Von Alexander Hiller
Einig sind sie sich nicht in allen Dingen. Warum auch. „Ach, war der wieder schneller“, kommentiert Jenny Elbe flapsig per SMS – als sie vermeintlich exklusiv ihre Weite vom Meeting in Dessau durchgeben will. Dieser „der“ ist Jörg Elbe. Trainer und Vater der derzeit besten deutschen Dreispringerin – und manchmal ziemlich stolz auf seine Tochter. Der 50-jährige Berufsschullehrer hatte die Presse längst telefonisch über die Weite der Athletin vom Dresdner SC informiert.
Doch ansonsten verbindet die Elbes logischerweise ein festes Band. Seit seine Tochter sich für die Leichtathletik entschieden hat, hält Jörg Elbe quasi seine schützenden Hände über das langbeinige Dreisprung-Juwel. Und das ist schon ziemlich lange her. Seit 1998 lebten Jörg und Jenny Elbe nicht nur unter einem Dach, sondern begegneten sich auch ständig beim Training. Das birgt freilich auch die Gefahr, dass sich hemmende Routine einschleift. „Es gab mal Zeiten, da hatte das für Jenny auch Nachteile“, gibt Jörg Elbe unumwunden zu.
Der ehemalige Weltklasse-Dreispringer, dessen Bestweite von 17,30 m immer noch Sachsenrekord bedeutet, hat den Bogen damals wohl etwas überspannt. „Wenn wir vom Training mit dem Auto gemeinsam nach Hause gefahren sind, habe ich da oft schon Dinge ausgewertet, Fehler angesprochen. Das hielt Jenny davon ab, den Kopf auch mal freizubekommen“, gibt Jörg Elbe zu. Das Verhältnis war beinahe erdrückend geworden.
Das hat sich geändert, als Jenny Elbe Ende 2011 in eine eigene Wohnung zog. „Papa sagt, dass ich dadurch in der Persönlichkeitsentwicklung einen Schritt nach vorn gemacht habe. Man hat abends nicht mehr die Gespräche, wenn etwas schiefgelaufen ist. Ich kann nun nach Hause kommen und mich mit anderen Dingen beschäftigen“, sagt die Studentin für Lebensmittelchemie. Jennys Auszug war ein Einschnitt. „Es war nicht so, dass ich laut Hurra geschrien hätte“, bestätigt der Papa, „doch letztlich war das ein entscheidender Schritt, der viele Dinge reguliert hat.“
Für Jenny Elbe möglicherweise den weiteren Weg nach oben. Mit 14,20 m ist die 24-Jährige in dieser Saison so weit gesprungen wie nie zuvor. Damit erfüllte sie die Norm für die Leichtathletik-EM in Zürich. Am Wochenende vertritt sie Deutschland bei der Team-EM in Braunschweig. Dabei möchte die Weltranglisten-Neunte zeigen, dass sie 14 Meter, die Schwelle zur Weltklasse, stabil anbieten kann. „Ich will nicht immer um diese Marke kämpfen, sondern zeigen, dass ich den Anforderungen gewachsen bin, immer darüber zu springen“, sagt die zweifache deutsche Meisterin.
Für diese neue Qualität ist auch die enge Partnerschaft zum Coach ein Schlüssel. Jenny hat beispielsweise für die Trainingspläne volles Mitspracherecht. „Ich soll immer Rückmeldung geben, wie ich mich fühle, was ich brauche. Wenn ich merke, wir müssen an der Kraft arbeiten, dann trainieren wir mehr Kraft. Ich muss mich selbst so gut einschätzen können, dass ich der Bestimmer in der Trainingseinheit bin“, sagt Jenny selbstbewusst.
Natürlich lässt sich der Trainer nicht überall reinreden. „Bestimmte Dinge müssen sein – zum Beispiel die Ausdauer“, unterstreicht Jenny Elbe. Und ihr Vater „ist für jeden Tag dankbar, den ich mit meiner Tochter verbringen kann“. Er leidet mit, wenn es seiner besten Athletin schlecht geht. „Ich würde Jenny nie verheizen, weil ich auch nicht auf Gedeih und Verderb davon abhängig bin, ob wir Erfolg haben oder nicht“, sagt Jörg Elbe. Er klingt dabei so, als wolle er seinen Schützling am liebsten vor allen Unbilden dieser Welt beschützen.
Möglicherweise ist die professionelle Zusammenarbeit zwischen Tochter und Vater aber auch endlich. Im Profisport wird gern mal der Trainer infrage gestellt, wenn es nicht wie gewünscht läuft. „Wenn Jenny sich für einen anderen Trainer entscheiden würde, müsste ich in ihrem Sinne diesen Batzen schlucken“, sagt Jörg Elbe leise. Die Familie würde das nicht entzweien.
Ohnehin ist die Aufkündigung dieses ungewöhnlichen Familien-Paktes nicht sehr wahrscheinlich, angesichts des jüngsten Leistungssprungs purer Nonsens. „Es gäbe auch nicht so viele Möglichkeiten, wo man sich hinwenden könnte. Gute Dreisprungtrainer gibt es in Deutschland nicht wirklich viele. Auch was neue Reize angeht, sind wir immer offen“, betont Jenny Elbe. Klingt nach Einigkeit. Bis zur Weitergabe der nächsten Wettkampf-Daten.