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Alterspräsident ist neidisch auf die Jugend

Engagierte Schülerräte, Jugendparlamente und Vereine auf der einen Seite, Studien über die desinteressierte und desillusionierte Jugend auf der anderen. Ein Widerspruch? Vielleicht. Zu einer endgültigen...

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Von Markus Tichy

Engagierte Schülerräte, Jugendparlamente und Vereine auf der einen Seite, Studien über die desinteressierte und desillusionierte Jugend auf der anderen. Ein Widerspruch?

Vielleicht. Zu einer endgültigen Antwort auf diese Frage jedenfalls fanden die jungen und älteren Besucher beim „Treffen der Generationen“ in der Politik-Lounge von Jusos und Treibhaus-Verein gestern Abend nicht. Anregend, ermutigend und gesättigt von interessanten Ansichten war das Gespräch im Café Courage aber dennoch. Dazu trug nicht zuletzt der prominente Gast der Veranstaltung bei – der Alterspräsident des Sächsischen Landtags Cornelius Weiss (SPD).

Den „Knacker“, wie sich der 72-Jährige selbst einführte, zieht es seit Jahren immer wieder zu Veranstaltungen mit politisch und gesellschaftlich agilen jungen Leuten. Zum einen aus Begeisterung an der Fantasie und Beweglichkeit dieser Jugend, zum anderen auch aus Neid auf die Möglichkeiten, die Weiss als jungem Menschen versagt geblieben seien. „Wäre ich nochmal jung, wäre ich nicht wieder Chemiker geworden, sondern würde heute als Altrocker auf der Bühne stehen. Sicher mehr gelitten als bewundert“, scherzte der heimliche Rock‘n‘Roller.

Verdrossenheit unter Jugendlichen findet Weiss grundsätzlich nicht schlimm, sofern es sich nicht um die unproduktiven Verdrossenheiten der Marke „Die Welt ist schlecht“ und „Schön anpassen“ handle. Produktiv und gut sei nur die Unzufriedenheit, die den Willen zu Veränderungen auslöst. „Solange es produktive Kerne gibt, ist die Gesellschaft nicht verloren.“

Dass viele Jugendliche unbeteiligt und gleichgültig leben, weil es ihnen an Überzeugungen fehlt, wie ein junger Redner feststellte, beobachtet auch Weiss. Es mangle an Menschen, die einen Kompass haben, sagte er. Menschen ohne diesen religiös, politisch oder wie auch immer motivierten Wegweiser reihen sich ins Heer der Opportunisten ein. Ebenso wie die anwesenden Jugendlichen hat auch Weiss Angst davor, dass eines Tages wieder ein (Ver)führer kommt, der die Gleichgültigen hinter sich schart.

Einig waren sich die Gesprächspartner in der Runde, dass es in einer Gesellschaft so etwas wie eine „Kultur des sich Einbringens“ gibt, wie es Henning Homann formulierte, die im Elternhaus und in der Schule erlernbar sei.

Dass die Schule nicht immer der beste Ort ist, um Demokratie zu erlernen, erlebte eine Jugendliche als Schülerin am Lessing-Gymnasium. „Viele Lehrer sehen im Schülerrat nur ein Hindernis. Ich habe oft eine draufgekriegt, wenn ich mich einbringen wollte“, erzählte sie.

Einer, der versuche, junge Leute immer wieder anzustacheln, ist nach eigenen Aussagen der Fußballtrainer und Berufsschullehrer Hermann Mehner. „Wer sich einbringt, braucht einen langen Atem und immer wieder Ermunterung“, sagte er.