Von Constanze Knappe
Wie oft Dietmar Lenz an der Schnitzerei vorbeigegangen ist, kann er nicht sagen. Einige Hundert Male werden es gewesen sein, dass er die kunstvoll verzierte Schultür passiert hat, schätzt der Putzkauer. In acht Schuljahren. 1956 saß er das erste Mal auf einer Holzbank im Klassenzimmer der Grundschule. Ziemlich aufgeregt, drei Reihen hinter ihm seine Eltern und die der anderen Mitschüler. Ein Foto erinnert an diesen ersten Schultag. Wie viele Schüler mit ihm in die erste Klasse gingen, weiß der jetzt 64-Jährige nicht mehr. Im fünften Schuljahr waren sie dann 32, weil die Klassen aus Ober- und Niederdorf zusammengelegt wurden. So richtig gern sei er selten in der Schule gewesen, sagt Dietmar Lenz schmunzelnd. Das änderte sich erst in der neunten und zehnten Klasse. Aber da war er schon in der Schule in Schmölln.
All die Erinnerungen kamen wieder hoch, als Dietmar Lenz an der Vorbereitung der Ausstellung zum Jubiläum „100 Jahre Schule in Oberputzkau“ mitarbeitete. Das wird am Sonnabend mit einem Tag der offenen Tür in der Dr.-Alwin-Schade-Grundschule gefeiert. Weil er sehr architektur- und geschichtsinteressiert ist, hatte ihn Schulleiterin Martyna Wolff vor einem Jahr gebeten, sich mit der künstlerischen Gestaltung des Schulhauses zu befassen. Lange bitten musste sie Dietmar Lenz nicht. Das Interesse für solche Themen hatte schon in der Kindheit sein Vater Erhard Kschischenk in ihm geweckt, der als Lehrer an der Schule unter anderem auch Heimatkunde unterrichtete. Geblieben ist das Interesse bis heute. Deshalb arbeitet Dietmar Lenz auch im Landesverein Sächsischer Heimatschutz und im Museums- und Geschichtsverein Bischofswerda mit.
Das Schulgebäude in Putzkau ist ein Denkmal mit etlichen sehenswerten Details. Wie jener 27 mal 16,5 Zentimeter großen Schnitzerei „Der Knabe und das Mädchen“ an der Schultür zum Beispiel. Oder dem Sandstein-Postament an der Fassade vom Bildhauer Georg Türke, der an etlichen öffentlichen Gebäuden in Sachsen künstlerische Spuren hinterließ. Ausgeführt wurden die Arbeiten von der Bildhauerwerkstatt Eberle aus Dresden. Erbaut wurde die Schule 1913/14 nach Plänen des Architekten J. Arthur Bohlig. Das Bild seines Entwurfs konnte man zu jener Zeit sogar als Postkarte verschicken. Eine Uhr am Türmchen der Schule war anfangs nicht vorgesehen. Dafür entschied man sich erst nachträglich, weil es im Oberdorf keine andere Uhr gab und die an der Kirche im Niederdorf zu weit weg war.
Schüler von einst halten zusammen
Ein Foto von 1914 zeigt in einem Zimmer einen etwa 30 Zentimeter hohen mit Leimfarbe aufgebrachten Wandfries mit Alpensteinbock, Uhu und Hirschkuh. Auch in jedem anderen Zimmer gab es passend zum Unterrichtsstoff einen solchen Fries. 2 126 Reichsmark haben zwei Firmen aus Neukirch und Dresden für die umfangreichen Malerarbeiten im ganzen Schulhaus bekommen. „Das war zu jener Zeit sehr viel Geld“, sagt Dietmar Lenz. Bei seinen Recherchen im Gemeindearchiv stieß er auf die alten Rechnungen. Bildhauer Türke bekam 130 Reichsmark für den Modellentwurf des Postaments und die Bildhauerwerkstatt 363 Reichsmark für die Ausführung der Arbeiten.
Auf einem handschriftlichen Angebot fand Dietmar Lenz mehrere durchgestrichene Preise, ehe man sich offenbar auf einen geeinigt hatte. „Ich war überrascht, wie schon damals um die Handwerkerpreise gefeilscht wurde. Fast so wie in heutiger Zeit“, sagt er. Auch bei den Schulmöbeln.
Zwar wurde die Schule in Oberputzkau 1914 eröffnet, doch wurden die Lehrer in den Krieg gezogen, sodass der Unterricht erst im Januar 1915 begann. Das erste Klassenbild von 1914 stellte Dr. Günter Biesold für die Ausstellung zur Verfügung.
Zu vielen seiner einstigen Mitschüler hat Dietmar Lenz noch Kontakt. Man trifft sich alle drei bis fünf Jahre. Meistens mit der Klasse darüber, „weil in den beiden Klassen viele Geschwister“ waren. Am Sonnabend wird Dietmar Lenz wieder einmal durch die Schultür mit der wunderbaren Schnitzerei gehen. Er freut sich schon auf das Fest.