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Andere achten und nicht wegsehen

Die ökumenische Friedensdekade ging gestern mit einem Gottesdienst zu Ende. Ihr Motto regt an, öfter die Perspektive zu wechseln.

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In den zehn Tagen vor dem Buß- und Bettag findet jedes Jahr die ökumenische Friedensdekade statt. Ihr bundesweites Motto lautete diesmal „Andere achten.“ In Dresden wurde die Dekade von einer Gruppe vorbereitet, die sich aus Christen katholischer, evangelischer und evangelisch-reformierter Tradition zusammensetzt. Die meisten von ihnen kennen sich aus den wöchentlichen Friedensgebeten, die montags um 17 Uhr in der Kreuzkirche stattfinden. Erstmals gab es diese Gebete in den 80er Jahren noch in der DDR. 1991 wurden sie in Dresden wiederbelebt. Mit Beginn des Irak-Krieges trafen sich dazu erneut sehr viele Menschen. Im nächsten Jahr findet das montägliche Friedensgebet dann in der Dreikönigskirche auf Neustädter Seite statt.

In vielen Kirchgemeinden der Stadt gab es in der aktuellen Friedensdekade abendliche Andachten, im Anschluß wurde über aktuelle politische Fragen diskutiert. Das Motto bot Anlass, sich mit Fremdenfeindlichkeit und rechten Tendenzen auseinanderzusetzen. Elisabeth Naendorf vom Ökumenischen Informationszentrum Dresden hielt gestern Abend den Abschlussgottesdienst, der in der Reformierten Gemeinde am Brühlschen Garten stattfand. Die katholische Theologin ging darin auf die Frage ein, was Andere sind.

Ungewohntes macht Angst

„Menschen, die eine andere Partei wählen, eine andere Lebenspartnerschaft leben, andere Hautfarben haben, anderen Religionen angehören, nicht unsere Sprache sprechen, die machen mir manchmal Angst“, sagte Naendorf. Andere achten sei eine Aufforderung zur Beschäftigung mit Ungewohntem, eine Zumutung zum Perspektivwechsel.

Achten sei jedoch nicht gleichzusetzen mit Meinung teilen. „Die Fähigkeit zum Widerspruch ist damit nicht abzulegen“, so Naendorf. Und sprach damit die neuen Nazis an. „Soll ich die achten, ihnen ein Forum bieten, etwa tolerieren?“, fragte sie. Wo darf Achtung enden? Naendorf findet die Antwort in der Blickrichtung Gottes. Der Maßstab sei „was dem anderen dient“. Andere achten sei kein Aufruf zur wertneutralen Beliebigkeit, zur Toleranz menschenfeindlicher Haltungen. „Es meint nicht Wegsehen, sondern Stellungnahme, der Missachtung anderer entgegentreten“, sagte die Theologin.

Es sei gut, dass es Buß- und Bettage und Friedensdekaden gebe, damit sich die Dresdner regelmäßig und gemeinsam daran erinnern und es dann selber versuchen – Andere achten. (SZ)