritisieren.

Derweil gibt Sachsens AfD Hoffnungen auf Gespräche mit der CDU nicht auf. Die Partei sei „dialogbereit“, sagte AfD-Generalsekretär Jan Zwerg. „Wir sind eine bürgerliche Partei“, ergänzte er. Dass das Wahlziel von mehr als 30 Prozent verfehlt worden sei, liege an der massiven Behinderung, die die AfD erfahren habe.
Zwerg nannte neben der Zerstörung von Plakaten auch die Kürzung der Liste durch den Wahlausschuss und – in geringerem Umfang – das sächsische Verfassungsgericht. Wegen eines Verfahrensfehlers durften weniger Kandidaten auf der Landesliste antreten, als die Partei nominiert hatte. Das führt nun dazu, dass die AfD im künftigen Landtag 38 Abgeordnete stellt. Einen Sitz darf sie nicht besetzen.
Dagegen geht die Partei vor. Sie wolle den Wahlprüfungsausschuss anrufen und einen Untersuchungsausschuss beantragen, sagte Zwerg. In einer Mitteilung betonte er: „Die AfD wird in jedem Fall juristisch gegen diese Listenstreichung vorgehen und Neuwahlen erwirken.“ Im Landtag sprach er davon, dass das womöglich vor einem Verwaltungsgericht geschehe.

Die Linke zeigte sich noch immer schockiert von ihrem Abschneiden. Die Partei verbuchte die stärksten Verluste und ist nur noch knapp zweistellig. „Wir haben das so in der Form nicht kommen sehen“, sagte Landesgeschäftsführer Thomas Dudzak. Zu personellen Konsequenzen sagte er nichts, deutete aber an, der Partei stünden schwierige interne Debatten bevor.
Auch er vermutet, dass Wähler taktisch abstimmten, um die AfD zu verhindern. Gegen rechts zu sein, bedeute nicht mehr links, sondern „gegen die AfD“ zu sein. Dudzak signalisierte aber auch Optimismus: „Wir werden uns berappeln.“ Linke Themen wie Gerechtigkeit und Frieden seien nach wie vor wichtig.
Tritt Zastrow zurück?
Bei der FDP steht offenbar ein umfassender personeller Umbruch ins Haus. Die Partei verpasste zum zweiten Mal in Folge den Einzug in den Landtag. Allerdings legte sie zu und scheiterte knapp. Generalsekretär Torsten Herbst sagte: „Klar ist, dass es kein Weiter-So gibt.“ Bei einer Vorstandssitzung der sächsischen Liberalen stehe die Wahlauswertung am Montagabend im Fokus. Herbst betonte, er wolle dem nicht vorgreifen. Als wahrscheinlich gilt, dass FDP-Chef Holger Zastrow nach 20 Jahren an der Spitze der Landespartei diesen Posten zur Verfügung stellt.