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Was verbirgt sich hinter dem Schaufenster?

Heidenau hat sein letztes Fotostudio verloren. Eingezogen ist eine Firma, die es seit zehn Jahren gibt. Und auch der Name der Chefin ist bekannt.

Von Heike Sabel
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Der Name bleibt: Statt Vater Bernd Walther ist jetzt Undine Walther mit ihrem Unternehmen in die Räume auf der Pirnaer Straße gezogen.
Der Name bleibt: Statt Vater Bernd Walther ist jetzt Undine Walther mit ihrem Unternehmen in die Räume auf der Pirnaer Straße gezogen. © Daniel Schäfer

Dort, wo auf der Pirnaer Straße Generationen von Heidenauern ihre Pass- und Familienfotos machen ließen, wurde die Fototechnik weggeräumt. Fotograf Bernd Walther schloss seinen Laden und sein Studio, seine Tochter Undine zog mit ihrem Unternehmen ein. Statt der Fotos im Schaufenster ziehen nun gemalte, ganz unterschiedliche Menschen die Blicke auf sich. Heidenau hat seinen zweiten und letzten Fotoladen verloren und etwas anderes gewonnen. Was hat es mit den neuen Bildern auf sich und was verbirgt sich hinter ihnen?

Erstmal ein Büro - und eine große Küche. Ein ebensolcher Tisch kommt noch dazu. Doch eine Gaststätte wird es nicht. Hier werden die zusammen essen, reden, spielen, die Undine Walther und ihre sieben Mitarbeiter vom ambulanten betreuten Wohnen betreuen. Wer das ist, was das kostet und wie das funktioniert? Fünf Fragen und Antworten. 

Wer wird beim ambulanten betreuten Wohnen betreut?

Menschen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. Familien, Kranke, Ältere, Menschen mit geistiger, körperlicher, psychischer Behinderung. So wie auf den Bildern im Schaufenster. Sie wohnen alle in ihrem Zuhause. "Wir sind die Alternative zum Heim oder anderen Wohnmöglichkeiten", sagt Undine Walther. Für sie steht das selbstbestimmte Leben der Menschen in ihrem gewohnten Umfeld im Mittelpunkt.

Wie sieht diese Betreuung aus?

So unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich und individuell ist die Betreuung und Begleitung. Sie kann das Führen des Haushaltes bedeuten oder auch nur Wäsche aufhängen, Hilfe beim Einkaufen, gemeinsame Freizeitgestaltung oder auch Unterstützung bei der Arbeit, zum Beispiel in einer Werkstatt für Behinderte oder beim Arztbesuch. Die Betreuer sind auch die Verbindung zu Ärzten, Schule oder Kindergarten. Zu vereinbarten Zeiten kommen Betreuer und Betreute dann zusammen. 

Oft sind es ganz praktische Hilfen. Wie Schilder an die einzelnen Behälter in der Küche kleben oder ein Einkaufszettel mit Fotos, der einen stressfreien Einkauf ermöglicht. Es werden auch Ausflüge in der Gruppe unternommen oder sich eben in der Küche im Büro getroffen. So soll ein bisschen auch der Vereinsamung entgegengewirkt werden. Pflege ist ausgeschlossen. Dafür sind die Pflegedienste die Partner. Es gibt aber die Kopplung, dass jemand vom Pflegedienst gepflegt und außerdem betreut wird.

Wer bezahlt diese Betreuung?

Behinderte Menschen haben einen Anspruch auf diese Hilfe. Die Bezahlung erfolgt in Form eines Budgets von unterschiedlichen Kostenträgern. Der Betroffene entscheidet also selbst, wofür er das Budget in Abstimmung mit den Betreuenden verwenden will. Menschen ab Pflegegrad Eins mit eingeschränkter Alltagskompetenz erhalten Betreuungs- und Entlastungsleistungen, über die diese Betreuung bezahlt wird. Bei der sozial-pädagogischen Familienhilfe und dem Erziehungsbeistand ist das Jugendamt der Partner.

Wie muss die Unterstützung beantragt werden?

Das erfolgt über die gerichtlich bestellten Betreuer der Menschen, deren Familienangehörige oder sie selbst. Die Anträge werden zwar von Undine Walther unterstützt, aber nicht gestellt. Die Anträge sind unabhängig vom Betreuungsunternehmen. Das kann sich jeder selbst aussuchen. Den Unterstützungsbedarf für die Familienhilfe legt das Jugendamt fest.

Wer sind die Betreuerinnen?

Die mit Undine Walther acht Frauen sind ausgebildete Erzieherinnen, Ergotherapeutinnen, Heilerziehungspflegerinnen. Neben ihrer fachlichen Ausbildung haben sie Erfahrungen im sozialen Bereich. "Für uns ist die vertrauensvolle Begegnung mit unseren Kunden auf Augenhöhe wichtig", sagt Undine Walther. Die Frauen können sich auf die individuellen Besonderheiten der Betreuten einstellen. 

Bei der Auswahl, wer wen betreut, werden auch zwischenmenschliche Nuancen beachtet. Dadurch kommt es nur selten vor, dass Betreuungen abgebrochen oder beendet werden, weil die Chemie nicht stimmt. Und auch wenn es Zeitvorgaben gibt, eine Betreuung nach Stechuhr gehe nicht. "Stattdessen gehört auch mal Kaffee trinken, sich ausheulen und danach Krönchen richten dazu", sagt Undine Walther.

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