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Alte Klasse im neuen Gewand

Turnerin Oksana Tschusowitina überlistet weiter ihr Alter und bricht wieder alle Rekorde.

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Cottbus. Auswahlturnerin Sophie Scheder blieb vor Staunen fast der Mund offen. Nicht so sehr über ihren fünften Rang am Stufenbarren. Eben hatte Oksana Tschusowitina beim Sprung ihren zwölften Sieg beim Cottbuser Turnier der Meister eingefahren. Mit dem für turnerische Verhältnisse gesegneten Alter von 37 Jahren. „Das ist so unglaublich“, sagte Scheder. Die 16 Jahre alte Schülerin aus Chemnitz könnte die Tochter von Tschusowitina sein.

Nie zuvor hat eine Turnerin so oft an einem internationalen Ranglisten-Turnier teilgenommen. Als sie 1989 in der damals übermächtigen UdSSR-Riege zum ersten Mal in der Lausitz ihre Visitenkarte abgegeben hatte, war das kleine Mädchen aus Buchara gerade mal 13 Jahre alt. „Mit ihren physischen Voraussetzungen wird sie noch vier, fünf Jahre turnen können, wenn sie will“, sagte Boden-Sieger Matthias Fahrig.

Das Lausitzer Turn-Publikum begrüßte sie auch diesmal mit viel Applaus – obwohl die nur 43 Kilogramm leichte Tschusowitina seit Jahresbeginn für Usbekistan startet. Für wohl keinen anderen Sportler der Welt sind vier unterschiedliche Hymnen auf dem Siegerpodest gespielt worden. Tschusowitina bricht alle Rekorde. „Sie geht als Wunder in die Geschichte ein“, sagte Bundestrainerin Ulla Koch.

Im Jahr 1990 gewann sie als 15-Jährige das erste Mal mit der sowjetischen Riege den Europameister-Titel, wurde 1992 mit dem UdSSR-Nachfolger GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) Olympiasiegerin in Barcelona. Später startete sie für ihre Heimat, die unabhängig gewordene frühere Sowjet-Republik Usbekistan. Und als ihr Sohn Alisher lebensgefährlich an Leukämie erkrankt war, zog Tschusowitina wegen der besseren Behandlungsmöglichkeiten nach Deutschland. Die Behandlung bezahlte sie mit ihren Preisgeldern. Sie lebt noch heute in Pulheim-Brauweiler.

Mit der deutschen Staatsbürgerschaft ab 2006 waren Medaillen für die deutschen Frauen wieder garantiert. „Auch wegen dieser großen Verdienste haben wir ihrem Wunsch entsprochen, dass sie noch einmal für Heimatland starten kann“, erklärte DTB-Sprecher Torsten Hartmann den nochmaligen Nationalitäten-Wechsel.

Ans Aufhören denkt die Grande Dame des Turnens noch immer nicht. Sie will weiter das biologische Alter überlisten. „Turnen ist mein Leben. Ich trainiere jeden Tag drei Stunden“, sagte sie . Sogar ein Start bei Olympia 2016 in Rio ist denkbar. „Alles ist möglich“, sagte Tschusowitina. Das Motto passte bisher hervorragend zu ihrer außergewöhnlichen Karriere. (SZ/bn)