Von Bernhard Donke
Mit dem Projekt „Verschwundene Dörfer der Lausitz“ sind Renate Handrack und weitere Helferinnen auf den Spuren der durch den Tagebau Nochten verschwundenen Dörfer und Ortschaften. In Trägerschaft des Kreislandfrauenvereins des Niederschlesischen Oberlausitzkreises wird derzeit das alte Nochten – wie es vor dem Beginn der Teilumsiedlung und dem 1987 begonnenen Ortsteilabriss aussah – im Maßstab 1 : 250 am Modell nachgestaltet. Für den Ort Tschelln wird an einen maßstabgerechten Ortslageplan gearbeitet. Auch das Modell dieser verschwundenen Ortschaft wird nachgestaltet.
Mit dem Projekt soll die Erinnerung an die seit gut 100 Jahren dem Braunkohletagebau weichenden Dörfer und Ortschaften in der Lausitz wach gehalten werden. Mit dem Verschwinden vieler vor allem sorbischer Siedlungen hier in der Lausitz ist der Lebensraum dieser kleinen Minderheit in den letzten 100 Jahren beträchtlich geschwunden.
Einher gegangen mit dem Braunkohleabbau ist auch die Zerstörung großer Teile der heimischen Natur und der natürlichen Umwelt. Doch sollte man sich auch vor Augen halten, dass mit dem Braunkohleabbau und der Verarbeitung der Kohle zu Energie die industrielle Entwicklung der Region voran getrieben wurde.
Schwierige Informationssuche
„Wir wollen keine Nostalgie mit diesem Projekt betreiben, unser Anliegen ist es, unseren Nachkommen und den Besuchern hier in der Ausstellung zu zeigen, wie die Region um Nochten vor den beginnenden Braunkohleabbau ausgesehen hat,“ sagt Renate Handrack.
Seit drei Jahren arbeitet sie bereits als Leiterin an diesem Projekt und wird abwechselnd von Mitarbeitern, meist Frauen, unterstützt, die eine sechsmonatige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme von der Arbeitsagentur dafür bekommen haben. „Obwohl es fast so aussieht, aber es ist wirklich keine leichte Arbeit, dieses Projekt mit Leben zu erfüllen“, erklärt sie.
In der ersten Zeit des Projektes waren die Mitarbeiter vor allem auf der Suche nach Informationen und Bildmaterial. Eine Sache, die wesentlich schwerer ist, als es zunächst klingt: Denn die 37 Familien, die Nochten in den Jahren 1982 bis 1987 verlassen mussten, haben die Frauen besucht und nach ihren einstigen Häusern gefragt.
Solche Begegnungen waren sehr oft stark emotional belastet. Denn man muss bedenken, dass nicht alle, die Nochten wegen des Tagebaues verlassen mussten, dies freiwillig getan haben. Es gehörte schon manchmal sehr viel Einfühlungsvermögen dazu, die Leute zu bewegen, uns über ihre einstigen Gehöfte und Häuser Bildmaterial und Dokumentationen zu übergeben.“
Nachdem die notwendigen Angaben der einstigen Bewohner zusammengetragen und weitere Quellen erschlossen waren, erarbeiteten die Frauen zunächst man eine Bilddokumentation. Diese kann man heute in Bildern zusammengefasst in den Räumen der Begegnungsstätte ansehen.
Anschließend haben die Frauen einen maßstabgerechten Ortslageplan erarbeitet, den sie dann nur noch auf eine große Unterlage übertragen mussten. Nun konnte an den maßstabsgerechte Nachbau der 37 Höfe – die meisten davon waren Dreiseitenhöfe – gegangen werden. Aufgebaut steht jetzt das Modell von Nochten, wie es vor dem Teilabbruch 1987 aussah, im Raum der Begegnungsstätte in Nochten.
Schau macht nachdenklich
Der Anblick des Modells hat schon viele Besucher nachdenklich gestimmt. Vor allem jene, die selbst auch solch ein Schicksal wie die Nochtener Familien erleben mussten.
Bei den verschiedenen Besuchen werden der Projektleiterin immer wieder viele Fragen über den verschwundenen Teil von Nochten gestellt. Eine Frage kommt dabei besonders häufig vor: Warum sind im einstigen Nochten die Dreiseitenhöfe entlang der alten, nun auch verschwundenen Dorfstraße fischgrätenartig angesiedelt und gebaut worden?
„Eine Frage, auf die ich leider keine befriedigende Antwort geben kann“, sagt die Projektleiterin und fügt noch hinzu: „Das wissen wir selbst noch nicht, warum das so war. Aber die alten Nochtener werden sich sicher etwas dabei gedacht haben“.
Besichtigungen sind nach Vereinbarung über den Kreislandfrauenverein des NOL e.V oder telefonisch unter der Nummer 035774-30 31 8 möglich.