Ameisenberg wird nahezu abgeholzt

Alf Pahlow hat sich einen festen Stand gesucht. Das ist beileibe nicht einfach an diesem steilen Abhang. Der 52-Jährige mustert die hohe Fichte direkt vor ihm und sieht sich um. Ein Stückchen unterhalb der Fichte ragt ein Felsen aus der Wand. Den darf er nicht treffen. Würde der Stamm auf den Felsen aufschlagen, wäre es unberechenbar, wohin er dann kracht. Und aIs ob das nicht schon schwierig genug wäre, frischt jetzt auch noch der Böhmische Wind auf. Alf Pahlow kneift die Augen zusammen. Ein paar Sekunden überlegt er noch. Dann setzt er die Motorsäge an.
Die Fichte fällt krachend in eine kleine Schneise - genau so, wie Alf Pahlow das wollte. Ein kreuzgefährlicher Knochenjob ist das hier oben am steilen Südhang des Ameisenbergs in Oybin. Der Forstbetrieb lässt hier, hoch über der Ortsverbindungsstraße von Olbersdorf nach Oybin, das vom Borkenkäfer befallene Fichtenholz aus dem Wald schaffen. Nur so kann noch schlimmerer Schaden verhindert werden.
Alf Pahlow schiebt das Visier an seinem Schutzhelm hoch und gibt seinem Chef unten auf der Straße ein Zeichen. Jetzt ist der Chef dran. Thomas Preußing klettert mit einer schweren Eisenkette im Schlepp den Berg hinauf. Das ist schwierig bei dieser extremen Hanglage. Er schlägt die Kette fest um das frisch geschnittene Stammende. Dann steigt er vorsichtig wieder hinunter und in den Traktor. Mit der Seilwinde zieht er die Fichte den Hang hinunter auf die Straße.
Zu zweit werden Thomas Preußing und Alf Pahlow den Hang gegenüber der Teufelsmühle nahezu abholzen. "Einer rückt, einer sägt", erklärt der Firmenchef aus Rennersdorf. Um die 40 Bäume schaffen sie am Tag. Unten auf der Straße wartet Revierförster Matthias Forgber. "Es ist jammerschade", sagt er, "aber nicht zu ändern". Noch nie in seinen mehr als 30 Arbeitsjahren als Revierförster hat er den Wald so geschädigt gesehen. Im letzten Sommer ist alles zusammengekommen: Sturmschäden, Hitze und vor allem die Trockenheit haben den Bäumen jede Widerstandskraft genommen. Ein gefundenes Fressen für den Borkenkäfer. Der hat sich ausgebreitet wie eine Epidemie. Besonders an den Hängen, wo sich die Fichten nur mühsam auf Felsgestein klammern, sind die Schäden groß. "Wir werden versuchen, die paar Buchen, Eichen und Kiefern dazwischen zu erhalten", sagt Matthias Forgber. "Aber die Fichten, die müssen alle raus."
Oben am Hang fällt der nächste Stamm krachend zu Boden. Unten auf der Straße stellt sich der Revierföster einem Kleinwagen in den Weg: "Sind Sie lebensmüde?!", brüllt er. In dem Auto sitzt eine Familie mit Kindern. Der Fahrer hat die Straßensperrung einfach ignoriert. Dabei könnte hier jederzeit ein Baumstamm außer Kontrolle geraten und nach unten donnern. "Was passiert, wenn der Ihnen aufs Auto kracht?", fragt Matthias Forgber und schüttelt ärgerlich den Kopf über so viel Unvernunft. Die Straße von Olbersdorf nach Oybin ist ja nicht umsonst gesperrt. Nur die Linienbusse dürfen durch. Thomas Preußing hat den Fahrplan im Traktor. "Wenn ein Bus kommt, machen die Männer Pause."
Bis zum Ende der Woche sollen die befallenen Fichten allesamt gefällt sein. Um die 200 Kubikmeter Holz, schätzt der Revierförster, werden sie allein von diesem Berg holen müssen. Die Stämme, die sich noch halbwegs verkaufen lassen, werden erst einmal auf einen Zwischenlagerplatz gebracht. Das stark befallene Holz und das Geäst werden gehäckselt. Der Rest geht ins Sägewerk. "Zu einem Preis, über den man nicht reden muss", sagt Forgber. Derzeit kriegen die Waldbesitzer ihr Holz nicht mal mehr für die Hälfte des sonst üblichen Preises los. Sie haben ja alle mit dem Borkenkäfer zu kämpfen und damit auch gegen die Zeit. Je schneller das geschädigte Holz aus dem Wald kommt, um so besser. Sobald die Temperaturen auf 15, 16 Grad steigen, geht die nächste Vermehrungswelle los. "Explosionsartig", weiß Forgber. Dem will der Revierförster zuvorkommen.
Den Steilhang wieder neu aufzuforsten, ist vorerst nicht geplant. "Wir hoffen, dass sich die Natur hier selber wieder reguliert" sagt der Förster und zeigt auf die vielen wild gewachsenen jungen Buchen, Fichten und Kiefern. Die sehen gesund aus und werden jetzt Platz zum Wachsen bekommen. Hoffentlich unter besseren Bedingungen.
Unten finden Sie ein Video von der Baumfällaktion.
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