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Ostern im alten Bautzen - mit ADAC-Strahlenfahrt und Fox tönender Wochenschau

Heute ist Bautzen die Osterstadt in Sachsen, aber wie fing das alles an? Ein Zeitungbericht von 1932 zeichnet ein unterhaltsames Bild von den Anfängen des Ostertourismus (mit Video).

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Die Bautzener Osterreiter vor den Toren von Bautzen. Die Aufnahme stammt von einer historischen Postkarte. Diese wurde 1936 verschickt.
Die Bautzener Osterreiter vor den Toren von Bautzen. Die Aufnahme stammt von einer historischen Postkarte. Diese wurde 1936 verschickt. © Privatsammlung

Der Redakteur des „Bautzener Tageblatts“ ist wie berauscht. Euphorisch berichtet er Ostern 1932 über den Ansturm der Gäste, das Osterreiten und das Eierschieben auf dem Protschenberg. Es ist das Jahr, in dem der Oster-Tourismus nach Bautzen seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Sächsische.de dokumentiert den unterhaltsamen Augenzeugenbericht hier in einer leicht gekürzten Fassung.

"Es war in der Tat ein Osterspaziergang im großen, den unsere Stadt zum Osterfest 1932 erlebte. Ein gewaltiger Osterspaziergang, der geboren war aus der Freude am nahenden Frühling und am erwachenden Leben. Getragen auch von der Freude an den Schönheiten der deutschen Heimat und der Liebe zu den alten Sitten und Bräuchen, die zu den Besonderheiten Bautzens gehören.

Tausende und Abertausende von nah und fern beteiligten sich an dieser Osterwanderung, die Bautzener Bürger voller Stolz und Heimatliebe, die auswärtigen Gäste voll Interesse für die Dinge, die da kommen sollten und voller Begeisterung für die Schönheiten und Sehenswürdigkeiten unserer Stadt. Man wird wohl nicht zu hoch greifen, wenn man die Zahl der Besucher (…) auf insgesamt 30- bis 40.000 veranschlagt.

Strahlenfahrt des ADAC

Verschiedene günstige Umstände wirkten zusammen, um dem diesmaligen Osterfest in der Osterstadt Bautzen diesen Massenbesuch zu bringen. Den Hauptausschlag gab noch das Wetter, das sich bereits vom Karfreitag ab österlich einstellte und uns ein rechtes Frühlingsostern mit Sonnenglanz und Himmelsbläue brachte. Wer wollte da zu Hause bleiben? Und was lag schließlich näher, als sich nach Bautzen aufzumachen, der Osterstadt mit ihren altüberlieferten Osterbräuchen, die immer mehr Interesse und Verständnis finden?

Dazu kam die Strahlenfahrt des ADAC, für die die rührige Bautzener ADAC-Ortsgruppe zusammen mit dem Bautzener Verkehrsverein schon Wochen zuvor geworben hatte. Dazu kam ferner die selbstständige Werbung des Verkehrsvereins, der wieder zahlreiche Werbeartikel mit Bildmaterial verbreitet und auch seine holzgeschnitzten Osterreiter mit ihren buntgemalten und bändergeschmückten Pferden nach Dresden, Leipzig usw. gesandt hatte, um für Bautzen als Osterstadt zu werben.

Dichtes Gedränge beim Eierschieben am Bautzener Protschenberg.
Dichtes Gedränge beim Eierschieben am Bautzener Protschenberg. © Privatsammlung

Drei große Filmgesellschaften

Ein stark anziehender Moment lag weiter darin, dass die Bautzener Osterbräuche, die im Vorjahre der Rundfunk anschaulich geschildert hatte, diesmal im Tonfilm aufgenommen werden sollten. Es waren nicht weniger als drei große Filmgesellschaften mit ihren Aufnahmewagen erschienen: „Fox Tönende Wochenschau“, die Ufa und die“Emelka“. (…)

Bereits der Ostersonnabend zeigte einen überaus lebhaften Straßenverkehr. Feierlich klangen abends 6 Uhr die Osterglocken. Und das Posaunenblasen auf dem Proitschenberge, das dem Osterfest ebenfalls einen stimmungsvollen Auftakt gibt, hatte bereits eine nach Tausenden zählende Besucherschar zu verzeichnen.Den Hauptzustrom brachte dann bei strahlendem Sonnenschein der Ostersonntag.

Auto auf Auto und Omnibus auf Omnibus rollte heran. Mit der Eisenbahn, mit Krafträdern und Fahrrädern kamen Tausende und Abertausende von Ostergästen herbei, und das alte Bautzen bot im leuchtenden Glanz der Ostersonne, mit wehenden Fahnen und Wimpeln und über die Hauptzufahrtsstraßen gespannten Willkommensschildern ein gar festlich-einladendes Bild. Vom frühen Morgen an setzte bereits die Völkerwanderung nach dem Proitschenberge ein, und ohne Mittagspause währte das lustige Treiben des Eierschiebens bis in den finsteren Abend.

Festzug der Bäcker und Fleischer

Wohl über 10.000 Zuschauer säumten die Straßen und Plätze, als von der Liebfrauenkirche aus das Osterreiten seinen Anfang nahm. Rund 60 stattliche Reiter auf prächtig geschmückten Rossen hatten sich eingefunden, um an dem frommen Brauche der Osterprozession teilzunehmen. Die Pferde mit ihren wehenden Mähnen, dem reich verzierten Zaumzeug, den bunten Satteldecken und den farbigen Schwanzschleifen boten einen reizvollen Anblick.

