Von Willi Germund
Als der ehemalige Bundeswehroffizier Stephan Gerres im vergangenen Jahr zum ersten Mal seinen Fuß in die Fabrikhalle von Padmini Engineering in dem kleinen Flecken Dhankot irgendwo hinter dem Flughafen von Neu Delhi setzte, hatte er sich gründlich vorbereitet. Der Diplomingenieur übernahm die Leitung der indischen Filiale des deutschen Mittelständlers Hella. Er wusste, dass sich das 1,2 Milliarden Einwohner zählende Land wirtschaftlich öffnet und acht Prozent Wirtschaftswachstum Geschäftsmöglichkeiten bereithalten, wie man sie bisher von Indien nicht kannte.
Nach einer Versuchsreihe der Firma, die in Indien „Hörner“ produziert – wie der Fachmann Hupen nennt – merkte Gerres, welche Herausforderungen noch in Indien warten. Ein motorisierter Inder, so das Ergebnis der Studie, hupt pro Kilometer etwa fünf Mal, also 250 000 Mal auf 50 000 Kilometern. Einen solchen Härtetest müssen „Hörner“ wohl nirgends sonst auf der Welt aushalten.
Anderer Verhandlungsstil
Stephan Gerres musste selbst zwei andere Tests bestehen. „Die Geschäfts- und Verhandlungsmentalität in Indien ist völlig anders als wir gewohnt sind,“ sagt er und führt ein Beispiel an: „Sie denken, sie haben eine Vereinbarung getroffen und beim Hinausgehen wird noch ein neuer Punkt angesprochen.“ Der Manager spricht aus Erfahrung. Denn Hella trennte sich nach jahrelanger Zusammenarbeit von seinem indischen Partner, weil die Zukunftsperspektiven nicht mehr zusammenpassten. Padmini Engineering sollte nach dem Willen der Deutschen zukünftig nicht mehr nur den indischen Markt bedienen, sondern auch nach Südostasien exportieren. Der Geschäftspartner zeigte wenig Interesse an der Entwicklung, ihm waren die kurzfristigen Profite wichtiger. „Ich kann jedem nur abraten, in Indien ein Gemeinschaftsunternehmen einzugehen“, sagt auch Bodo Rasler, der mit vielen Jahren Auslandserfahrung gewappnete Manager von „Dr. Willmar Schwabe“. Dessen homöopathische Arzneien finden in Indien reißenden Absatz. „In Branchen, in denen 100 Prozent Auslandsinvestitionen erlaubt sind, gibt es auch keine Notwendigkeit für einen Partner“, fährt der Geschäftsmann fort.Rasler wie auch Gerres können ganze Litaneien von Problemen aufzählen, die sie bei Treffen mit anderen Mittelständlern aus Deutschland hörten.
Gehälter steigen zweistellig
Ein indischer Kompagnon soll sogar Zollbeamte in der Metropole Bombay bestochen haben, die auch Indiens größten Hafen besitzt. Zweck der Schmiergeld-Aktion: Er wollte die Auslieferung von dringend benötigten Rohstoffen an die deutschen Partner verhindern.
Rasler und Gerres sind überzeugt, dass ein Neueinstieg in Indien auch ohne einheimische Geschäftspartner gelingen kann. „Es gibt genug qualifizierte Inder, die man einstellen kann und die auch loyal gegenüber dem Unternehmen handeln,“ sagt Rasler. Indiens Wirtschaftswachstum gepaart mit einem massiven Konsumboom der Mittelklasse haben das Interesse vieler ausländischer Unternehmen geweckt. Während die Gehälter für ausgebildetes Personal jährlich teilweise bis zu 14 Prozent steigen, stagnieren die Löhne für unausgebildetes Personal. Denn immer noch leben 80 Prozent aller Inder von weniger als zwei US-Dollar (rund 1,67 Euro) pro Tag. Sie sind froh, überhaupt Arbeit zu finden.
Gerres warnt davor zu glauben, ein Engagement in Indien sei ein Selbstläufer: „Es wird langsam eng hier. Man sollte sich genau überlegen, warum man kommt und wissen, ob man für den lokalen Markt oder für den Export produzieren will.“ Prinz Luitpold von Bayern hat sich entschieden. Seine Kaltenberg-Brauerei wird sich auf den indischen Markt wagen. Trotz aller Warnungen entschied sich der Bayer für ein Gemeinschaftsunternehmen.