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An der Karriere stricken

Nur jeder fünfte Achtklässler weiß, was er einmal werden möchte. Durch Kompetenztests soll trotzdem jeder den richtigen Beruf für sich finden.

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Von Antje Steglich

Kaum mal einen Blick heben die Achtklässler von ihrer Arbeit. Mit schnellen Handgriffen ziehen sie die Nadel wieder und wieder durch den Stoff. Sie haben sich schließlich viel vorgenommen. Die sechs Mädchen und ein Junge, die sich für die Berufsrichtung Hauswirtschaft entschieden haben, wollen an diesem Tag nicht nur ein paar bunte Stoffeulen herstellen, sondern auch noch Handytaschen häkeln und Grußkarten besticken. Zwar läuft im Hintergrund leise Musik, ansonsten ist es in dem Hauswirtschaftsraum der Anerkannten Schulgesellschaft Sachsen (ASG) aber still wie im Unterricht.

„Das Interesse steht hier im Vordergrund. Sonst wäre es sicher schwer, die Kinder zu begeistern“, erklärt Petra Roch-Kühnel, Projektkoordinatorin bei der ASG. Sie gestaltet seit neun Jahren die Berufsorientierung für die achten und neunten Klassen der Oberschule Nünchritz mit, in dieser Woche steht das sogenannte handlungsorientierte Kompetenzfeststellungsverfahren an. An vier Tagen haben die Schüler dabei die Möglichkeit, in zwei Berufsbilder theoretisch und praktisch reinzuschnuppern. Metallverarbeitung, Küche, Floristik, Farbe und Malen, Erziehung und Soziales, Handel und Lager, Chemie, Wirtschaft und Verwaltung, Hauswirtschaft, Gastronomie, Holz und Bau stehen zur Auswahl. Grundsätzlich wird dabei in jeder Fachrichtung erst noch einmal das konkrete Berufsbild vorgestellt – „auch die negativen Seiten“, betont Petra Roch-Kühnel, bevor es an die praktischen Aufgaben geht. „Es geht uns darum, dass die Kinder selbst kreativ werden und entdecken können. Sie sollen den Aha-Effekt für sich haben“, wünscht sich die Projektkoordinatorin.

Schon zu Beginn der achten Klasse hat die ASG mit den Schülern Interessenstests und eine anschließende Auswertung im Beisein der Eltern durchgeführt. Ergebnis war eine Liste mit drei konkreten Berufswünschen, die es in dieser Woche nun zu verfestigen oder zu ergänzen gilt. Begleitet werden die Kinder auch hier von Ausbildern der ASG, die die Arbeit dokumentieren und bewerten. Nächster Schritt wären dann Praktika, um den Berufswunsch einmal ganz real auszutesten, sagt Petra Roch-Kühnel. Das Konzept der ASG zur Berufsorientierung sieht vor, dass die Schüler von Beginn der achten Klasse bis Ende der neunten Klasse begleitet werden und dann hoffentlich mit einem konkreten Berufsziel die Oberschule verlassen. Eine fachliche Begleitung sei deshalb so wichtig, weil selbst Anfang der achten Klasse nur etwa 20 Prozent der Schüler überhaupt eine Vorstellung davon haben, was sie später einmal machen möchten, sagt Petra Roch-Kühnel.

Umso trauriger sei man nun bei der ASG und in der Nünchritzer Oberschule, dass die Förderung für diese besondere Form der Berufsorientierung in diesem Sommer ausläuft. Mit einer Neuauflage ist frühestens Ende des Jahres zu rechnen, man stehe in den Startlöchern.

Im Hauswirtschaftsraum sind die Eulen indes fast fertig. Die Flügel sind zwar nicht unbedingt symmetrisch, aber man merkt, hier sind keine Anfänger am Werk. „An der Schule haben wir ja schon WTH“, sagt Linda und meint das Fach Wirtschaft/Technik/Haushalt an der Oberschule. Sie selbst hat zwar noch keine endgültige Entscheidung getroffen, aber Hauswirtschaft komme in die engere Wahl.

Vor allem das Kochen und Backen hat den Schülern gefallen – es gab Osternester aus Hefeteig, das Aufräumen allerdings weniger. Dafür sind wiederum die späteren Einsatzmöglichkeiten für die Haupt- und Realschüler sehr umfangreich. Denn im Prinzip lerne man in den drei Jahren zum Hauswirtschafter beziehungsweise Hauswirtschaftstechnischen Helfer gleich sieben Berufe: Kinder- und Altenpflege, Nähen, Kochen, Pflanzen- und Wäschepflege, Reinigung. Private Haushalte, ambulante Pflege, Krankenhäuser und Kindereinrichtungen wären mögliche Einsatzorte. „Das ist gerade für unsere Hauptschüler eine echte Alternative“, sagt Petra Roch-Kühnel. Aktuell ziehe es jedoch die meisten Achtklässler Richtung Erziehung und Soziales sowie Gastronomie.