Es war für die Gefängnisdruckerei in Waldheim ein lukrativer Auftrag. Alle Abituraufgaben für die sächsischen Schüler wurden seit 1993 hinter den JVA-Mauern gedruckt. Drei Jahre später gab es zum ersten Mal Hinweise über Unregelmäßigkeiten beim Abitur. Zwei Schülern des Martin-Luther-Gymnasiums in Hartha war eine Täuschung beim schriftlichen Abitur im Fach Biologie nachgewiesen worden. Den Korrektoren war aufgefallen, dass die Antworten dem sogenannten Erwartungsbild – einer Art Musterlösung, die den Lehrern die Korrektur erleichtern soll – auffällig ähnelten. Im Laufe der Ermittlungen konnte aber nicht nachgewiesen werden, dass die Schüler ihre Quelle im Waldheimer Gefängnis hatten. In der Konsequenz wurde trotzdem das Sicherheitskonzept für die Druckerei überarbeitet. Außerdem wurden Häftlinge oder Vollzugsbeamte, die Kinder in einer Abiturklasse hatten, seither aus der Druckerei abgezogen, bevor die Prüfungsunterlagen per Kurier aus dem Ministerium ins Gefängnis gebracht wurden.
Im Jahr 2000 kam es zum nächsten Betrugsskandal. Während die Schüler über ihren Abiturprüfungen brüteten, ging der Hinweis ein, dass einige Schüler die Aufgaben samt Lösungen gekauft haben. An mehreren Gymnasien in Sachsen meldeten Korrektoren, dass die Lösungen der Schüler teilweise bis in die kleinste Formulierung mit dem Erwartungsbild übereinstimmen. Fieberhaft wurde zunächst nach einer undichten Stelle im Ministerium gesucht – ohne Ergebnis. Dann geriet wieder die JVA-Druckerei in Waldheim ins Visier der Ermittler.
Es wurde vermutet, dass ein Sträfling die geheimen Unterlagen als Gerichtsakten getarnt im Sprechzimmer des Gefängnisses an einen Besucher übergeben hat. Über einen Mittelsmann sollen die Abitur-Unterlagen dann an die Schüler verkauft worden sein. 2001 stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen zwei Tatverdächtige aus der JVA jedoch ein. Elf sächsischen Schülern wurde trotzdem das Abitur aberkannt. Die Arbeiten der Schüler in den Fächern Biologie, Geschichte, Mathematik und Deutsch enthielten nach Ansicht der Experten Auffälligkeiten und Widersprüche, die ohne vorherige Kenntnis der Lösungen oder erwarteten Antworten nicht erklärbar seien, begründete der damalige Kultusminister Matthias Rößler die Entscheidung. Gleichzeitig gab er bekannt, dass nicht mehr in der JVA Waldheim gedruckt wird, weil der Ort aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit nun nicht mehr geheim sei. Aus Sicherheitsgründen wird der derzeitige Herstellungsort nicht verraten. (pz)