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Altartücher für Mecklenburg

Ulrike Vogelsang hat sich zur „Gestalterin im Handwerk“ weitergebildet. Ihre Arbeit ist für eine Kirche in Weitenhagen bestimmt.

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Von Roger Dietze

Seide in 13 verschiedenen Farben und appliziert auf Wollfilz, dazu 43 verschiedenfarbige, insgesamt 700 Meter lange Stickgarne: Ulrike Vogelsang hat ein wahres Kunstwerk geschaffen. Wer einen Blick auf die Paramente genannten Altartücher der Niederwiesaerin wirft, der erkennt sofort, dass hier jemand mit ebenso viel Sachverstand wie Leidenschaft am Werke war. Ulrike Vogelsang hat die Textilien für die Abschlussprüfung ihres dreijährigen Aufbaustudiums „Gestalter im Handwerk“ bei der Handwerkskammer zu Leipzig entworfen.

Aufgewachsen mit Nadel und Faden

Dabei musste sich die Einrichtungsberaterin lange gedulden, bis sie ihre Leidenschaft zum Beruf machen konnte. „Meine Mutter hat als gelernte Schneiderin vieles für uns angefertigt und in mir das Interesse an der Handarbeit geweckt. Deshalb habe ich nicht nur sehr zeitig zu nähen begonnen, sondern bin quasi mit Nadel und Faden in allen erdenklichen Techniken aufgewachsen“, erinnert sich die 51-Jährige. Da sie jedoch in der DDR keinen kreativ-handwerklichen Beruf ergreifen durfte, machte Ulrike Vogelsang eine Lehre zur Bauzeichnerin. Später qualifizierte sie sich zur Bauingenieurin weiter und arbeitete im Anschluss daran rund zehn Jahre in der Projektierung eines Dresdner Ingenieurbüros.

Als sie ihren Mann kennenlernte, der die Nachfolge in einem alteingesessenen Chemnitzer Raumausstatterbetrieb angetreten hatte, gab Ulrike Vogelsang ihren erlernten Beruf auf – und wagte den Einstieg in die Branche ihres Mannes. „Auf der Basis meiner ’häuslichen‘ Grundlagen und vieler Lehrgänge habe ich die Gardinenabteilung aufgebaut. Dabei hat es mir sehr viel Freude bereitet, interessante Fenstergestaltungen und Möblierungsvorschläge zu entwerfen und umzusetzen“, berichtet die Niederwiesaerin. Als große Herausforderung habe sich dabei erwiesen, Kunden unabhängig von eigenen Geschmacksempfindungen zu beraten.

Als Konsequenz aus diesen Gesprächen nahm Ulrike Vogelsang eine Ausbildung zur Wohnberaterin in Angriff. Dank des angeeigneten Wissens konnte sie sich als Einrichtungsberaterin selbstständig machen. Seit 2006 besucht sie Kunden und macht Vorschläge, wie deren vier Wände schöner gestaltet werden können.

Um ihre gestalterische Kompetenz zu vertiefen, wagte sie sich schließlich vor gut drei Jahren an besagtes Aufbaustudium „Gestalter im Handwerk“ am Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer zu Leipzig. „Bei diesem interdisziplinären Studiengang habe ich nicht nur verschiedene Zeichen- und Darstellungstechniken in der Tiefe ausführlicher kennengelernt“, berichtet die frischgebackene „Gestalterin im Handwerk“. „Ich wurde auch zum Blick über den Tellerrand angeregt und habe interessante Einblicke bekommen, wie andere Teilnehmer an ihre schwierigen Aufgaben herangehen“, sagt sie.

Ulrike Vogelsang wählte für ihre Abschlussarbeit ein anspruchsvolles Thema. Für eine gotische Kirche im mecklenburgischen Weitenhagen, die im Zuge der Restaurierung auch moderne Elemente erhalten hatte, wollte sie Paramente gestalten. Dafür sei es nötig gewesen, „alle bekannten Lösungen fallenzulassen und einen neuen Gestaltungsansatz zu finden. Für den ausgefallen gestalteten Altar habe ich asymmetrische, transparente Behänge gefertigt, die die liturgische Farbigkeit durch das Motiv wiedergeben“, beschreibt sie ihr „Meisterstück“.

Nun, da das Altartuch fertig ist, bleibt der Niederwiesaerin nicht nur die Gelegenheit, sondern auch das Bedürfnis, Danke zu sagen: Weder Abschlussarbeit noch Aufbaustudium seien ohne die Unterstützung ihrer Familie denkbar gewesen. „Sie hat mir immer den Rücken freigehalten“, sagt sie. (FP)