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Alles und noch ein bisschen mehr

Seit fast 25 Jahren gibt es Leos Landwaren in Oberschmuschütz. Der 79-jährige Betreiber denkt noch lange nicht ans Aufhören.

Von Jürgen Müller
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Drei Generationen im Familienbetrieb Leos Landwaren: Hartmut Leonhardt, Enkel Florian und Tochter Kati. Nächstes Jahr besteht die Firma 25 Jahre. Ans Aufhören denkt der 78-jährige Chef aber noch lange nicht.
Drei Generationen im Familienbetrieb Leos Landwaren: Hartmut Leonhardt, Enkel Florian und Tochter Kati. Nächstes Jahr besteht die Firma 25 Jahre. Ans Aufhören denkt der 78-jährige Chef aber noch lange nicht. © Claudia Hübschmann

Diera-Zehren. Sie nennen ihn Leo. Hier ein Gruß, da ein kurzes Schwätzchen. Dabei ist Leo in Eile. „Ne halbe Stunde habe ich, dann muss ich nach Dresden, Waren holen“, sagt Leo, der mit richtigem Namen Hartmut Leonhardt heißt. 

Der 78-Jährige ist ein Wirbelwind, sein Alter ist ihm nicht anzumerken. Er ist der Chef von „Leos Landwaren“ in Obermuschütz. „Hier gibt es alles, was man auf dem Dorf so braucht“, sagt er selbstbewusst. 

Wer sich in dem großen Laden umschaut, der muss ihm widersprechen. Hier gibt es nicht nur alles, sondern noch ein bisschen mehr. Obst-, Gemüse- und Blumenpflanzen, Nägel, Schrauben, Werkzeuge, Lebensmittel, erzgebirgische Volkskunst, Düngemittel, Werkzeug, Geschirr, Getränke, Spielzeug bis hin zum Kaninchenstall. 

Und ja, auch Schnaps. „Sie glauben gar nicht, wie viel Schnaps hier über den Ladentisch geht“, sagt er und lacht. Und fügt gleich fast entschuldigend hinzu: „Wenn wir ihn nicht verkaufen, dann macht es jemand anders.“

Seit fast 25 Jahren gibt es Leos Landwaren. Zwar direkt an der B 6 in Obermuschütz gelegen, aber doch etwas versteckt hinter der Tankstelle , ist der längst mehr als nur ein Geheimstipp. „In der Saison haben wir hier 300 Kunden am Tag, da kommst du kaum hinterher mit Ware einräumen“, sagt Leo. 

Die Kunden kommen nicht nur aus den umliegenden Orten, sondern aus Meißen, Riesa, Lommatzsch bis hin zum Erzgebirge. Die Firma ist ein klassischer Familienbetrieb. Seine Tochter Kati ist hier angestellt ebenso wie sein Enkel Florian. Der Schwiegersohn und Leos Frau helfen zeitweise auch mit.

Nicht auf dem Sofa liegen

Hartmut Leonhardt ist staatlich geprüfter Landwirt, hat in der LPG gearbeitet, war auch acht Jahre lang im Norden der DDR eingesetzt. Nach der Wende wurde die LPG abgewickelt. Hartmut Leonhardt war der Chef von 45 ABM-Leuten, welche die Lagerbestände des Landwirtschaftsbetriebes verscherbelten. 

„Es war unglaublich, was die alles gehortet hatten“, sagt der 78-Jährige. Nach der ABM hätte er mit 60 Jahren in Rente gehen und den lieben Gott einen frommen Mann sein lassen können. Doch er dachte gar nicht daran. „Ich bin doch keiner, der den ganzen Tag auf dem Sofa hockt“, sagt er. Und kommt auf die Idee, einen Landwarenhandel aufzumachen. 

Gesagt, getan, mietet er die alten LPG-Hallen an. Später, als der Penny-Markt zumacht, möchte er auch diese Räumlichkeiten noch haben. „Aber meine Tochter wollte, dass es ein kleiner Laden bleibt“, sagt er. Klein ist hier relativ mit rund 600 Quadratmetern. Dennoch erweitert er nicht nur nach und nach das Sortiment, sondern auch die Verkaufsfläche. Vor ein paar Jahren lässt er einen Wintergarten bauen, in dem jetzt unter anderem Pflanzen verkauft werden. 

„Sonst kam man ja abends mit dem Rein- und morgens mit dem Rausräumen gar nicht mehr hinterher“, sagt er. Und bekommt mächtig Ärger. Obwohl den Wintergarten eine Fachfirma baut, sagt ihm niemand, dass er dafür eine Baugenehmigung braucht. Prompt bekommt er eine Anzeige, muss ein Ordnungsgeld bezahlen und die Baugenehmigung nachreichen. Die kostet richtig Geld.

Für den 78-Jährigen gibt es eine Sechs-Tage-Woche, von 8 bis 19 Uhr ist der Laden geöffnet. Das Geschäft läuft gut. „Ich kann alles bezahlen, habe keine Schulden. Klar, reich wird man dabei nicht“, sagt er. Dass es so gut läuft, er einer der letzten Einkaufsmöglichkeiten auf der linkselbischen Seite von Zehren ist, führt er auch darauf zurück, dass er viele Stammkunden hat, die Qualität schätzen. „Wir machen hier keine Sonderangebote, sondern bieten immer alle Waren zu einem vernünftigen Preis an“, erklärt er seine Strategie. Und hat doch ein Problem. Rund die Hälfte seiner Kunden sind im Rentenalter, sie sterben nach und nach weg. „Bei jedem Todesfall trauern wir mit“, sagt er.

Die Tochter muss noch warten

Die allermeisten Produkte, die es in Leos Landwaren gibt, stammen aus der näheren Umgebung: Eier und Eierlikör aus Großenhain, Kartoffeln und Gemüse aus Ostrau, Blumen aus Meißen. Manches hat er aber auch von weit her herangeschafft. Heu zum Beispiel aus Rumänien, weil es in Deutschland keines mehr gab wegen des langen, trockenen Sommers. „Das hat natürlich seinen Preis. Aber es ist gute Qualität, und die Bauern in Rumänien sind froh, dass sie es uns verkaufen können“, sagt Hartmut Leonhardt.

Nun ist es doch ein längeres Gespräch geworden. Hastig schlürft er seinen Kaffee im angrenzenden Imbiss „Am Funkturm“ aus, setzt sich in sein Auto. Nächstes Jahr, wenn die Firma 25 Jahre besteht, ist er 80. Bis 85 will er weitermachen, wenn es die Gesundheit zulässt. Tochter Karin, die den Laden übernehmen soll, muss also noch ein bisschen warten. Denn ans Aufhören denkt er noch lange nicht. „Was soll ich denn den ganzen Tag zu Hause machen“, sagt er.