Von 11 Uhr an erfolgte das Stellen der Reiter. Nach einmaligem Umreiten der Kirche wurden den Spitzenreitern unter feierlicher Zeremonie die heiligen Insignien, Banner, Kruzifix und Auferstehung ausgehändigt. Alsdann wurde die Kirche unter Glockenton, Orgelklang und Gesang noch zweimal umritten, wobei die Filmoperateure reichlich Gelegenheit hatten, Bild und Klang auch für spätere Zeiten festzuhalten. Über Kornmarkt und Kronprinzenbrücke zog darauf die bunte Kavalkade hinaus aufs Land (…) dem Ziele Radibor zu.Inzwischen wandte sich das Publikum der Blasmusik auf dem Hauptmarkt zu oder dem Eierschieben, das noch nie einen derartigen Vormittagsverkehr aufzuweisen hatte, oder man besichtigte unter sachkundiger Führung die Sehenswürdigkeiten der Altstadt. (…)

Der Eierjokel (links) - ein Bautzener Original auf einer Fotografie von 1900, rechts: reiche Beute beim Eierschieben.
Der Eierjokel (links) - ein Bautzener Original auf einer Fotografie von 1900, rechts: reiche Beute beim Eierschieben. © private Sammlung

Mit Rücksicht darauf, dass in den Vorjahren von verschiedener Seite über zu wenig Handlung beim Eierschieben geklagt worden war und ferner im Hinblick auf die Tonfilmaufnahmen hatte sich der Bautzener Verkehrsverein eine gewisse Ausgestaltung des Eierschiebens angelegen sein lassen. Er hatte dabei in erfreulicher Weise von verschiedenen Seiten schätzbare Unterstützung erfahren. So hatte sich Herr Lehrer Zeibig mit seiner Singschar – verstärkt durch einen Mädchenchor – in den Dienst der guten Sache gestellt. Er steuerte verschiedene Gesangvorträge bei, darunter (…) wiederholt das Lied vom Eierschieben von dem bekannten Dresdner Schriftsteller Kurt Arnold Findeisen, der es sich nicht hat nehmen lassen, sich abermals zu dem von ihm sehr geschätzten Volksbrauche einzufinden.

Ferner hatten die Bäcker- und Fleischer-Innung in entgegenkommender Weise ihre Unterstützung zugesagt und sich entschlossen, einen alten Brauch wieder aufleben zu lassen, der früher regelmäßig geübt wurde. Die Lehrlinge beider Innungen rückten geschlossen in ihrer schmucken Berufstracht an und beteiligten sich aktiv am Eierschieben, indem sie allerhand Backwerk, Wurstwaren verschiedener Art (Grützewürste, Brühwürstchen usw.) den Hang hinabwarfen.

Rückkehr des Eierjokel

Eine große, von Alt und Jung freudig aufgenommene Überraschung war das Wiederauftreten des Bautzener Eierjokels, der vor dem Kriege zu den bekanntesten und beachteten Bautzener Straßentypen gehörte. Zwar war es nicht derselbe Eierjokel, denn der Tauben- und Eierhändler Zieschank aus Cölln bei Radibor ruht nun schon seit über 20 Jahren unter dem kühlen Rasen. Aber er hatte in Herrn Domaschke von der Strehlaer Straße einen ganz ausgezeichneten Nachfolger gefunden, der treulich Aufmachung, Gang und Wesen des Eierjokels darzustellen wusste.

Unzählige Ausrufe der Überraschung und der Freude begrüßten ihn, und eben unzählige Male musste er sich auf die Platte bannen lassen. Er fand so ungeteiltes Interesse, dass man wünschen möchte, er möchte jedes Jahr zum Eierschieben wiederkehren. Lebhaft begrüßt wurde auch der wendische Hochzeitsbitter, Herr Mitrach aus Wuischke. (…) Tausende fanden sich nochmals zusammen, als die Osterreiter vom Lande zurückkehrten und durch die alten Gassen und Winkel in malerischer Gruppierung ihren Einzug hielten. Besonderes Interesse fand auch die Auflösung des Zuges an der Liebfrauenkirche.

Gäste aus allen Landesteilen

Nun sind die festlichen Klänge verrauscht, der Glanz der Ostersonne ist verschwunden, der Alltag tritt wieder in seine Rechte. Bei Einheimischen und Fremden wird aber noch lange das eindrucksvolle Erleben nachklingen, das gerade dem Ostern 1932 in der alten Osterstadt Bautzen eigen war! Soweit festgestellt werden konnte, waren Gäste aus allen Teilen des Sachsenlandes und weit darüber hinaus, aus Schlesien, Brandenburg, Thüringen, der Tschechoslowakei (…) anwesend.

Neben den Bautzener Osterbräuchen galt das Interesse der Besucher auch den Schönheiten und Sehenswürdigkeiten der alten Stadt. Viel besucht wurde der Petridom, der als Simultankirche besondere Beachtung fand. Das Museum wurde von reichlich 500 Personen besucht.

Schließlich seien diese Zeilen nicht geschlossen, ohne der Bautzener Polizei ein Wort verdienter Anerkennung zu sagen. Sie hat in aufopfernder Weise die Mühen eines anstrengenden Feiertagsdienstes auf sich genommen und mit Umsicht, Tatkraft und Hingabe die Organisation eines gewaltigen Verkehrs durchgeführt, dessen großzügige und vorbildliche Abwicklung ohne diese Mitwirkung nicht möglich wäre.

Quelle: Bautzener Tageblatt, 29. März 1932