Von Andreas Kirschke
Ralbitz/Ralbicy. „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“ vermerkt das Ökumenische Heiligenlexikon zu Fronleichnam. Der Name geht auf „fron“ („Herr“) und „lichnam“ („Leib“) zurück. Katholiken in den sorbischen Gemeinden begehen am Donnerstag, den 19. Juni, diesen Feiertag. Doch was genau steckt dahinter? Und wie können Nicht-Christen diesen Feiertag deuten?
„Er greift das Geschehen von Gründonnerstag auf“, erläutert Michal Nawka, seit 1991 Pfarrer der katholischen St. Katharina-Gemeinde Ralbitz. „Das Fest ist die Verehrung und das öffentliche Bekenntnis zu Jesus – gegenwärtig im Altarssakrament. Im Unterschied zur Osterfeier, die die Auferstehung in die Welt hinaus verkündigt, steht Fronleichnam als ein Bekenntnisfest.“ 1264 schrieb es Papst Urban IV. für die gesamte römisch-katholische Kirche fest. Papst Johannes XXII. erklärte 1317 den Donnerstag eine Woche nach Pfingsten endgültig zum Festtag. In Rom, Münster und Orvieto feierten Katholiken bereits 1264 Fronleichnam. Später kamen andere Orte hinzu. Gerade die Fronleichnamsprozession, so Theologe Dr. Manfred Becker-Huberti (Köln), versinnbildliche gelebtes Christentum.
„Das ist keine Egalität,
sondern Brüderlichkeit“
„Es ist ein Ehren, ein Preisen, ein in die Öffentlichkeit Gehen. Wir greifen sinngemäß das himmlische Hochzeitsmahl auf“, erläutert Michal Nawka die Prozession in Ralbitz. Er vergleicht sie mit einem Brautzug. Der Bräutigam ist Christus - gegenwärtig im Altarssakrament. Die Kirchengemeinde verkörpert die Braut. Jeder bekennt sich an diesem Tag zum Glauben. „Da ist keine Egalität, sondern echte Brüderlichkeit. Ob krank oder gesund, ob alt oder jung - Fronleichnam zieht sich durch alle Gruppen“, so der Pfarrer. „Hinzu kommt die Universalität. Katholiken überall auf der Welt feiern nahezu zeitgleich dieses Fest. Und das in etwa auf die gleiche Weise, aber je nach Region mit der eigenen kulturellen Ausprägung.“
In Ralbitz beginnt Fronleichnam frühmorgens um 8 mit einem festlichen Gottesdienst. Von der Kirche aus bewegt sich der Prozessionszug zur Dreifaltigkeitssäule auf dem Dorfplatz. Genau an dieser Stelle stand früher die Kirche. „Wir halten Andacht, bitten um den Segen für die Welt und die Umwelt“, erläutert der Pfarrer. Das Besondere in den sorbischen Gemeinden sind die Brautjungferntrachten. Aufwen-dig, mit viel Mühe und Geduld, kleiden Muttis und Helferinnen die jungen Mädchen zuvor an. Die diesjährigen Erstkommunion-Mädchen tragen statt der rosa Kopfschleife eine weiße Kopfschleife. Das Weiß steht seit Mose für Gott – die Farbe der Unschuld. Die Brautjungferntracht – im Sorbischen Druzka genannt – ist auch mit Blumenmotiven bestickt. „Im Grunde ist die Druzka eine Widerspiegelung der Herrlichkeit. Ein Abbild der Blüte. Ein Widerschein der Herrlichkeit Christi – ausgeschmückt mit irdischen Mitteln.“ Die jungen Mädchen und die im Anzug ebenfalls festlich gekleideten Erstkommunion-Jungen gehen unmittelbar vor dem Allerheiligsten, dem Altarssakrament, das der Priester trägt. Erwachsene aus der ganzen Gemeinde schließen sich an. Auch die Bläsergruppe der Kirchengemeinde. In sorbisch singen die Christen Anbetungs- und Lobpreislieder. „Tebje my Boha chwalimy“ („Großer Gott, wir loben dich“) hallt es etwa durch die Ralbitzer Straßen. Die Jüngsten streuen Blumen auf den Weg. „Eine Ehrerweisung an Jesus Christus im Altarssakrament.“
„Viele Auswärtige nehmen
extra Urlaub für den Tag“
In Ralbitz hat Fronleichnam lange Tradition. 1680 datiert der älteste Eintrag einer Taufe in der Pfarrei. Es ist anzunehmen, dass es seitdem auch Fronleichnams-Prozessionen im Dorf gibt. 2 500 Seelen gehören heute zur St. Katharina-Kirchengemeinde. Sie vereint Katholiken von Rosenthal bis nach Königswartha. Das Fest gilt als lokaler Feiertag. Der Freistaat erkennt es an, erlaubt dementsprechend, dass die Kinder an diesem Tag nicht zur Schule gehen. „Viele Erwachsene, die von außerhalb kommen, nehmen extra Urlaub“, erzählt der Pfarrer. „Und wer gar nicht kann, wer an diesem Tag arbeiten muss, ist dann am Sonntag bei dieser Feier dabei.“